Aus dem Regal I

Sprache ist Imitation. Sprache ist ansteckend. In einem Buch zu lesen, dessen Sprache gefällt (stilistisch, rhythmisch …), hilft beim anschliessenden Schreiben. Denn: Schreiben ist Lesen.

Hier ein paar Leseanregungen:

Kurz und bündig. Die schnellsten Geschichten der Welt. 2007. Zürich, Diogenes. – Ein Sammelband mit kurzen und sehr kurzen Geschichten, von Tschechow bis Loriot, z.B. Wolfgang Borcherts „Lesebuchgeschichte“: „Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot. Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot. Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter. Warum nicht, fragte der Soldat.“

G. C. Lichtenberg. Sudelbücher. 1983. Frankfurt am Main / Leipzig, Insel. – Der Philosoph Lichtenberg (†1799) gilt als Vater des Notizbuchs (und natürlich als grosser, zeitloser Denker und Aphoristiker). Immer wieder lesenswert, einfach aufschlagen und voilà, z.B. Seite 90: „Polizei, Polzei, Plotzei, Platzei, Platzerei, Plackei, Plackerei.“ Oder Seite 346: „Sie ist zwar noch nicht verheiratet, hat aber promoviert.“

Raymond Queneau. Stilübungen. 2007 (1961). Frankfurt am Main, Suhrkamp. – Ein Klassiker. Eine Ausgangssituation, 100 Variationen. Gibt es übrigens auch in visuell.

Robert Gernhardt. 2003 (1995). Prosamen. Stuttgart, Reclam. – Aufgeteilt in die Kapitel „Berichten“, „Betrachten“ und „Erzählen“ dekliniert Gernhardt Dutzende von Textgattungen durch. Teilweise mit Augenzwinkern, teilweise mit bitterbösem Humor, auf jeden Fall lesenswert.

Joe Brainard. Ich erinnere mich. 2011. (1975). Zürich, Walde + Graf. – Eine einfache Strukturregel kann Denkräume öffnen. So der immergleiche Satzanfang „Ich erinnere mich“.

Hanns-Josef Ortheil. Schreiben dicht am Leben. Notieren und Skizzieren. 2012. Mannheim, Duden. – Ein Übungsbuch, für alle, die zum täglichen Schreiben ein wenig Anleitung brauchen. Vorgestellt werden verschiedene Formen des Notierens, ausgehend von Beispielen aus der Literatur, ergänzt mit konkreten Schreibaufgaben.

Georges Perec. Versuch einen Platz in Paris zu erfassen. 2010 (1975). Konstanz, Libelle. – Einfach sitzen, schauen, schreiben. Das macht Perec an drei Tagen zu unterschiedlichen Zeiten auf der Pariser Place Saint-Sulpice. Das Ergebnis: ein dichter Text. Ein Experiment, das sich jederzeit und überall durchführen lässt.

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