Ausgang – Planung und Geschmack

Geschmack und Vorlieben sind gesellschaftlich motiviert und ganz und gar nicht zufällig.
In seinem Text „Die Spaltung der ‚Biographie‘ und ‚Gesellschaft'“ nennt der Soziologe Peter Alheit Biographie janusgesichtig: „Sie verkörpert soziale Strukturen, die uns auferlegt sind und denen wir nur begrenzt ‚entkommen‘ können, doch zugleich ist sie etwas, was wir selber gestalten,  verändern, ‚machen‘.
Dementsprechend ist laut Alheit die dominierende Einstellung gegenüber unserer Biographie die des Planens. Damit sind sowohl die „großen Pläne« gemeint, die wir für unser Leben hegen – der Berufswunsch, die politische Karriere, der Hausbau, die »gute Partie« etc. Es geht auch um die Planung des Wochenendes, des nächsten Vormittags oder des abendlichen Fernsehprogramms“. Ein Erfolg dieser Planung vermittelt den Akteur den Eindruck „sein Leben im Griff zu haben“, oder wie Peter Alheit sagt „Subjekt unserer Biografie“ zu sein. Aber eben dieser Eindruck kann,  sehr problematisch sein, denn es zeigt sich, dass die Autonomie des Planens sehr brüchig ist. Gefährdet wird sie z.B. durch plötzliche Schicksalsschläge wie eine Krankheit oder der Tod eines geliebten Menschen, aber auch in subtileren Maße durch eine wie Alheit sie nennt „Hintergrundlogik“. Dazu zählt er den Rahmen der Biographie, wie zum Beispiel ‚Generation‘.
Das Interessante an dieser Hintergrundlogik ist, dass sie Handlung, also in diesem Fall Biographische Planung, erst ermöglicht durch eine Beschneidung der Handlungsoptionen, indem sie anstelle von Entscheidungsprozessen Tradition oder Gewohnheit setzt und somit Ressourcen für notwendige und relevante Handlungen frei werden lässt. Bei komplettem Verlust dieser freien Entscheidung tritt aber ein sehr bedrohlicher Mechanismus in Kraft, der zum Kontrollverlust über das eigene Leben führt (z.B. unverschuldete Arbeitslosigkeit führt Geldmangel und Ausschluss aus dem sozialen Leben hervor).
Wichtig dabei ist, dass „dass unser Grundgefühl, relativ selbständig über unsere Biographie verfügen zu können, offenbar nicht notwendig mit der Tatsache in Konflikt gerät, dass der größere Teil unserer biographischen Aktivitäten entweder weitgehend festgelegt ist oder von verschiedenen Prozessoren erst angestoßen wird“.  Alheit nennt dieses Grundgefühl, die „Intuition, dass es sich bei aller Widersprüchlichkeit um ‚unser‘ Leben handelt“ und hält fest. dass „diese einzigartige ‚Hintergrundidee‘ von uns selbst haben wir nicht trotz, sondern gerade wegen der strukturellen Begrenzungen unserer sozialen und ethnischen Herkunft, unseres Geschlechts und der Zeit, in der wir leben“.

Über justwho

KATHRIN KRUMBEIN geboren 1962 in Braunschweig, lebt in Berlin, Diplom im Studiengang „Angewandte Kulturwissenschaften“ der Universität Hildesheim; Certificate im „Museum Studies Program“ der New York University (DAAD-Stipendium); technische Koordination und Realisation der Künstlerprojekte bei der Documenta IX in Kassel; Ausstattungsleitung am Theaterhaus Jena (1997/98) und Schauspiel Hannover (2009); Arbeit als freiberufliche Ausstatterin u.a. am Theater Luzern, Schauspiel Basel, Gessnerallee Zürich, Schauspiel Köln, Schauspiel Düsseldorf, Schauspiel Hannover, Kammerspiele München, Kammerspiele Magdeburg, Sophiensäle Berlin, Volksbühne Berlin, Nationaltheater Athen, Schauspielhaus Wien, Schramm Film Berlin; Projektmanagement, Ausstattung und Regie bei Theater Mahagoni- hirche/krumbein productions
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