Vom Studium in die Selbständigkeit: Der Weg eines wissenschaftlichen Illustrators. Interview mit Stefan Scherrer

Nach dem Abschluss eines gestalterischen Studiums stehen viele vor der grossen Frage: Wie geht es weiter? Für Stefan Scherrer war die Antwort klar: Selbständigkeit. Wie sich der Weg dorthin gestaltete und welche Herausforderungen er auf diesem ständigen Lernprozess erlebte, teilt er in diesem Interview.

Stefan Scherrer schloss 2020 seinen Bachelor in Knowledge Visualization an der ZHdK ab und ist seither als freischaffender wissenschaftlicher Illustrator tätig. Die Bereiche seiner Projekte reichen von Medizin, Biologie, Archäologie und Anthropologie bis hin zu Paläontologie.

Erwartungen vs. Realität
Ich lerne den Beruf der wissenschaftlichen Illustration durch Gespräche, Atelierbesuche oder Vorträge immer besser kennen und mein Bild davon wird zunehmend differenzierter. Trotzdem ist einiges noch unklar, wenn ich an meine berufliche Zukunft denke. Mich interessierte, wie es Stefan damit ging, als er hier an der ZHdK war. Ich fragte ihn, wie er sich den Beruf des wissenschaftlichen Illustrators während des Studiums vorstellte und inwieweit sich diese Erwartungen mit seinem jetzigen Berufsalltag decken. „Von den gestalterischen Prozessen und Designabläufen ist es schon so, wie ich es mir vorgestellt habe. Was definitiv anders ist, ist das Aufgleisen von Projekten.“ Plötzlich müsse man sich selbst darum kümmern, wie man an Aufträge kommt und Projekte finanziert. Und man stelle fest, wie die Finanzierung den Gestaltungsprozess beeinflusst – positiv wie negativ. Zum Beispiel könne eine zeitliche Einschränkung dem Prozess auch zu Gute kommen, weil sie einen zwinge, Dinge zu vereinfachen.

Auf meine Frage, ob er damals vor dem Abschluss schon einen konkreten Plan hatte, wie und wo es nach dem Studium weitergehen sollte, antwortete Stefan: „Das Wie war für mich klar: mit Selbständigkeit. Der Rest passierte ohne Plan.“

Der Weg zu Aufträgen
Insbesondere am Anfang, gerade nach dem Berufseinstieg, kann es schwierig sein an Aufträge zu gelangen, da man noch kein sehr grosses Netzwerk hat. Eine bewährte Strategie von Stefan ist nach wie vor, einfach bei den Leuten anzuklopfen und proaktiv zuzugehen auf Menschen in Museen, Forschungsinstituten oder Agenturen. Sich ein Netzwerk aufzubauen sei ein stetiger Prozess, bei dem er immer noch dazulerne. Es komme auch darauf an, wie offen man sei, sagt Stefan. Konzentriere man sich nicht nur auf die wissenschaftliche Illustration, sondern nehme auch andere gestalterische Aufträge an, werde das Feld natürlich breiter und es öffnen sich mehr Möglichkeiten. Flexibilität im eigenen Berufsfeld sei generell von Vorteil.

Herausforderungen und Freiheiten
Nicht nur an Aufträge zu kommen (und damit ein regelmässiges Einkommen zu sichern) ist in der Selbständigkeit eine Herausforderung, sondern auch der Austausch mit Kolleg:innen, der im eigenständigen Arbeiten nicht mehr so gegeben ist wie im Studium und manchmal zu kurz komme. Deshalb pflegt Stefan den Kontakt zu ein paar seiner ehemaligen Mitstudierenden. Dieser Austausch sei für ihn viel wert. Es gebe aber auch immer wieder Projekte, in denen er im Team arbeitet. Ihm sei es wichtig, eine gute Balance zu halten zwischen Einzelaufträgen und Projekten im Team. Und auch wenn die Selbständigkeit so manche Herausforderung mit sich bringt, ist die damit verbundene Flexibilität ein sehr grosser und wertvoller Vorteil, den Stefan sehr schätzt.

Tipps für den Berufseinstieg
Der erste Schritt in Richtung Berufseinstieg ist das Bachelorprojekt. „Was ich dir dabei ans Herz legen würde, ist, dass du ganz fest auf dich hörst und das macht, was dich interessiert und was auch der Weiche entspricht, die du im Beruf schlagen willst.“ Stefan lebt nach dem Prinzip, dem zu folgen, was einen fasziniert und persönlich weiterbringt – auch wenn das vielleicht nicht immer das Vernünftigste ist. Seine Devise: „Mach das, was dich begeistert, und nicht das, was Potential hat für Geld und Sicherheit, denn ich denke, wenn du etwas findest, das Spass macht, wirds funktionieren.“

Ebenfalls wichtig sei Geduld. Der Einstieg sei keine einfache Zeit und man müsse offen und flexibel sein, um weiterzukommen. Und schlussendlich sei das Ganze ein fortlaufender Prozess, den man mit Neugier und Freude erleben dürfe.

Herzlichen Dank, Stefan, für die spannenden Einblicke in deinen Werdegang und Berufsalltag!

Stefans Website: https://stefan-scherrer.ch/scientific-illustration

Von Gesichtern, Zungen und Tuschezeichnungen – Ein Interview mit Olivia Aloisi

Die Illustratorin Olivia Aloisi begrüsst mich herzlich im Innenhof ihres Ateliers, das im Erlacherhof mitten in Basel liegt. Das Atelier, das sie liebevoll «Schluuch» nennt und ihr auch als Ausstellungsplatz dient, teilt sie sich mit vier anderen Leuten. 2022 hat sie sich hier niedergelassen, um ihrer selbständigen Tätigkeiten nachzugehen. Daneben arbeitet sie seit 2018 für Oculus. Olivias aktuelles Projekt Der Lällekönig – Wie Basel wieder lachen lernte, ein Kinderbuch über ein altes Basler Stadtwahrzeichen, erfreut sich in Basel an grosser Beliebtheit.

Abb. 1: Olivias Atelier («Schluuch»)
Abb. 2. Olivias Arbeitsplatz

 

Auf Umwegen zum Erfolg

Schon seit ihrer Kindheit ist das Zeichnen Olivias grösste Leidenschaft. Ihr war früh klar, dass sie diese nicht nur in der Freizeit ausleben, sondern auch zu ihrem Beruf machen will. So entschied sie sich nach dem Absolvieren der Maturität, den gestalterischen Vorkurs an der heutigen ZHdK zu besuchen. Dort wurde Olivia auf die Fachklasse wissenschaftliche Illustration, den heutigen Studiengang Knowledge Visualization, aufmerksam. Sie empfand grosse Begeisterung für die wissenschaftlichen Illustrator*innen und liess sich direkt nach dem Vorkurs selbst zu einer ausbilden. 1996 schloss sie das Studium erfolgreich ab.

In den ersten Jahren nach dem Abschluss schlug sich Olivia mit der Führung eines kleinen Ladens für Kunst und Kunsthandwerk in Brugg und vereinzelten Malkursen durch. Im Versuch, mehr Geld zu verdienen, rutsche sie in die Informatik-Abteilung ab und arbeitete 1999-2005 als IT-Supporterin bei der SV Group. Erfüllung darin fand Olivia aber nicht. Eigentlich wollte sie doch etwas ganz anderes machen und nahm sich fest vor, ihren Traumberuf zu verfolgen.

Der Sprung zurück in die Illustration gelang Olivia unter Guido Köhler, ebenfalls ausgebildeter wissenschaftlicher Illustrator, der sie als Nachfolgerin seines vorherigen Mitarbeiters einstellte. Daneben arbeitete Olivia für die Ateliers Bunter Hund und Oculus, wo ihr zeitweise auch ein Atelierplatz zur Verfügung stand. Heute ist sie nach wie vor bei Oculus angestellt. Bei Guido arbeitete sie 17 Jahre lang, bevor sie sich dazu entschied, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und ihr eigenes Atelier zu gründen. Zeitgleich erhielt sie den Auftrag, ein Kinderbuch zu illustrieren. Mittlerweile ist Olivia zu 50% selbständig und macht in einem Pensum von 15-50% Aufträge für Oculus.

 

Zwischen Nonfiction und Fiction

Zu Olivias beruflichen Tätigkeiten gehört auch der Porträtkurs, den sie an der Schule für Gestaltung Basel gibt. Dabei steht nicht die realistische Wiedergabe des Gesichts, sondern dessen Ausdrucksstärke im Vordergrund. Das menschliche Gesicht ist schon immer eines von Olivias Lieblingsmotiven zum Zeichnen gewesen. Bei langen Zugfahrten hält Olivia gerne Passagier*innen und deren Besonderheiten in ihrem Skizzenbuch fest. Ihr gefällt, dass man beim Betrachten von anderen Leuten merkt, wie gross die Vielfalt von Körpern und Gesichtern eigentlich ist. Die Ideal-Proportionen, die man im anatomischen Zeichnen gelernt hat, stimmen selten. Und gerade diese Gesichter, die nicht der Norm entsprechen, nimmt Olivia besonders gerne als Modell.

Nicht nur ausdrucksstarke Gesichter, sondern auch narrativ zeichnet Olivia gerne. Wenn sie frei arbeitet, kommen vielmals Bilder zustande, die als Szene Teil einer Geschichte sein könnten. Bei Oculus erhält sie daher oft Aufträge, denen Aspekte im Bereich Fiction innewohnen.  Für Olivia vermischen sich da die Grenzen zwischen den beiden Gebieten Nonfiction und Fiction. Denn Wissensvermittlung ist nicht geradlinig und kann daher auch narrativ gestaltet sein. Auch wenn Olivia sich ab und zu fragt, ob ihr der Studiengang Illustration Fiction an der HSLU besser gelegen hätte, schätzt sie es sehr, dass sie in ihrem Studium viele Techniken gelernt hat, die sie heute zahlreich einsetzen kann.

«Ich selbst finde – und höre das auch von anderen –, dass man mich nicht am Stil erkennt. Denn ich mache ja unterschiedliche Sachen. Das ist vielleicht die Stärke eines wissenschaftlichen Illustrators, dass er alles Mögliche kann.»

Ein gutes Beispiel für Olivias Hang zur Narration ist der Inktober, an dem sie seit vielen Jahren ausnahmslos teilnimmt. Sie stellt sich gerne immer wieder der Herausforderung, jeden Tag im Oktober eine Tuschezeichnung zu machen. Das Thema gab sie sich jeweils selbst vor. Olivia gibt allerdings zu, dass die Inktober-Challenge sehr zeitaufwändig sein kann. Seit drei Jahren macht sie daher Flecken-Bilder: Im Verlauf des Tages werden ein Paar Flecken gemalt, die am Abend zu einer fertigen Zeichnung ausgearbeitet werden. So kann man den Fleck als Vorgabe nehmen und muss nicht lange überlegen, was man zeichnen könnte. Diesen Vorgang beschreibt Olivia als «Spiel mit dem Zufall».

Abb. 3: Inktober 2020
Abb. 4: Inktober 2022
Abb. 5: Inktober 2023

 

 

 

 

 

 

 

Wie Basel wieder lachen lernte

Olivias neustes Projekt ist das Kinderbuch Der Lällekönig – Wie Basel wieder lachen lernte, das sie illustriert hat und im Oktober 2024 erschienen ist. Sie wurde vom Journalisten, Autor, Musiker und Filmregisseur Olivier Joliat, dem Schriftsteller des Buchs, direkt als Illustratorin angefragt. Der Lällekönig (Lälli = Zunge) ist eine Basler Figur – i. d. R. ein Blechgesicht mit einem Mechanismus, der die Zunge raus- und rein und die Augen hin- und her bewegt –, die erstmals im 17. Jahrhundert am Basler Stadttor auftauchte. An verschiedenen Stellen in Basel hängen seither Lällekönige.

Obwohl Olivia für Aufträge grösstenteils digital arbeitet, gestaltete sie das gesamte Kinderbuch analog. Das Zufällige, dass das Analoge mit sich bringt, schien Olivia passender für ein Kinderbuch zu sein. Die Figuren und den Hintergrund malte sie separat und setzte sie dann mittels Photoshop zusammen. So konnte sie flexibel auf die Geschichte reagieren und sich mit Olivier effizient austauschen. Tatsächlich durfte Olivia zu einem gewissen Grad die Handlung mitgestalten, da sie ins Boot geholt wurde, als das Ende der Geschichte noch ausstand. Sie durfte sogar ihre ehemalige Katze Nuudeli verewigen, die wie Walter von Wo ist Walter? in jedem Bild vorkommt und letztendlich zu einer eigenständigen Figur heranwuchs.

Dank Oliviers Beruf war Der Lällekönig grosszügig in den Medien wie der Zeitung, dem Radio und der Kultursendung auf Telebasel vertreten und kam allgemein in Basel sehr gut an.

Abb. 6: Cover des Kinderbuchs
Abb 7. Seite aus dem Kinderbuch

 

 

 

 

 

 

 

In den Sternen liegt die Zukunft

Trotz ihrer neuerlangten Selbständigkeit entspricht es Olivia, in einem Team zu arbeiten. Das Atelier – in Olivias Fall Oculus – hat den direkten Kontakt zur Kundschaft und verteilt Aufträge gemäss den Stärken der Mitarbeiter*innen. Viele alte Freund*innen aus der Ausbildung sind bei Oculus tätig, so konnte Olivia, als ihr Atelierplatz noch in Zürich lag, während des Arbeitens mit ihnen schwatzen. Es stört sie aber nicht, allein zu sein. «Jetzt höre ich Podcasts. Als ich in Zürich war, lief der Podcast live», sagt Olivia lachend dazu.

Auch online ist Olivia gut repräsentiert. Auf Instagram gibt sie regelmässig Einblicke in ihre aktuellen Projekte und macht bspw. auf Ausstellungen und Kurse von ihr aufmerksam. Daneben hat sie ihre Webseite, auf der sie sich illustra nennt, im Zuge der Selbständigkeit auf Vordermann gebracht und so organisiert, dass sie sie laufend aktualisieren kann. Olivia betont, dass es wichtig ist, eine Onlinepräsenz, vor allem eine gut ausgearbeitete Webseite, zu haben, hinter der man stehen kann.

Ganz zum Schluss des Interviews zeigt sich Olivia dankbar, ihren Traumberuf ausüben zu dürfen. Ihr ist bewusst, dass das nicht allen möglich ist.

«Wenn man privilegiert genug ist, den Beruf auszusuchen, den man gerne macht – auch wenn man bei gewissen Dingen vielleicht z. B. finanzielle Kompromisse eingehen muss – dann finde ich, dass man das wählen soll, was einen erfüllt. Schlussendlich ist man eben doch mehr im Geschäft als in der Freizeit. (…) Nicht alle Menschen sind in der privilegierten Lage, dass sie das machen können, was ihnen gefällt. Ich habe selber keine Kinder und darum muss ich einfach schauen, dass es für mich stimmt – allenfalls noch für den Partner. Aber ist schon etwas anders, wenn man Familie hat, dann denkt man ein Stück weit anders.»

 

Mehr von Olivia Aloisi findet man hier:

Animation und Freundschaften knüpfen

Im Gespräch mit Leana Wirth

Leana und ich sitzen an einem Tisch im ersten Stock der Zürcher Hochschule der Künste. Einen stillen Ort zu finden war nicht einfach. Während unserer Suche schwelgt Leana in Erinnerungen, diese sind noch frisch, denn sie hat ihr Studium in Knowledge Visualization erst vor zwei Jahren abgeschlossen.

Ich beginne das Gespräch mit der Frage, wo sie jetzt arbeite und ob es eine Lücke zwischen dem Abschluss ihres Studiums und dem Einstieg ins Berufsleben gab. Leana erzählt, dass sie Glück gehabt hätte: Ihre Praktikumsstelle beim Büro Quaint sei zu einer 60%-Festanstellung geworden, was in unserem Arbeitsfeld eher selten sei. Neben dieser Anstellung mache sie sich momentan selbstständig. Da Selbstständigkeit auch bedeutet, neue Aufträge zu akquirieren, frage ich sie, ob sie sich wohl dabei fühlt, sich selbst zu vermarkten.

Leana gibt zu, dass es manchmal schwierig sei, die Balance zu finden – ab wann Selbstbewusstsein in „zu viel“ übergeht. Das empfinde ich sehr ähnlich: Wie viele FINTA-Personen kennen wir beide das Gefühl, zu aufdringlich zu wirken oder zu viel Raum einzunehmen. Vielleicht ist dies ein Grund, warum selbstständige Büros in unserer Branche immer noch häufiger von Männern geführt werden?

«Was ich gut kann, sind Freundschaften knüpfen, Interesse zeigen, mal länger bleiben und ein Gespräch über alles Mögliche anfangen und durch das Bekanntschaften aufbauen. So ergibt sich manchmal irgendwann etwas.»

Leana erzählt, dass es ihr leichter falle, neue geschäftliche Beziehungen über persönliche Gespräche aufzubauen. Dennoch gäbe es Situationen, in denen eine gute Selbstdarstellung wichtig sei – eine Fähigkeit, die Studierende an der ZHdK mit höherer Priorität lernen würden als an vielen anderen Institutionen.

«Das Gute oder das Schlechte, es kann beides sein, ist das sie (die ZHdK) dir von allem ein bisschen geben «

An der ZHdK hat Leana von allem ein bisschen gelernt, was sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Einerseits eröffnet diese breite Ausbildung viele Möglichkeiten, andererseits ist man in spezialisierten Bereichen oft den Fachleuten unterlegen.

«Ich war in Nantes im Austauschsemester, das hat mir sehr die Augen geöffnet,[…] dort wird man fürs Arbeiten bei grossen Studios wie Disney vorbereitet, man lernt extrem viel Technik. Man lernt es um einiges besser als hier. Du lernst es bis ins kleineste Detail.»

Leana interessiert sich besonders für Animation und hat ihr Studium durch einen Austausch an einer französischen Animationsschule vertieft. Dort lag der Fokus mehr auf technischem Know-how als auf Präsentation. Sie rät mir, bei Interesse an einem technisch anspruchsvollen Bereich wie Animation nach dem ZHdK-Studium unbedingt die spezifischen Fähigkeiten zu vertiefen.

Abb. 2 &3: beide Bilder sind Screenshots aus Leanas Animationen

 

«Ich habe schon von Leuten gehört, die gar nichts bekommen haben, oder unter 500 Franken. Es ist sehr unterschiedlich.»

Dann wenden wir uns dem wirklich wichtigen Thema zu: Geld. Leana erzählt, dass die Praktikumslöhne stark variieren würden. Sie selbst hätte in ihren Praktika während des Studiums  etwa 1800-2000 und nach dem Studium zuerst 2800 und dann 3000 Schweizer Franken verdient, was im Vergleich mit anderen Praktikumslöhnen fair ist.

«…irgendwelche visuelle Metaphern suchen; für erste Entwürfe; für Animationsskripte; ChatGPT gib mir ein paar Inputs, wie könnte das aussehen? Dann bekomme ich zehn Ideen, die mir dann weiterhelfen, um selbst auf andere Ideen zu kommen.»

Zum Schluss sprechen wir über Leanas Meinung zu künstlicher Intelligenz. Wie kann man KI nutzen, und wie fühlt sie sich angesichts der Fortschritte, die KI immer näher an die Fähigkeiten von Illustrator*innen heranbringen? Leana findet, dass KI ein nützliches Tool sei, das gut im kreativen Prozess eingesetzt werden kann. Wenn man auf Pinterest nicht die passende Inspiration finde oder eine Skizze farbig ausprobieren möchte, bietet KI schnelle und effiziente Hilfe. Bis jetzt fühle sie sich von KI nicht bedroht. Was die Zukunft bringt, wenn die Technologie noch leistungsfähiger wird, bleibe jedoch abzuwarten.

Leana ermutigt mich, optimistisch zu bleiben. Obwohl die Joblage in unserem Bereich nicht einfach sei, haben alle ihre ehemaligen Mitstudierenden eine Arbeitssituation gefunden, die für sie passt.

 

Danke, Leana, dass du dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast. Ich habe dich sehr gerne kennengelernt!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Leanas Website: https://www.leanawirth.com/about

Alle Bilder stammen von Leanas Instagram und wurden am 14. 01.2025 aufgenommen.

Interview mit Eva Kläui

Am 29. November machte ich mich am Nachmittag auf den Weg ins Atelier von Eva Kläui. Es ist ein gemütlicher Raum, versteckt hinter den Kulissen eines Ladens, welcher Handwerkskunst verkauft. Ich wurde herzlich willkommen geheissen und durfte einen Einblick in ihre Welt nehmen.

Arbeitsplatz von Eva Kläui

Du bekommst hauptsächlich archäologische Aufträge, wie sieht so ein Auftrag in der Regel aus?

Ich bin angestellt als archäologische Zeichnerin beim Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug. Dort gehört das Zeichnen von archäologischen Funden für Publikationen zu meinem Auftrag. Was ich auch sehr oft mache, sind Lebensbilder und Rekonstruktionen, wie zum Beispiel meine Illustration zur Burg Hünenberg. Fundzeichnungen und Lebensbilder sind sicher die Hauptthemen, manchmal mache ich auch Kartierungen, zum Beispiel eine Übersichtskarte zu einer Fundstelle mit Markierungen, wo etwas gefunden wurde und andere gestalterische Arbeiten.

Lebensbilder mache ich öfter als Auftrag in meinem Atelier. Diese sind sehr schön zum Machen, aber auch wahnsinnig aufwendig, denn inhaltlich sollte möglichst alles stimmen. Man muss auch dazu bereit sein, ständig alles zu ändern. Es kann passieren, dass man etwas gezeichnet hat, und dann kommt ein neues Forschungsresultat und es ändert sich wieder alles. Oder zum Beispiel der Rebberg im Hintergrund bei der Rekonstruktion der Burg (Abb 1). Zuerst war der ganze Hügel voll mit Reben, ich habe jede Rebe einzeln gezeichnet. Das ist natürlich mein Problem, ich müsste das nicht so aufwendig machen. Danach war dann klar, dass so viele Reben unrealistisch sind. Nachdem ich also viele Stunden an den Reben gearbeitet habe, musste ich die meisten wieder löschen. Das war schon fast ein bisschen lustig. Manchmal passiert das, wenn die Archäolog*innen das Bild sehen und dann merken, dass etwas nicht stimmen kann oder etwas präziser dargestellt werden muss. Das ist aber auch das Schöne an unserem Beruf, die Visualisierung ist Teil des Forschungsprozesses. Bei archäologischen Aufträgen arbeitet man darum ganz nahe mit den Forscher*innen zusammen.

Abb 1) Lebensbild der Burg Hünenberg

Was zeichnest du am liebsten?

Ich mache sehr viel Archäologie, und eine weitere Leidenschaft gilt der Botanik. Diese konnte ich zum Beispiel bei einem Projekt (Abb 2) für ein Magazin namens Noma ausleben. Ich war da total frei, ich hatte nur einen Titel: Die Intelligenz der Pflanzen, und ich konnte diesen umsetzen wie auch immer ich wollte. Das war sehr toll. Wenn man so viel Vertrauen bekommt von den Auftraggeber*innen, das ist ein Traum.

Leider konnte ich diesen Auftrag nur zweimal machen, danach wurde das Magazin eingestellt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Abb 2) Kolumne für das
noma Magazin zum Thema «Die Intelligenz der Pflanzen»

Wenn ich diesen Auftrag bekommen würde, bei dem man so viel Freiheit bekommt, ich würde mir Sorgen machen, zu viele Stunden zu investieren und den Kund*innen gefällt es am Ende vielleicht gar nicht. Wie gehst du damit um, was ist deine Herangehensweise?

Ich schicke die Kund*innen immer zuerst auf meine Webseite, dort können sie sich die Art der Umsetzung heraussuchen, die ihnen gefällt. Das hilft schon einmal sehr dabei, herauszufinden, in welche Richtung es gehen soll. Die Kund*innen kommen ja auch zu mir, weil ihnen mein Stil gefällt.

Natürlich mache ich immer Skizzen, bevor ich mich an die finale Umsetzung wage. Die Skizzen versuche ich möglichst effizient zu realisieren. Zur Absicherung hilft das auf jeden Fall.

Was sind die mühsamsten/anstrengendsten Aufträge, die du je hattest?

Ich würde sagen, die Aufträge, die man für wenig Geld macht und ständig noch irgendwelche Änderungen kommen, können schon eher mühsam sein. Anstrengend sind auch Aufträge, bei denen Zeichnen mehr als Hobby betrachtet wird und bei denen verlangt wird, noch «schnell» ein Logo oder eine Illustration zu machen. Ich habe mir eigentlich schon vor langer Zeit vorgenommen, solche Aufträge nicht mehr anzunehmen, aber ich mache es dann natürlich trotzdem immer wieder.

Du arbeitest ja als Dozentin an der HSLU im archäologischen Zeichnen. Wie ist dein Erlebnis als Dozierende?

Ich mache schon sehr lange archäologische Illustrationen, um genau zu sein seit 25 Jahren und bringe daher einen grossen Erfahrungswert mit. Was mir persönlich sehr wichtig ist, ist der enge Bezug zur Arbeitswelt. Ich kann gut Kontakte herstellen zwischen Archäolog*innen und Studierenden. Auch gefällt mir total gut zu beobachten, da ich schon so lange berufstätig bin, wie das Leben für die Studierenden aussieht, die gerade erst beginnen. Es ist spannend, mitzubekommen, was jüngeren Leuten wichtig ist.

Ich bin angestellt als Gastdozentin.

Wie oft unterrichtest du?

Ich unterrichte ein Modul, das 1.5 Monate lang ist, es ist recht intensiv. Wenn man es auf Anstellungsprozente ausrechnen würde, käme man wahrscheinlich etwa auf 12 %.

Zum Abschluss noch eine Frage: Was für einen Tipp würdest du angehenden Illustrator*innen wie mir mit auf den Weg geben?

Ich glaube, es hilft sehr, wenn man dran bleibt und sich wirklich Mühe gibt, einen guten Job zu machen. Das hört sich jetzt sehr altbacken an. Aber ich glaube wirklich, dass es extrem viel wert ist, wenn man etwas Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat und für den Auftrag dann alles gibt.

Was ich auch als Tipp geben kann, verkauft eure Arbeit nicht zu unter ihrem Wert. Ich verstehe das total, man ist jung und will an Aufträge herankommen, aber das kann sich in der Zukunft nachteilig auswirken. Weil sich die Lebensumstände ändern können und es bei wiederkehrenden Aufträgen schwierig wird, den Preis an die geänderten Umstände anzupassen.

 

Vielen Dank für die Einblicke in dein Berufsleben und das tolle Gespräch!
Die Arbeiten von Eva Kläui findet man unter:
https://www.evaklaeui.ch

Interview mit der Designerin und wissenschaftlichen Illustratorin Tamara Aepli

Für mein Interview habe ich mich mit der Designerin und wissenschaftlichen Illustratorin Tamara Aepli via Zoom verabredet. An diesem Tag war sie noch in Sizilien gewesen. Ich habe mich besonders gefreut Tamara Aepli zu interviewen, da Sie eine Inspiration für mich ist und einen Beitrag zu der Herstellung von medizinischen Illustrationen und Wissenschaftliche Visualisierung leistet.

Wir haben uns zuerst unterhalten, wie sie zum jetzigen Zeitpunkt in Ihrer Karriere gekommen ist und wie sich Ihr Weg für sie entfaltet hat. Sie erzählte mir, es hätte sich Vieles gerade so ergeben. Jedoch waren wichtige Kontakte zur richtigen Zeit schlussendlich der entscheidendste Faktor ihres Werdeganges. Nach dem Bachelor habe sie eine Anfrage von der Kantonsarchäologie bekommen, eine Stellvertretung zu übernehmen. Ausschlaggebend war an dieser Stelle insbesondere das bereits bei ihnen absolvierte Praktikum während des Studiums an der ZHdK. Das war ihr erster Job gewesen sagte mir Tamara. Sie habe später aber eine Stelle als medizinische Illustratorin bei einer internationalen Forschungsorganisation erhalten. Diese absolvierte sie zunächst zur Arbeit in der Kantonsarchäologie. Kontakte aus diesen ersten Jahren im Berufssleben haben die Verbindung zum Atelier Oculus Illustration geschaffen für die sie mehrmals Freelanceeinsätze leistete. Nachdem sie berufsbegleitend ihr Masterstudium in Design absolvierte kündigte sie ihre Festanstellung in der Forschungsorganisation, wechselte zu einer Teilzeitanstellung bei Oculus Illustration und baut seither ihre Tätigkeit als selbstständige Designerin weiter aus.

«Dir bechumet vielleicht o mit es git dä Bruef wo de lehrsch sowie nid. Es git kenni Bruefbezeichnig, (…) aso isches sehr selte das eini gnau so usgschribä wird (…) wenn gnau das wotsch mache, de muesch selbstständig si (…)»


Herausforderungen in Bezug auf interdisziplinäre Arbeit

«… us Designer isch me eigentlich immer interdisziplinär involviert und ds finde
i o spanned, aber es isch klar herausfordernd.»

Tamara Aepli berichtete davon nicht immer in direkter Zusammenarbeit mit anderen Menschen gearbeitet zu haben. Wenn sie als Freelancerin oder für die Agentur arbeitet bekommt sie Auftrage zum Teil mit klar definiertem Briefing und wird nicht immer von Anfang an in den Entstehungsprozess eines Projekts miteinbezogen.

Etwas anders sieht es bei interdisziplinärer Arbeit aus. Dies beinhaltet unter anderem die Zusammenarbeit innerhalb eines Teams.Hier ist es wichtig ein Projekt auch ganzheitlich zu betrachten und den Kontext, in der eine Visualisierung gebraucht wird, zu verstehen. Relevante Informationen (Inhalt, Zielgruppen, Zweck usw.) müssen in dieser Zusammenarbeit zuerst erarbeitet werden.

Eine weitere Herausforderung war es als junge Designerin sich in den ersten Berufsjahren Gehör zu verschaffen, erzählte Tamara Aepli. Zum Beispiel in der medizinischen Forschungsorganisation befanden sich sich oftmals Männer in Führungs- und Expertenpositionen, was auf eine junge Frau einschüchternd wirken kann. Tamara Aepli erzählte, dass sie ihre Position als Expertin verteidigen musste, wenn sie zum Beispiel angewiesen wurde in Meetings Kaffee zuzubereiten. Ausserdem musste sie zu Beginn lernen, ihre Zurückhaltung zu überwinden und viele Fragen zu stellen, welche für den Visualisierungsprozess von Relevanz waren.

 

AO Sports Principles Course Poster, Tamara AepliAO Sports Principles Course Poster, Tamara Aepli

 


Kreativität vs. Kostendruck: Die Herausforderungen von
Selbständigen in der Bildproduktion

«Es isch ä gwüssi Schwierigkeit a die Lüüt herezcho wo de Wert i dem gseh…»

Tamara Aepli hat mir erzählt, dass die Herausforderung für sie als selbstständige Designerin ist, sich im Markt dort zu positionieren, wo man nicht mit billig produzierten Bildern konkurriert. Gerade in der Forschung oder der akademischen Lehre sind die Mittel teilweise begrenzt und es werden Bilder bevorzugt, welche geringe Kosten verursachen. In diesen Fällen geht es meist darum, wer den Wert an massgeschneiderten Illustrationen erkennt und die finanziellen Mittel besitzt, um damit in eine qualitativ hochwertige Lösung zu investieren.

Ausserdem ist es von Bedeutung sich selbst klarzumachen für welche Werte man einstehen möchte, um auf diese Weise mit Personen zusammen arbeiten zu können, welche ähnliche Ansätze und Ziele verfolgen. Auf diese Weise kann man sich etwas vom Konkurrenzdruck befreien und hat gleichzeitig mehr Freude an der eigenen Arbeit.


Abschliessende Tipps für Studierende im
Knowledge Visualization von Tamara Aepli

  • Netzwerke bilden: Kontakte aus dem Studium pflegen und neue knüpfen.
  • Viel ausprobieren: Durch Ausprobieren entdeckt man seine Talente und was einem wirklich Freude macht. Es gibt nicht nur einen Weg also sollte man mutig sein und verschiedene Ansätze ausprobieren.
  • Portfolio regelmäßig aktualisieren: Als Designer:in ist ein Portfolio zwingend. Wenn man sich weiterentwickelt, sollte man dieses aktualisieren und anpassen.
  • Feedback einholen: Es ist wichtig, Feedback zu erhalten, von anderen Designer:innen aber auch Kund:innen oder Personen aus dem Zielpublikum, um die eigene Arbeit aus einer anderen Perspektive zu sehen. Man arbeitet nicht nur für sich selbst, sondern für einen bestimmten Zweck und als Dienstleister für andere.
  • Selbstmarketing und Verkaufen: Erfolgreich zu sein hängt zu einem großen Teil davon ab, wie gut man sich selbst und seine Arbeit verkaufen kann. Wirtschaftliche Fähigkeiten sind genauso wichtig wie gestalterische Fähigkeiten.

Ich bedanke mich Herzlich bei Tamara Aepli dafür, dass ich eine Einsicht in Ihr Berufsleben haben konnte und wertvolle Tipps für meinen Werdegang erhalten konnte.

Für eine Einsicht in Tamara Aeplis Werke

Zwischen Idee und Umsetzung – Interview mit Freelance Concept Artist Simeon Schaffner

 

Jeder Anfang ist klein

Concept Art ist eine herausfordernde Industrie. Auch wenn die Branche in der Schweiz eher klein ist, sind immer mehr Illustrator*Innen auf dem Feld tätig; Und dazu gehört auch Simeon Schaffner. Seit seinem Bachelorabschluss im Major Knowledge Visualization in 2016 arbeitet er als Freelance Concept Artist und war bereits an grösseren Projekten wie The Last of Us: Part II beteiligt. Sein Interesse fürs Zeichnen prägte schon seine Kindheit, als er unter anderem in Restaurants auf Servietten kritzelte und später von belgischen und französischen Comics inspiriert war. Nach dem Gymnasium und gestalterischen Vorkurs begann seine Ausbildung an der ZHdK. Während des Studiums war ihm nach wie vor die freie Illustration wichtig, weswegen er parallel neben dem Unterrichtsstoff an persönlichen Illustrationen arbeitete. Beide Disziplinen – Fiction und Nonfiction – wurden letztlich mit einer Motivation vereint: Möglichst gut zeichnen zu können. Deshalb schärfte er sein Handwerk in den 3 Jahren. Geplant war, nach dem erfolgreichen Abschluss sein Portfolio zu priorisieren. Eher ungeplant war dann jedoch, dass er regelrecht in die Entertainment-Industrie reinrutschte.

Abbildung 1: Umgebungsskizzen in Grautönen

Concept Art und Entertainment-Design

In der Entertainment-Industrie spricht man vor allem von Videogames, Filmen und TV- Serien. Als Concept Artist designt und visualisiert man Ideen – oder eben Konzepte – die nur in den Köpfen von Menschen existieren. Diese Illustrationen sind jedoch nicht aktiv Bestandteil des Endprodukts, sondern bilden die Basis für die Umsetzung wie z.B. das Programmieren eines Games oder der Setting-Aufbau eines Filmes. Grundsätzlich können also wichtige Dinge anhand der Konzepte entschieden bzw. abgelesen werden, wie etwa das Endprodukt aussehen wird, wie viel das Projekt kosten soll oder wie gut man es vermarkten kann.
Simeon vergleicht es mit dem Plan von einem Architekten. Der Plan gibt eine Auskunft, wie das Endprodukt sein wird, und ist enorm wichtig für die Umsetzung. Jedoch ist der Plan nie das Endprodukt. Bei Concept Art verhält es sich sehr ähnlich.


Weg zur Professionalität

 «Zwei, drei Monate nach dem Studium haben per Zufall zwei Concept Artists aus Amerika hier einen Workshop gemacht. Das war eigentlich das erste Mal, dass das in der Schweiz so vorkam.»
An dem Event knüpfte er Kontakte, die ihm später auch zum ersten Auftrag verhalfen. Zudem besuchte er in Amerika eine Schule, die sich auf Entertainment-Design spezialisierte. Heute unterrichtet er noch an der HSLU, leitet einen Onlinekurs und ist als Art Director tätig. Am Anfang seiner Karriere war ihm vor allem wichtig, dass er nicht nur von Arbeit zu Arbeit springt, sondern auch sich selbst als Concept Artist etabliert. Das stellte sich als Herausforderung dar, da die Schweiz erst in den letzten paar Jahren eine festere Community für das Entertainment Design aufbaut. Zudem ist die Industrie ein hartes Umfeld. Die Bilder, die produziert werden, müssen möglichst gut sein in deren Idee und Umsetzung. An einen Auftrag zu kommen – besonders als Freelancer – ist daher herausfordernd, da die Ansprüche an gute Concept-Illustrationen sehr hoch sind. Hat man dann einen Auftrag, kann dies ebenfalls anstrengend werden; manchmal gibt es Lücken zwischen den Arbeiten, ein anderes Mal überlappen sich die Aufträge und man muss mit 200% Arbeitsaufwand die Deadlines einhalten und trotzdem qualitativ gute Bilder produzieren. Ein «schlechter Tag» hat da kaum Platz.

Abbildung 2: Simeons Arbeitsplatz

 

Ein Traum, der in Erfüllung ging

Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Aspekte seinen Berufsalltag. Die Themen und Arten der Aufträge sind vielfältig; Eine Woche fokussiert man sich auf Skizzen eines Fantasy-Projektes, bei einem anderen Auftrag geht es darum, in mehreren Monaten eine Illustration einer post-apokalyptischen Szene zu kreieren. Diese Vielfältigkeit führt dazu, das eigene Können zu schärfen.
Auch die Zusammenarbeit mit anderen Illustrator*Innen ist eine Bereicherung. Da kann es auch mal vorkommen, dass man mit Koryphäen zu tun hat, die seit Jahrzehnten in der Industrie arbeiten. An diversen Events kann man mit anderen Designer*Innen networken und sich inspirieren lassen. Der Vergleich von eigenen Arbeiten mit anderen ist somit etwas, das automatisch passiert – aber nicht unbedingt grundlegend schlecht ist. Um herauszufinden, ob die persönlichen Skills für die Branche ausreichen und wo es noch Potenzial für Verbesserung gibt, ist es sinnvoll, ein bisschen Konkurrenz zu haben. Der Druck ist wichtig, um einen Grund zu haben, etwas zu machen. Doch solange man dranbleibt, geht es vorwärts.
«Die Erkenntnis, dass mit jedem Pinselstrich, den man macht, mit jedem Bleistiftstrich, mit jedem 3D-Modell – auch schon, wenn man Sachen anschaut – mit jedem Moment wird man besser.»

Abbildung 3: Überwucherte Strassen in Santa Barbara

 

Einen Blick zurück, einen Blick voraus

In kommender Zukunft wird Simeon sicher auf dem Feld weiterarbeiten. Aktuell tendiert seine Arbeit eher auf die Design-Seite, wobei das Zeichnen manchmal etwas zu kurz kommt. Dies und das ständige Arbeiten am Computer möchte er mit persönlichen, analogen Arbeiten ausgleichen. Was ihm bei seiner Karrierenorientierung sehr geholfen hat – und was er auch allen, die in die Illustration einsteigen möchten, empfehlen kann – ist, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen.

«Das Ding ist halt, man weiss nicht, was man alles nicht weiss. Und ich glaube, als Illustrator muss man sich auch mal die Zeit nehmen, um 150% in das Metier einzutauchen (…) um herauszufinden, was braucht es wirklich, um den Job zu machen und will man den machen für den Rest vom eigenen Leben.“

Über die Zeit lernt man aber nicht nur, besser zu illustrieren. Während den diversen Aufträgen kann man unterschiedliche Realitäten und Welten erschaffen. In dem Prozess findet man sich selbst besser kennen, da die eigenen Bilder oft eine Reflexion von dem sind, was man ist oder von dem, was man sein will.

 

Herzlichen Dank an Simeon für das spannende, vielseitige und lehrreiche Interview!

Weitere Werke von Simeon Schaffner findet man hier: https://www.artstation.com/simeonschaffner

Abbildung 4: Illustration für den Workshop «Environment Design for Games»

Interview mit Luca Bermùdez

Auf dem Weg ins „Atelier Pikaia“, frägt mich Luca Bermùdez, Tätowierer und Mitgründer des Studios, ob ich etwas aus der Migros wolle, was mir sofort die Spannung nimmt. Das Interview findet in seinem liebevoll eingerichteten und einladenden Tattoo- Studio statt, wo wir uns zusammensetzen und erstmal übers Studium plaudern. 

Werdegang

Luca erzählt, dass seine Leidenschaft für das Zeichnen schon früh begann, vor allem mit dem abzeichnen von Tieren und Pflanzen aus wissenschaftlichen Büchern. Für ihn war schon immer klar, dass er etwas mit Zeichnen, Kunst und Illustration machen möchte. Auch das Tätowieren kam für ihn schon früh in Frage: Als er etwa 16 Jahre alt war, zeichnete er schon tätowierte Menschen und Designs, die er sich als Tattoos vorstellen könnte.

Vor dem Studium an der Zürcher Hochschule der Künste machte er noch einen kleinen Umweg; er absolvierte seinen Zivildienst in einer Primarschule und so stellte er sich die Frage, ob er einen pädagogischen Weg einschlagen soll, spezifisch im Kunstunterricht. Als es aber bei der Eignungsprüfung nicht klappte, sah er sich nach anderen Studiengängen um, die sein Interesse an der Wissenschaft, an Tieren und Pflanzen und an der Paläontologie besser repräsentieren. So wurde klar, dass der Studiengang Scientific Visualization die richtige Wahl war, weil er dort die richtigen Themen vorfand und gleichzeitig seine zeichnerischen Fähigkeiten erweitern konnte. 

Tattoo 

“Beim Tätowieren hatte ich das Gefühl, dass es eine geschlossene Welt ist. Ich hatte schon ein oder zwei Tattoos, bevor ich mit dem Studium anfing, aber ich wusste nicht, wie ich in diese Welt hineinkommen sollte. Deshalb war sie lange Zeit weit weg, irgendwie unzugänglich.” 

Während des Studiums entdeckte er das Zeichnen mit Tusche für sich und vertiefte seine Fähigkeiten damit, zum Beispiel mit Inktober. Diese Zeichnungen konnte man dann gut als Tattoo-Motive verwenden. Er stellte ein Portfolio mit solchen Zeichnungen zusammen und bewarb sich nach dem Studium bei den umliegenden Tattoo-Studios. 

Im “Giahi”-Studio hat er seine Ausbildung begonnen, dort hat er gelernt, wie man mit Hygiene umgeht und dort hat er auch seine ersten richtigen Tattoos gestochen. Doch Umstrukturierung des Studios und die damit verbundenen Personalentlassungen beendeten die Ausbildung vorzeitig. Um weiterhin zu üben bestellte er das benötigte Material und tätowierte zu Hause seine engsten Freunde. Im “Don’t Say No”- Studio wurde er als Tätowierer eingestellt und konnte dort seine Ausbildung fortsetzen. Im August 2021 machte er den Schritt zur Selbstständigkeit und gründete mit Sophie, die er in der Ausbildung kennengelernt hatte, das „Pikaia Atelier“. Die beiden hatten in den vorherigen Studios erlebt, wie problematisch es zugehen kann und deshalb war es ihnen sehr wichtig, ein Atelier zu haben, das ein „safe space“ für alle ist. 

Auf die Frage, welche weiteren Fähigkeiten ihm bei der Arbeit helfen, antwortet er;

“Lustigerweise habe ich Restaurant-Job, den ich gemacht habe, viel mitgenommen. Das Ganze Gastgebersein und mit Leuten umgehen, das ist etwas, was ich dort gelernt habe. Weil wenn jemand für ein Tattoo kommt, ist man wie ein Gastgeber.” 

Im Umgang ist es ihm auch wichtig, dass er sich viel Zeit für die Kunden nimmt, dass sie sich wohlfühlen und in ihren Entscheidungen nicht gedrängt werden. So macht er in der Regel nur ein Tattoo pro Tag. So bleibt genug Zeit, um das Design zusammen anzusehen, die Grösse anzupassen und sicherzustellen, dass das Tattoo perfekt passt. So gehört bei ihm auch das Retuschieren dazu, bei dem nach dem Abheilen des Tattoos noch etwas nachgebessert wird. 

Ratschläge

Als Ratschlag für angehende Tätowierer betont Luca, wie wichtig es ist, viel zu zeichnen und ein regelmässiges Instagram-Profil zu haben;      

“Das andere ist, ein Insta-Profil zu haben, wo man regelmässig postet. Beispielsweise wenn man sich bei Studios bewirbt, ist das oft auch das Erste, was angeschaut wird. Ich finde es ein wenig daneben, dass es in gewisse Studios fast wichtiger ist, wieviele Follower man hat als die künstlerischen Fähigkeiten.” 

Mit einem Instagram Profil kann man sich mit einem bestimmten Stil etablieren. Man kann also auch anderen Tätowierern folgen, um herauszufinden, in welche Richtung man selbst gehen möchte.

Ausserdem empfiehlt er, sich medizinisches Wissen über Tattoos über Youtube anzueignen. Wichtig für das Tätowieren, ist auch das regelmässige Üben, die Ausbildung ist eine Vollzeitbeschäftigung. In der Motivwahl bieten sich organische Motive eher an als geometrische Motive, da gerade Linien viel Übung brauchen. Mit einer Dickeren Nadel ist die Linienführung auch etwas einfacher.

Für die Zukunft plant er, ein grösseres Studio zu eröffnen, das dennoch familiär bleibt und die Möglichkeit bietet, Lehrlinge auszubilden.

Ich bedanke mich herzlich bei Luca, für den spannenden Einblick in die Welt des Tätowierens!

 

„Der Wunsch als wissenschaftliche Illustratorin zu arbeiten wollte einfach nie weggehen…“

Interview mit Barbara Schuler

 Für das Interview im Praxismodul entschied ich mich die ZHdK- Absolventin, Designerin und Spinnen-Enthusiastin Barbara Schuler anzuschreiben. Ich lernte Barbara bereits im vorletzten Jahr kennen, als sie gerade ihr Master-Abschlussprojekt „Mit den Sinnen einer Spinne“ in der Diplomausstellung der ZHdK präsentierte. Ich war dort auf der Suche nach Antworten, wo mein kreativer Weg hingeht. Ich sprach Barbara auf ihr Masterprojekt und ihre Erfahrungen an der ZHdK an woraufhin sie mir Mut machte, mich hier für ein Studium zu bewerben.

11.12.2023

 Als Barbara und ich uns jetzt, im Dezember 2023, wieder treffen, habe ich fast das erste Semester Knowledge Visualization hinter mir. Wir hatten unser Interview mehrfach verschoben, weil ich krank geworden war. Schließlich stehe ich nun endlich an einem Montagabend vor ihrer Wohnungstür und bin ganz schön aufgeregt. Ich habe das Gefühl, jetzt muss es ein besonders gutes Interview werden. Doch als wir dann erstmal mit Tee und Snacks an ihrem Küchentisch zusammensitzen, kann ich mich langsam wieder entspannen.

Ich frage Barbara zuerst nach ihrem Tag und woran sie heute gearbeitet hat. Sie lacht und erzählt, dass Montag ihr freier Tag ist. Sie hat heute die Wohnung geputzt und gelesen. „Ich arbeite gerade an drei Tagen der Woche für den Onlineshop Digitec Galaxus und ein Tag ist reserviert für meine Forschungsstelle an der ZHdK. Da ich auf Stundenbasis arbeite, kann ich mir meine Zeit ganz gut selber einteilen.“

 Babara wollte schon immer etwas mit Zeichnen machen. Nach der Schule hat sie einen gestalterischen Vorkurs besucht und sich dann für die Wissenschaftliche Illustration an der ZHdK beworben. Da sie aber nicht angenommen wurde, hat sie im Anschluss die Grafikfachklasse in Luzern besucht. Nach 3 Jahren Arbeit als Grafikerin und Webdesignerin in Basel ist sie auf der Suche nach mehr intellektueller Stimulation dann doch wieder bei der ZHdK gelandet. Jedoch diesmal bei Interaction Design. Mit ihrem Abschluss ist sie im Jahr 2007 zunächst wieder in die Arbeitswelt eingestiegen.

14 Jahre später zog es Barbara wieder zur ZHdK um den Master in Knowledge Visualization zu machen. Ich frage sie, wie es dazu kam. „Der Wunsch als wissenschaftliche Illustratorin zu arbeiten wollte einfach nie weggehen.“

In ihrer Masterarbeit entwickelte sie einen 360° Film, der dem Betrachtenden die Sinneswahrnehmung aus der Perspektive einer Großen Wanderspinne näherbringt. Mit dem Film will sie erreichen, dass Menschen ein besseres Bild von Spinnen bekommen. Sie ist zu dem Projekt gekommen, da sie selbst ein großes Interesse für die Natur hat. Besonders für Spinnen.

Nach dem Masterstudium hat Barbara zwei Förderungen erhalten, eine im Rahmen des Junior Research in Design Programmes und eine durch das Dossier Nachhaltigkeit. Die Förderungen ermöglichen ihr nun ihr Masterprojekt zu einem interaktiven Erlebnis weiterzuentwickeln und das Filmerlebnis noch immersiver zu gestalten. „Durch die Forschungsförderung hatte ich nun die Möglichkeit zwei interaktive Prototypen zu entwickeln, die unter anderem ein sensorisches Feedback in Form von Luftströmungen geben. Diese haben wir dann auch an dem Zürcher Wissenschaftsfestival Scientifica vorgestellt.“

Ausschnitt aus dem BA-Film „Mit den Sinnen einer Spinne“

Gerade ist ihre Arbeit jedoch weniger kreativ, da sie vor allem Anträge mitschreibt, um Kooperationspartner für ihr Projekt zu finden. Das ist zwar oft anstrengend und langwierig,  aber Babara hat die Motivation nicht verloren, bestätigt sie mir.

In ihrem anderen Job bei Digitec Galaxus ist sie als Freelancerin angestellt. Ihre aktuelle Aufgabe ist die Signaletik für ein neues Lager zu entwickeln, also ein visuelles System zur besseren Orientierung in den Räumen. Gerade ist sie daher vielmehr in Kontakt mit dem Facility Management des Gebäudes als mit den anderen Designern bei Galaxus.

Ich frage sie ob es ihr wichtig ist, dass ihre Arbeit mit ihren moralischen Werten übereinstimmt. „Ja im Prinzip schon, aber es ist auch schwer, da das Geld in der Werbung liegt, welche ich oft nicht für sinnvoll halte. Bei Galaxus habe ich aber einen guten Chef, der es mir ermöglicht immer wieder gestalterische Aufgaben außerhalb des Werbebereiches zu übernehmen.“

Neujahrskarte für 2024

Dann unterhalten wir uns noch über ihr kreatives Schaffen in ihrer Freizeit. Sie erzählt, dass es sehr von ihrem Arbeitsalltag begrenzt wird. „Ich stelle immer wieder fest, dass wenn wieder Ferien sind, hat es plötzlich mega viele Zeichnungen im Skizzenbuch und wenn ich arbeite, praktisch nichts. Sobald der Druck wegfällt, bekomme ich dann wieder Lust zu zeichnen.“ Außerdem zeichnet und entwickelt sie jedes Jahr in ihrer Freizeit liebevoll gestaltete Neujahrskarte, meistens mit witzigen Tier- und Pflanzenbeobachtungen.

Im Anschluss möchte ich noch wissen, wie sie mit kreativen Blockaden umgeht. Aber es wirkt nicht so, als ob es ein großes Thema für sie ist. „Meistens recherchiere ich, was es schon so zu dem Thema gibt. Dann brainstorme ich alleine oder mit anderen Leuten. Auf jeden Fall sollte man eine Idee, wenn sie noch nicht ganz sitz, nicht gleich aufgeben, sondern eher herausfinden, woran es liegt.“ Ich höre auch heraus, dass sie sich selbst ein wenig den Druck nimmt. „Es kann nicht jedes Projekt ein goldenes Ei sein.“

Für die Zukunft wünscht sich Babara weitere Forschungsprojekte. Ich frage sie, ob sie ein konkretes Thema vor Augen hat. Zuerst zögert sie und erzählt mir dann doch, an was sie am liebsten arbeiten würde. „Das Netz des Lebens aufzeigen und warum Biodiversität so wichtig ist, das wäre so ein Thema.“

Barbaras Arbeitsplatz

Nach dem Gespräch zeigt sie mir noch ihren Arbeitsplatz, den sie jetzt lange mit der Spinne geteilt hat. Diese hatte sie sich während dem Masterprojekt zugelegt, um sie beobachten zu können und die Animationen der Spinne im VR-Film realistischer umzusetzen.

Am Ende bedanke ich mich herzlich bei Babara für das angenehme Treffen sowie den Einblick, den sie mir in ihren aktuellen Arbeitsalltag gewährt hat und nehme neue Inspiration für meinen eigenen Lebensweg daraus mit.

Hier sind Barbaras Arbeiten zu finden:
https://barbaretta.ch

 

 

Interview mit Lucy Kägi, Dezember 2023

Eine Künstlerin zwischen Goldschmiedekunst und Digitaler Illustration

 

Lucy Kägi, Absolventin des Bachelorstudiums in Knowledge Visualization der ZHdK, empfängt mich herzlich im Strapazin Atelier in Zürich, einem kreativen Raum, den sie mit knapp zwanzig anderen Kunstschaffenden teilt. Das Strapazin Atelier bietet Lucy nicht nur einen Raum zum Arbeiten, sondern auch einen Ort des kreativen Austauschs. Anfangs arbeitete sie noch von zuhause aus, da es natürlich im Jahr 2020 – inmitten der Coronapandemie – schwierig war sich etwas zu suchen. Sie fand aber schnell für sich heraus, dass sie den Austausch mit anderen und ein Atelier ausserhalb ihres Zuhauses brauchte. Heute arbeitet sie drei Tage pro Woche als selbstständige Illustratorin im Strapazin Atelier, was für sie der ideale Arbeitsplatz ist. In der Regel arbeiten circa zehn Personen jeweils gleichzeitig im Atelier. Wenn alle am Arbeiten sind, herrscht eine ruhige und konzentrierte Stimmung. Das gemeinsame Mittagessen zu kochen, übernimmt jeden Tag eine andere Person.

Ihr künstlerischer Weg begann mit einer erfolgreichen vierjährigen Berufslehre als Goldschmiedin, gefolgt von der Berufsmatura. Bereits damals war ihr klar, dass sie sich in einem anderen Bereich weiterentwickeln wollte. Die Entscheidung fiel auf das Knowledge Visualization Studium an der ZHdK. Nach dem Abschluss im Jahr 2020 arbeitet Lucy nun 60% als selbstständige Illustratorin im Strapazin Atelier. Am Abschlusstag des Studiums erhielt sie ein unerwartetes Angebot von ihrem früheren Goldschmieden-Chef für eine 40%-Stelle, das sie annahm, um finanzielle Stabilität nach dem Studium zu gewährleisten. Lucy betont die Bedeutung von Kontakten und Teamarbeit, insbesondere jetzt nach dem Studium. Viele ihrer ersten Anstellungen und Aufträge kamen über Bekannte, sogar von ehemaligen Dozenten. Ihr Stil hat sich seither von vorwiegend wissenschaftlichem Inhalt zu mehr Editorial-Stil entwickelt, wobei sie auch weiterhin Schmuckzeichnungen erstellt.

Lucy Kägi nutzt vorwiegend Programme wie Procreate, Adobe Illustrator und Aftereffects für ihre pixelbasierte Arbeit. Obwohl sie in der Vergangenheit analog gearbeitet hat, ist dies aufgrund der fehlenden Zeit heute seltener der Fall. Darum schätzt sie besonders die Handarbeit und analoge Arbeit als Goldschmiedin, die ein willkommener Ausgleich zur digitalen Illustration ist. Die Aufträge steuern momentan ihre Richtung. Obwohl sie nicht abgeneigt ist mit Cinema 4d und anderen 3D Programmen zu arbeiten, fehlt die Zeit, um nochmals richtig in die Welt der 3D Visualisierung einzutauchen und sich die Skills anzueignen. Sie führt einen Wochenplan, der sich flexibel den Anforderungen der Aufträge anpasst. Eine Herausforderung der Selbstständigkeit ist zum Beispiel die Notwendigkeit, an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten zu können, Organisationstalent zu besitzen, flexibel zu sein und Geduld zu haben.

 

«Ja, wenn man gerade in die Selbstständigkeit startet, muss man halt schon ein wenig eine Durststrecke aushalten. Also ich habe jetzt sicher auch zwei Jahre gehabt, wo ich weniger als in einer Anstellung verdient habe. Erst seit diesem Jahr habe ich einen normalen Lohn. (…) Aber interessant ist, dass mir extrem viele sagen, dass sie auch etwa zwei Jahre brauchten. «

 

Lucy Kägis künstlerischer Weg ist geprägt von der gelungenen Symbiose zwischen der Präzision der Goldschmiedekunst und kreativen Freiheit einer Illustratorin. Ihre Erfahrungen spiegeln die Herausforderungen und Belohnungen wider, die mit der Selbstständigkeit in der Kunstwelt einhergehen. Die Arbeit von Lucy Kägi zeigt, wie verschiedene Welten sich bereichern können und eine individuelle Reise in der Kunst immer wieder neue und aufregende Wege einschlagen kann.

*Das Zitat wurde von Schweizerdeutsch auf Hochdeutsch übersetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lucy Kägi an ihrem Arbeitsplatz im Strapazin Atelier in Zürich.

www.lucykaegi.ch

Instagram: @lucykaegi_illustration

Geschichtenerzähler durch Wort und Bild: Wie versteht Torben Kuhlmann Illustration und Autorenschaft

“Ich bin tatsächlich geneigt, mich nicht primär als Illustrator und Autor zu bezeichnen, sondern eher als Geschichtenerzähler. Die Medien Wort und Bild sind die Mittel, die ich dafür nutze.”.

Vom Studium an der HAW bis zum Erfolg als Geschichtenerzähler und Illustrator.

Die Reise von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW zu einem etablierten Geschichtenerzähler und Illustrator war für Torben Kuhlmann eine faszinierende Entwicklung. Das Studium „Illustration und Kommunikationsdesign“ an der HAW Hamburg, das viele verschiedene kreative Bereiche beinhaltet, legte den Grundstein seiner Karriere.

Die Entscheidung für die HAW und damit auch für Hamburg fiel aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten innerhalb des Bereichs Illustration – von Fiction bis Non-Fiction. Die Nähe zur Elbe und der Nordsee begünstigte die Entscheidung für die Hansestadt sicherlich ebenfalls. Der gute Ruf der HAW im Bereich Illustration, sichtbar durch Buchmessen und international präsente Studierende, verfestigte die Wahl zusätzlich.

Ursprünglich tendierte er mehr zu Non-Fiction und weniger zu Bilderbüchern. Historische Zeichnungen und Geschichten faszinierten ihn, doch die Wege an der HAW standen für beide Optionen offen und er konnte praktische Erfahrung in beiden Bereichen sammeln. Obwohl Torben Kuhlmanns Schwerpunkt im Bereich Illustration lag, wagte er sich während des Studiums auch in die Bereiche des „Kommunikationsdesigns“ vor, hier vor allem in den Bereich Film. Dies waren keine Pflichtkurse, allerdings ergab sich hier die Möglichkeit, Storytelling und Zeichnung auf ganz andere Weise zu kombinieren. Filmwissen und Storyboard öffneten ihm nach dem Studium schliesslich auch die Tür zu einer Position in der Werbeagentur Jung von Matt, wo er seine Fähigkeiten als Storyboard-Künstler weiter ausbauen und Erfahrungen sammeln konnte.

Schon früh in seiner Studienzeit begann er mit berufsorientierten Aufträgen, darunter die Zusammenarbeit mit dem „Stern“. Diese praxisorientierten Projekte mit knappen Timings und unter realen Berufsbedingungen zu bearbeiten, verhalfen ihm zu ersten Veröffentlichungen. Ein erster Schritt in die Berufswelt der Illustration war damit erfolgt. Diese Projekte dienten nicht nur als wichtige Erfahrung, sondern bereicherten auch das stetig wachsende Portfolio.

Interesse an Mechanik und Geschichte: Eine Kombination für die Zukunft

Torben Kuhlmanns Interesse an Technik liess sich ebenfalls in das Illustrations-Studium integrieren. Wenn es mit der Zulassung an der HAW Hamburg nicht geklappt hätte, wäre für ihn vielleicht ein klassischer, eher technischer Beruf ebenfalls eine Option gewesen. Wie er verrät, hat es aber zum Glück auf Anhieb mit dem Illustrationsstudium geklappt. Technik und Geschichte wurde zu einem zentralen Thema in seinen Büchern, insbesondere in den „Mäuseabenteuern“, so wie in seinen informativen Illustrationen. Durch die Verbindung von Technikgeschichte und historischen Kulissen entstand sein erstes Bilderbuch, das auch seine Abschlussarbeit an der HAW Hamburg darstellte. „Lindbergh“ – heute eine seiner bekanntesten Arbeiten – spielt im frühen 20. Jahrhunderts und erzählt eine alternative Luftfahrtgeschichte in der Mäusewelt. Allerdings hat auch der reale menschliche Flugpionier Charles Lindbergh in der Geschichte einen Gastauftritt, wodurch die Geschichte zu ihrem Namen kam.

Der Weg durch die Werbeagentur: Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Seine Zeit in der Werbeagentur Jung von Matt, wo er nach dem aktiven Studium mehrere Jahre als angestellter Illustrator arbeitete, verdeutlichte Torben Kuhlmann die Bedeutung des Sprichworts: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Obwohl das Studium ihn handwerklich gut auf das Berufsleben vorbereitet hatte, musste er sich erst an das straffe Arbeitspensum innerhalb einer Werbeagentur einarbeiten. Das selbstbestimmte und recht unverfängliche Bearbeiten an eigenen Illustrationsprojekten im Studium wich einem engen Korsett aus Briefings, Zwischenbesprechungen und knappen Abgabefristen – mit vielen Korrekturschleifen. Wie er heute sagt: Im Studium lernte er das Handwerk, in der Agentur das Arbeiten gegen die Uhr. Selbst die Zusammenarbeit mit Zeitschriften wie dem „Stern“ oder der „National Geographic“ hatten dagegen einen fast betulichen Rhythmus. Die Arbeit an Storyboards und Werbelayouts lehrte ihn, sich zu strukturieren, seinen Arbeitsrhythmus richtig einzuschätzen und im Endeffekt Timings immer einzuhalten.

Mit der Festanstellung folgte er seinem „Masterplan“, der nach dem Studium im Idealfall eine Festanstellung im kreativen Bereich vorsah, um dort Erfahrungen zu sammeln, Kunden zu finden und schliesslich den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Sein Portfolio, welches nicht nur Illustration und Infografik, sondern auch Film- und Designarbeiten beinhaltet, erwies sich als Türöffner. 

Eigene Projekte und die Kunst der Sommerpause

Er erzählt, dass er für freie Malerei oder projektunabhängige Arbeiten oft zu wenig Zeit findet. Insbesondere jetzt liegen umfangreiche Buchprojekte und Auftragsarbeiten auf dem Schreibtisch, darunter Umschlagillustrationen und Vignetten für ein Jugendbuch von Frida Nilsson, für welche er sich immer ein wenig Zeit freihält. Gefragt nach seinen Lieblingsillustrationen nennt Torben Kuhlmann ebenfalls ein paar bisherige Zusammenarbeiten mit Frida Nilsson. Die Titelbilder zu „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ und „Siri und die Eismeerpiraten“. Auch schätzt er seine schon recht alten Illustrationen „Rezitation bei Regenwetter“ nach einem Gedicht von Erich Kästner. Ein Anzeichen dafür, dass er für eine Arbeit stolz empfindet, ist, dass er dann gerne einen Druck oder sogar ein Original an die Wand hängt.

„Lindbergh“ feiert diesen Sommer sein 10-jähriges Jubiläum, für das ein paar spezielle Illustrationen anstehen, so wie auch ein zeitlich knapp geplantes weiteres Mäuseabenteuer. Torben Kuhlmann erzählt, dass er noch nie so viele Arbeiten gleichzeitig auf seinem Tisch liegen hatte, weshalb er sich ab diesem Sommer eine Pause nehmen möchte, um so für die freien Arbeiten Zeit zu haben. Dafür hat er schon eine Weile Leinwände sowie Ölfarben bereitstehen.

Ratschlag für angehende Illustrator*innen

Sein Ratschlag an angehende Illustratorinnen und Illustratoren ist klar: Glaubt an euren eigenen Stil und habt Mut ihn voranzutreiben. Auf Trends aufzuspringen ist nicht zwingend notwendig; Vertrauen in die eigene Bildsprache und Intuition sind entscheidend. Trotzdem sollte man flexibel genug sein, verschiedene Bereiche zu erkunden und sich nicht nur krampfhaft dem Portfolio zu widmen. Der eigene Stil sollte erkennbar bleiben, während man verschiedene Bereiche erschliesst. Eine Balance zwischen dem, was Spass macht und dem, was machbar ist, sei entscheidend, um nicht überfordert zu werden. Der Mut, an den eigenen Stil zu glauben, ist auch eine wirksame Abwehr gegen die Herausforderungen der im wahrsten Sinne des Wortes generischen KI.

In der Vielfalt und Kreativität von gutem Storytelling in Filmen und Büchern findet Torben Kuhlmann Inspiration für seine Arbeit, ebenso bei ausgiebigen Museumsbesuchen. Zu seinen Vorbildern in der Kunst gehören Caspar David Friedrich, Claude Monet und Edouard Manet. In Sachen Lichtstimmungen verehrt er William Turner oder den amerikanischen Realisten John Singer Sargent.

Die persönliche Freiheit, sich mit verschiedenen Themen zu beschäftigen, hilft ihm dabei, neue Ideen zu generieren. Auch das bewusste Abschalten durch andere Betätigungen, wie beispielsweise das Erkunden der Industriegebiete Hamburgs mit vielen Kränen und brutalistischen Gebäuden, trägt dazu bei, neue Perspektiven zu gewinnen und Ideen zu entwickeln. So ist die Inspiration für das neueste Buch „Die graue Stadt“ entstanden.

Die Zukunft birgt für ihn weiterhin viele Projekte, darunter die Fortsetzung der Mäuseabenteuer, neue Buchprojekte und die Pflege von langjährigen Beziehungen zu Verlagen und Kunden. Trotz der Unsicherheiten im kreativen Bereich und dem Aufkommen von KI ist er zuversichtlich, dass die Einzigartigkeit des individuellen Stils unersetzlich bleibt.

Sein Ratschlag für angehende Künstlerinnen und Künstler ist also klar: Behaltet euren eigenen Stil bei, glaubt an euch selbst und seid mutig, neue Wege zu gehen. Der Weg mag unvorhersehbar sein, aber die Liebe zur eigenen Arbeit und die Freude am Geschichtenerzählen sind die treibenden Kräfte, die auch in der Zukunft erfolgreich machen werden.

Webseite: https://www.torben-kuhlmann.com/

 

Quellen:

Abb. 1: Selbstportrait – Torben Kuhlmann

Abb. 2: Illustration aus Lindbergh: Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus