Nach dem Abschluss eines gestalterischen Studiums stehen viele vor der grossen Frage: Wie geht es weiter? Für Stefan Scherrer war die Antwort klar: Selbständigkeit. Wie sich der Weg dorthin gestaltete und welche Herausforderungen er auf diesem ständigen Lernprozess erlebte, teilt er in diesem Interview.
Stefan Scherrer schloss 2020 seinen Bachelor in Knowledge Visualization an der ZHdK ab und ist seither als freischaffender wissenschaftlicher Illustrator tätig. Die Bereiche seiner Projekte reichen von Medizin, Biologie, Archäologie und Anthropologie bis hin zu Paläontologie.
Erwartungen vs. Realität
Ich lerne den Beruf der wissenschaftlichen Illustration durch Gespräche, Atelierbesuche oder Vorträge immer besser kennen und mein Bild davon wird zunehmend differenzierter. Trotzdem ist einiges noch unklar, wenn ich an meine berufliche Zukunft denke. Mich interessierte, wie es Stefan damit ging, als er hier an der ZHdK war. Ich fragte ihn, wie er sich den Beruf des wissenschaftlichen Illustrators während des Studiums vorstellte und inwieweit sich diese Erwartungen mit seinem jetzigen Berufsalltag decken. „Von den gestalterischen Prozessen und Designabläufen ist es schon so, wie ich es mir vorgestellt habe. Was definitiv anders ist, ist das Aufgleisen von Projekten.“ Plötzlich müsse man sich selbst darum kümmern, wie man an Aufträge kommt und Projekte finanziert. Und man stelle fest, wie die Finanzierung den Gestaltungsprozess beeinflusst – positiv wie negativ. Zum Beispiel könne eine zeitliche Einschränkung dem Prozess auch zu Gute kommen, weil sie einen zwinge, Dinge zu vereinfachen.
Auf meine Frage, ob er damals vor dem Abschluss schon einen konkreten Plan hatte, wie und wo es nach dem Studium weitergehen sollte, antwortete Stefan: „Das Wie war für mich klar: mit Selbständigkeit. Der Rest passierte ohne Plan.“
Der Weg zu Aufträgen
Insbesondere am Anfang, gerade nach dem Berufseinstieg, kann es schwierig sein an Aufträge zu gelangen, da man noch kein sehr grosses Netzwerk hat. Eine bewährte Strategie von Stefan ist nach wie vor, einfach bei den Leuten anzuklopfen und proaktiv zuzugehen auf Menschen in Museen, Forschungsinstituten oder Agenturen. Sich ein Netzwerk aufzubauen sei ein stetiger Prozess, bei dem er immer noch dazulerne. Es komme auch darauf an, wie offen man sei, sagt Stefan. Konzentriere man sich nicht nur auf die wissenschaftliche Illustration, sondern nehme auch andere gestalterische Aufträge an, werde das Feld natürlich breiter und es öffnen sich mehr Möglichkeiten. Flexibilität im eigenen Berufsfeld sei generell von Vorteil.
Herausforderungen und Freiheiten
Nicht nur an Aufträge zu kommen (und damit ein regelmässiges Einkommen zu sichern) ist in der Selbständigkeit eine Herausforderung, sondern auch der Austausch mit Kolleg:innen, der im eigenständigen Arbeiten nicht mehr so gegeben ist wie im Studium und manchmal zu kurz komme. Deshalb pflegt Stefan den Kontakt zu ein paar seiner ehemaligen Mitstudierenden. Dieser Austausch sei für ihn viel wert. Es gebe aber auch immer wieder Projekte, in denen er im Team arbeitet. Ihm sei es wichtig, eine gute Balance zu halten zwischen Einzelaufträgen und Projekten im Team. Und auch wenn die Selbständigkeit so manche Herausforderung mit sich bringt, ist die damit verbundene Flexibilität ein sehr grosser und wertvoller Vorteil, den Stefan sehr schätzt.
Tipps für den Berufseinstieg
Der erste Schritt in Richtung Berufseinstieg ist das Bachelorprojekt. „Was ich dir dabei ans Herz legen würde, ist, dass du ganz fest auf dich hörst und das macht, was dich interessiert und was auch der Weiche entspricht, die du im Beruf schlagen willst.“ Stefan lebt nach dem Prinzip, dem zu folgen, was einen fasziniert und persönlich weiterbringt – auch wenn das vielleicht nicht immer das Vernünftigste ist. Seine Devise: „Mach das, was dich begeistert, und nicht das, was Potential hat für Geld und Sicherheit, denn ich denke, wenn du etwas findest, das Spass macht, wirds funktionieren.“
Ebenfalls wichtig sei Geduld. Der Einstieg sei keine einfache Zeit und man müsse offen und flexibel sein, um weiterzukommen. Und schlussendlich sei das Ganze ein fortlaufender Prozess, den man mit Neugier und Freude erleben dürfe.
Herzlichen Dank, Stefan, für die spannenden Einblicke in deinen Werdegang und Berufsalltag!
Stefans Website: https://stefan-scherrer.ch/scientific-illustration