Interview mit Luca Bermùdez

Auf dem Weg ins „Atelier Pikaia“, frägt mich Luca Bermùdez, Tätowierer und Mitgründer des Studios, ob ich etwas aus der Migros wolle, was mir sofort die Spannung nimmt. Das Interview findet in seinem liebevoll eingerichteten und einladenden Tattoo- Studio statt, wo wir uns zusammensetzen und erstmal übers Studium plaudern. 

Werdegang

Luca erzählt, dass seine Leidenschaft für das Zeichnen schon früh begann, vor allem mit dem abzeichnen von Tieren und Pflanzen aus wissenschaftlichen Büchern. Für ihn war schon immer klar, dass er etwas mit Zeichnen, Kunst und Illustration machen möchte. Auch das Tätowieren kam für ihn schon früh in Frage: Als er etwa 16 Jahre alt war, zeichnete er schon tätowierte Menschen und Designs, die er sich als Tattoos vorstellen könnte.

Vor dem Studium an der Zürcher Hochschule der Künste machte er noch einen kleinen Umweg; er absolvierte seinen Zivildienst in einer Primarschule und so stellte er sich die Frage, ob er einen pädagogischen Weg einschlagen soll, spezifisch im Kunstunterricht. Als es aber bei der Eignungsprüfung nicht klappte, sah er sich nach anderen Studiengängen um, die sein Interesse an der Wissenschaft, an Tieren und Pflanzen und an der Paläontologie besser repräsentieren. So wurde klar, dass der Studiengang Scientific Visualization die richtige Wahl war, weil er dort die richtigen Themen vorfand und gleichzeitig seine zeichnerischen Fähigkeiten erweitern konnte. 

Tattoo 

“Beim Tätowieren hatte ich das Gefühl, dass es eine geschlossene Welt ist. Ich hatte schon ein oder zwei Tattoos, bevor ich mit dem Studium anfing, aber ich wusste nicht, wie ich in diese Welt hineinkommen sollte. Deshalb war sie lange Zeit weit weg, irgendwie unzugänglich.” 

Während des Studiums entdeckte er das Zeichnen mit Tusche für sich und vertiefte seine Fähigkeiten damit, zum Beispiel mit Inktober. Diese Zeichnungen konnte man dann gut als Tattoo-Motive verwenden. Er stellte ein Portfolio mit solchen Zeichnungen zusammen und bewarb sich nach dem Studium bei den umliegenden Tattoo-Studios. 

Im “Giahi”-Studio hat er seine Ausbildung begonnen, dort hat er gelernt, wie man mit Hygiene umgeht und dort hat er auch seine ersten richtigen Tattoos gestochen. Doch Umstrukturierung des Studios und die damit verbundenen Personalentlassungen beendeten die Ausbildung vorzeitig. Um weiterhin zu üben bestellte er das benötigte Material und tätowierte zu Hause seine engsten Freunde. Im “Don’t Say No”- Studio wurde er als Tätowierer eingestellt und konnte dort seine Ausbildung fortsetzen. Im August 2021 machte er den Schritt zur Selbstständigkeit und gründete mit Sophie, die er in der Ausbildung kennengelernt hatte, das „Pikaia Atelier“. Die beiden hatten in den vorherigen Studios erlebt, wie problematisch es zugehen kann und deshalb war es ihnen sehr wichtig, ein Atelier zu haben, das ein „safe space“ für alle ist. 

Auf die Frage, welche weiteren Fähigkeiten ihm bei der Arbeit helfen, antwortet er;

“Lustigerweise habe ich Restaurant-Job, den ich gemacht habe, viel mitgenommen. Das Ganze Gastgebersein und mit Leuten umgehen, das ist etwas, was ich dort gelernt habe. Weil wenn jemand für ein Tattoo kommt, ist man wie ein Gastgeber.” 

Im Umgang ist es ihm auch wichtig, dass er sich viel Zeit für die Kunden nimmt, dass sie sich wohlfühlen und in ihren Entscheidungen nicht gedrängt werden. So macht er in der Regel nur ein Tattoo pro Tag. So bleibt genug Zeit, um das Design zusammen anzusehen, die Grösse anzupassen und sicherzustellen, dass das Tattoo perfekt passt. So gehört bei ihm auch das Retuschieren dazu, bei dem nach dem Abheilen des Tattoos noch etwas nachgebessert wird. 

Ratschläge

Als Ratschlag für angehende Tätowierer betont Luca, wie wichtig es ist, viel zu zeichnen und ein regelmässiges Instagram-Profil zu haben;      

“Das andere ist, ein Insta-Profil zu haben, wo man regelmässig postet. Beispielsweise wenn man sich bei Studios bewirbt, ist das oft auch das Erste, was angeschaut wird. Ich finde es ein wenig daneben, dass es in gewisse Studios fast wichtiger ist, wieviele Follower man hat als die künstlerischen Fähigkeiten.” 

Mit einem Instagram Profil kann man sich mit einem bestimmten Stil etablieren. Man kann also auch anderen Tätowierern folgen, um herauszufinden, in welche Richtung man selbst gehen möchte.

Ausserdem empfiehlt er, sich medizinisches Wissen über Tattoos über Youtube anzueignen. Wichtig für das Tätowieren, ist auch das regelmässige Üben, die Ausbildung ist eine Vollzeitbeschäftigung. In der Motivwahl bieten sich organische Motive eher an als geometrische Motive, da gerade Linien viel Übung brauchen. Mit einer Dickeren Nadel ist die Linienführung auch etwas einfacher.

Für die Zukunft plant er, ein grösseres Studio zu eröffnen, das dennoch familiär bleibt und die Möglichkeit bietet, Lehrlinge auszubilden.

Ich bedanke mich herzlich bei Luca, für den spannenden Einblick in die Welt des Tätowierens!

 

„Der Wunsch als wissenschaftliche Illustratorin zu arbeiten wollte einfach nie weggehen…“

Interview mit Barbara Schuler

 Für das Interview im Praxismodul entschied ich mich die ZHdK- Absolventin, Designerin und Spinnen-Enthusiastin Barbara Schuler anzuschreiben. Ich lernte Barbara bereits im vorletzten Jahr kennen, als sie gerade ihr Master-Abschlussprojekt „Mit den Sinnen einer Spinne“ in der Diplomausstellung der ZHdK präsentierte. Ich war dort auf der Suche nach Antworten, wo mein kreativer Weg hingeht. Ich sprach Barbara auf ihr Masterprojekt und ihre Erfahrungen an der ZHdK an woraufhin sie mir Mut machte, mich hier für ein Studium zu bewerben.

11.12.2023

 Als Barbara und ich uns jetzt, im Dezember 2023, wieder treffen, habe ich fast das erste Semester Knowledge Visualization hinter mir. Wir hatten unser Interview mehrfach verschoben, weil ich krank geworden war. Schließlich stehe ich nun endlich an einem Montagabend vor ihrer Wohnungstür und bin ganz schön aufgeregt. Ich habe das Gefühl, jetzt muss es ein besonders gutes Interview werden. Doch als wir dann erstmal mit Tee und Snacks an ihrem Küchentisch zusammensitzen, kann ich mich langsam wieder entspannen.

Ich frage Barbara zuerst nach ihrem Tag und woran sie heute gearbeitet hat. Sie lacht und erzählt, dass Montag ihr freier Tag ist. Sie hat heute die Wohnung geputzt und gelesen. „Ich arbeite gerade an drei Tagen der Woche für den Onlineshop Digitec Galaxus und ein Tag ist reserviert für meine Forschungsstelle an der ZHdK. Da ich auf Stundenbasis arbeite, kann ich mir meine Zeit ganz gut selber einteilen.“

 Babara wollte schon immer etwas mit Zeichnen machen. Nach der Schule hat sie einen gestalterischen Vorkurs besucht und sich dann für die Wissenschaftliche Illustration an der ZHdK beworben. Da sie aber nicht angenommen wurde, hat sie im Anschluss die Grafikfachklasse in Luzern besucht. Nach 3 Jahren Arbeit als Grafikerin und Webdesignerin in Basel ist sie auf der Suche nach mehr intellektueller Stimulation dann doch wieder bei der ZHdK gelandet. Jedoch diesmal bei Interaction Design. Mit ihrem Abschluss ist sie im Jahr 2007 zunächst wieder in die Arbeitswelt eingestiegen.

14 Jahre später zog es Barbara wieder zur ZHdK um den Master in Knowledge Visualization zu machen. Ich frage sie, wie es dazu kam. „Der Wunsch als wissenschaftliche Illustratorin zu arbeiten wollte einfach nie weggehen.“

In ihrer Masterarbeit entwickelte sie einen 360° Film, der dem Betrachtenden die Sinneswahrnehmung aus der Perspektive einer Großen Wanderspinne näherbringt. Mit dem Film will sie erreichen, dass Menschen ein besseres Bild von Spinnen bekommen. Sie ist zu dem Projekt gekommen, da sie selbst ein großes Interesse für die Natur hat. Besonders für Spinnen.

Nach dem Masterstudium hat Barbara zwei Förderungen erhalten, eine im Rahmen des Junior Research in Design Programmes und eine durch das Dossier Nachhaltigkeit. Die Förderungen ermöglichen ihr nun ihr Masterprojekt zu einem interaktiven Erlebnis weiterzuentwickeln und das Filmerlebnis noch immersiver zu gestalten. „Durch die Forschungsförderung hatte ich nun die Möglichkeit zwei interaktive Prototypen zu entwickeln, die unter anderem ein sensorisches Feedback in Form von Luftströmungen geben. Diese haben wir dann auch an dem Zürcher Wissenschaftsfestival Scientifica vorgestellt.“

Ausschnitt aus dem BA-Film „Mit den Sinnen einer Spinne“

Gerade ist ihre Arbeit jedoch weniger kreativ, da sie vor allem Anträge mitschreibt, um Kooperationspartner für ihr Projekt zu finden. Das ist zwar oft anstrengend und langwierig,  aber Babara hat die Motivation nicht verloren, bestätigt sie mir.

In ihrem anderen Job bei Digitec Galaxus ist sie als Freelancerin angestellt. Ihre aktuelle Aufgabe ist die Signaletik für ein neues Lager zu entwickeln, also ein visuelles System zur besseren Orientierung in den Räumen. Gerade ist sie daher vielmehr in Kontakt mit dem Facility Management des Gebäudes als mit den anderen Designern bei Galaxus.

Ich frage sie ob es ihr wichtig ist, dass ihre Arbeit mit ihren moralischen Werten übereinstimmt. „Ja im Prinzip schon, aber es ist auch schwer, da das Geld in der Werbung liegt, welche ich oft nicht für sinnvoll halte. Bei Galaxus habe ich aber einen guten Chef, der es mir ermöglicht immer wieder gestalterische Aufgaben außerhalb des Werbebereiches zu übernehmen.“

Neujahrskarte für 2024

Dann unterhalten wir uns noch über ihr kreatives Schaffen in ihrer Freizeit. Sie erzählt, dass es sehr von ihrem Arbeitsalltag begrenzt wird. „Ich stelle immer wieder fest, dass wenn wieder Ferien sind, hat es plötzlich mega viele Zeichnungen im Skizzenbuch und wenn ich arbeite, praktisch nichts. Sobald der Druck wegfällt, bekomme ich dann wieder Lust zu zeichnen.“ Außerdem zeichnet und entwickelt sie jedes Jahr in ihrer Freizeit liebevoll gestaltete Neujahrskarte, meistens mit witzigen Tier- und Pflanzenbeobachtungen.

Im Anschluss möchte ich noch wissen, wie sie mit kreativen Blockaden umgeht. Aber es wirkt nicht so, als ob es ein großes Thema für sie ist. „Meistens recherchiere ich, was es schon so zu dem Thema gibt. Dann brainstorme ich alleine oder mit anderen Leuten. Auf jeden Fall sollte man eine Idee, wenn sie noch nicht ganz sitz, nicht gleich aufgeben, sondern eher herausfinden, woran es liegt.“ Ich höre auch heraus, dass sie sich selbst ein wenig den Druck nimmt. „Es kann nicht jedes Projekt ein goldenes Ei sein.“

Für die Zukunft wünscht sich Babara weitere Forschungsprojekte. Ich frage sie, ob sie ein konkretes Thema vor Augen hat. Zuerst zögert sie und erzählt mir dann doch, an was sie am liebsten arbeiten würde. „Das Netz des Lebens aufzeigen und warum Biodiversität so wichtig ist, das wäre so ein Thema.“

Barbaras Arbeitsplatz

Nach dem Gespräch zeigt sie mir noch ihren Arbeitsplatz, den sie jetzt lange mit der Spinne geteilt hat. Diese hatte sie sich während dem Masterprojekt zugelegt, um sie beobachten zu können und die Animationen der Spinne im VR-Film realistischer umzusetzen.

Am Ende bedanke ich mich herzlich bei Babara für das angenehme Treffen sowie den Einblick, den sie mir in ihren aktuellen Arbeitsalltag gewährt hat und nehme neue Inspiration für meinen eigenen Lebensweg daraus mit.

Hier sind Barbaras Arbeiten zu finden:
https://barbaretta.ch

 

 

Interview mit Lucy Kägi, Dezember 2023

Eine Künstlerin zwischen Goldschmiedekunst und Digitaler Illustration

 

Lucy Kägi, Absolventin des Bachelorstudiums in Knowledge Visualization der ZHdK, empfängt mich herzlich im Strapazin Atelier in Zürich, einem kreativen Raum, den sie mit knapp zwanzig anderen Kunstschaffenden teilt. Das Strapazin Atelier bietet Lucy nicht nur einen Raum zum Arbeiten, sondern auch einen Ort des kreativen Austauschs. Anfangs arbeitete sie noch von zuhause aus, da es natürlich im Jahr 2020 – inmitten der Coronapandemie – schwierig war sich etwas zu suchen. Sie fand aber schnell für sich heraus, dass sie den Austausch mit anderen und ein Atelier ausserhalb ihres Zuhauses brauchte. Heute arbeitet sie drei Tage pro Woche als selbstständige Illustratorin im Strapazin Atelier, was für sie der ideale Arbeitsplatz ist. In der Regel arbeiten circa zehn Personen jeweils gleichzeitig im Atelier. Wenn alle am Arbeiten sind, herrscht eine ruhige und konzentrierte Stimmung. Das gemeinsame Mittagessen zu kochen, übernimmt jeden Tag eine andere Person.

Ihr künstlerischer Weg begann mit einer erfolgreichen vierjährigen Berufslehre als Goldschmiedin, gefolgt von der Berufsmatura. Bereits damals war ihr klar, dass sie sich in einem anderen Bereich weiterentwickeln wollte. Die Entscheidung fiel auf das Knowledge Visualization Studium an der ZHdK. Nach dem Abschluss im Jahr 2020 arbeitet Lucy nun 60% als selbstständige Illustratorin im Strapazin Atelier. Am Abschlusstag des Studiums erhielt sie ein unerwartetes Angebot von ihrem früheren Goldschmieden-Chef für eine 40%-Stelle, das sie annahm, um finanzielle Stabilität nach dem Studium zu gewährleisten. Lucy betont die Bedeutung von Kontakten und Teamarbeit, insbesondere jetzt nach dem Studium. Viele ihrer ersten Anstellungen und Aufträge kamen über Bekannte, sogar von ehemaligen Dozenten. Ihr Stil hat sich seither von vorwiegend wissenschaftlichem Inhalt zu mehr Editorial-Stil entwickelt, wobei sie auch weiterhin Schmuckzeichnungen erstellt.

Lucy Kägi nutzt vorwiegend Programme wie Procreate, Adobe Illustrator und Aftereffects für ihre pixelbasierte Arbeit. Obwohl sie in der Vergangenheit analog gearbeitet hat, ist dies aufgrund der fehlenden Zeit heute seltener der Fall. Darum schätzt sie besonders die Handarbeit und analoge Arbeit als Goldschmiedin, die ein willkommener Ausgleich zur digitalen Illustration ist. Die Aufträge steuern momentan ihre Richtung. Obwohl sie nicht abgeneigt ist mit Cinema 4d und anderen 3D Programmen zu arbeiten, fehlt die Zeit, um nochmals richtig in die Welt der 3D Visualisierung einzutauchen und sich die Skills anzueignen. Sie führt einen Wochenplan, der sich flexibel den Anforderungen der Aufträge anpasst. Eine Herausforderung der Selbstständigkeit ist zum Beispiel die Notwendigkeit, an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten zu können, Organisationstalent zu besitzen, flexibel zu sein und Geduld zu haben.

 

«Ja, wenn man gerade in die Selbstständigkeit startet, muss man halt schon ein wenig eine Durststrecke aushalten. Also ich habe jetzt sicher auch zwei Jahre gehabt, wo ich weniger als in einer Anstellung verdient habe. Erst seit diesem Jahr habe ich einen normalen Lohn. (…) Aber interessant ist, dass mir extrem viele sagen, dass sie auch etwa zwei Jahre brauchten. «

 

Lucy Kägis künstlerischer Weg ist geprägt von der gelungenen Symbiose zwischen der Präzision der Goldschmiedekunst und kreativen Freiheit einer Illustratorin. Ihre Erfahrungen spiegeln die Herausforderungen und Belohnungen wider, die mit der Selbstständigkeit in der Kunstwelt einhergehen. Die Arbeit von Lucy Kägi zeigt, wie verschiedene Welten sich bereichern können und eine individuelle Reise in der Kunst immer wieder neue und aufregende Wege einschlagen kann.

*Das Zitat wurde von Schweizerdeutsch auf Hochdeutsch übersetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lucy Kägi an ihrem Arbeitsplatz im Strapazin Atelier in Zürich.

www.lucykaegi.ch

Instagram: @lucykaegi_illustration

Geschichtenerzähler durch Wort und Bild: Wie versteht Torben Kuhlmann Illustration und Autorenschaft

“Ich bin tatsächlich geneigt, mich nicht primär als Illustrator und Autor zu bezeichnen, sondern eher als Geschichtenerzähler. Die Medien Wort und Bild sind die Mittel, die ich dafür nutze.”.

Vom Studium an der HAW bis zum Erfolg als Geschichtenerzähler und Illustrator.

Die Reise von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW zu einem etablierten Geschichtenerzähler und Illustrator war für Torben Kuhlmann eine faszinierende Entwicklung. Das Studium „Illustration und Kommunikationsdesign“ an der HAW Hamburg, das viele verschiedene kreative Bereiche beinhaltet, legte den Grundstein seiner Karriere.

Die Entscheidung für die HAW und damit auch für Hamburg fiel aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten innerhalb des Bereichs Illustration – von Fiction bis Non-Fiction. Die Nähe zur Elbe und der Nordsee begünstigte die Entscheidung für die Hansestadt sicherlich ebenfalls. Der gute Ruf der HAW im Bereich Illustration, sichtbar durch Buchmessen und international präsente Studierende, verfestigte die Wahl zusätzlich.

Ursprünglich tendierte er mehr zu Non-Fiction und weniger zu Bilderbüchern. Historische Zeichnungen und Geschichten faszinierten ihn, doch die Wege an der HAW standen für beide Optionen offen und er konnte praktische Erfahrung in beiden Bereichen sammeln. Obwohl Torben Kuhlmanns Schwerpunkt im Bereich Illustration lag, wagte er sich während des Studiums auch in die Bereiche des „Kommunikationsdesigns“ vor, hier vor allem in den Bereich Film. Dies waren keine Pflichtkurse, allerdings ergab sich hier die Möglichkeit, Storytelling und Zeichnung auf ganz andere Weise zu kombinieren. Filmwissen und Storyboard öffneten ihm nach dem Studium schliesslich auch die Tür zu einer Position in der Werbeagentur Jung von Matt, wo er seine Fähigkeiten als Storyboard-Künstler weiter ausbauen und Erfahrungen sammeln konnte.

Schon früh in seiner Studienzeit begann er mit berufsorientierten Aufträgen, darunter die Zusammenarbeit mit dem „Stern“. Diese praxisorientierten Projekte mit knappen Timings und unter realen Berufsbedingungen zu bearbeiten, verhalfen ihm zu ersten Veröffentlichungen. Ein erster Schritt in die Berufswelt der Illustration war damit erfolgt. Diese Projekte dienten nicht nur als wichtige Erfahrung, sondern bereicherten auch das stetig wachsende Portfolio.

Interesse an Mechanik und Geschichte: Eine Kombination für die Zukunft

Torben Kuhlmanns Interesse an Technik liess sich ebenfalls in das Illustrations-Studium integrieren. Wenn es mit der Zulassung an der HAW Hamburg nicht geklappt hätte, wäre für ihn vielleicht ein klassischer, eher technischer Beruf ebenfalls eine Option gewesen. Wie er verrät, hat es aber zum Glück auf Anhieb mit dem Illustrationsstudium geklappt. Technik und Geschichte wurde zu einem zentralen Thema in seinen Büchern, insbesondere in den „Mäuseabenteuern“, so wie in seinen informativen Illustrationen. Durch die Verbindung von Technikgeschichte und historischen Kulissen entstand sein erstes Bilderbuch, das auch seine Abschlussarbeit an der HAW Hamburg darstellte. „Lindbergh“ – heute eine seiner bekanntesten Arbeiten – spielt im frühen 20. Jahrhunderts und erzählt eine alternative Luftfahrtgeschichte in der Mäusewelt. Allerdings hat auch der reale menschliche Flugpionier Charles Lindbergh in der Geschichte einen Gastauftritt, wodurch die Geschichte zu ihrem Namen kam.

Der Weg durch die Werbeagentur: Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Seine Zeit in der Werbeagentur Jung von Matt, wo er nach dem aktiven Studium mehrere Jahre als angestellter Illustrator arbeitete, verdeutlichte Torben Kuhlmann die Bedeutung des Sprichworts: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Obwohl das Studium ihn handwerklich gut auf das Berufsleben vorbereitet hatte, musste er sich erst an das straffe Arbeitspensum innerhalb einer Werbeagentur einarbeiten. Das selbstbestimmte und recht unverfängliche Bearbeiten an eigenen Illustrationsprojekten im Studium wich einem engen Korsett aus Briefings, Zwischenbesprechungen und knappen Abgabefristen – mit vielen Korrekturschleifen. Wie er heute sagt: Im Studium lernte er das Handwerk, in der Agentur das Arbeiten gegen die Uhr. Selbst die Zusammenarbeit mit Zeitschriften wie dem „Stern“ oder der „National Geographic“ hatten dagegen einen fast betulichen Rhythmus. Die Arbeit an Storyboards und Werbelayouts lehrte ihn, sich zu strukturieren, seinen Arbeitsrhythmus richtig einzuschätzen und im Endeffekt Timings immer einzuhalten.

Mit der Festanstellung folgte er seinem „Masterplan“, der nach dem Studium im Idealfall eine Festanstellung im kreativen Bereich vorsah, um dort Erfahrungen zu sammeln, Kunden zu finden und schliesslich den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Sein Portfolio, welches nicht nur Illustration und Infografik, sondern auch Film- und Designarbeiten beinhaltet, erwies sich als Türöffner. 

Eigene Projekte und die Kunst der Sommerpause

Er erzählt, dass er für freie Malerei oder projektunabhängige Arbeiten oft zu wenig Zeit findet. Insbesondere jetzt liegen umfangreiche Buchprojekte und Auftragsarbeiten auf dem Schreibtisch, darunter Umschlagillustrationen und Vignetten für ein Jugendbuch von Frida Nilsson, für welche er sich immer ein wenig Zeit freihält. Gefragt nach seinen Lieblingsillustrationen nennt Torben Kuhlmann ebenfalls ein paar bisherige Zusammenarbeiten mit Frida Nilsson. Die Titelbilder zu „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ und „Siri und die Eismeerpiraten“. Auch schätzt er seine schon recht alten Illustrationen „Rezitation bei Regenwetter“ nach einem Gedicht von Erich Kästner. Ein Anzeichen dafür, dass er für eine Arbeit stolz empfindet, ist, dass er dann gerne einen Druck oder sogar ein Original an die Wand hängt.

„Lindbergh“ feiert diesen Sommer sein 10-jähriges Jubiläum, für das ein paar spezielle Illustrationen anstehen, so wie auch ein zeitlich knapp geplantes weiteres Mäuseabenteuer. Torben Kuhlmann erzählt, dass er noch nie so viele Arbeiten gleichzeitig auf seinem Tisch liegen hatte, weshalb er sich ab diesem Sommer eine Pause nehmen möchte, um so für die freien Arbeiten Zeit zu haben. Dafür hat er schon eine Weile Leinwände sowie Ölfarben bereitstehen.

Ratschlag für angehende Illustrator*innen

Sein Ratschlag an angehende Illustratorinnen und Illustratoren ist klar: Glaubt an euren eigenen Stil und habt Mut ihn voranzutreiben. Auf Trends aufzuspringen ist nicht zwingend notwendig; Vertrauen in die eigene Bildsprache und Intuition sind entscheidend. Trotzdem sollte man flexibel genug sein, verschiedene Bereiche zu erkunden und sich nicht nur krampfhaft dem Portfolio zu widmen. Der eigene Stil sollte erkennbar bleiben, während man verschiedene Bereiche erschliesst. Eine Balance zwischen dem, was Spass macht und dem, was machbar ist, sei entscheidend, um nicht überfordert zu werden. Der Mut, an den eigenen Stil zu glauben, ist auch eine wirksame Abwehr gegen die Herausforderungen der im wahrsten Sinne des Wortes generischen KI.

In der Vielfalt und Kreativität von gutem Storytelling in Filmen und Büchern findet Torben Kuhlmann Inspiration für seine Arbeit, ebenso bei ausgiebigen Museumsbesuchen. Zu seinen Vorbildern in der Kunst gehören Caspar David Friedrich, Claude Monet und Edouard Manet. In Sachen Lichtstimmungen verehrt er William Turner oder den amerikanischen Realisten John Singer Sargent.

Die persönliche Freiheit, sich mit verschiedenen Themen zu beschäftigen, hilft ihm dabei, neue Ideen zu generieren. Auch das bewusste Abschalten durch andere Betätigungen, wie beispielsweise das Erkunden der Industriegebiete Hamburgs mit vielen Kränen und brutalistischen Gebäuden, trägt dazu bei, neue Perspektiven zu gewinnen und Ideen zu entwickeln. So ist die Inspiration für das neueste Buch „Die graue Stadt“ entstanden.

Die Zukunft birgt für ihn weiterhin viele Projekte, darunter die Fortsetzung der Mäuseabenteuer, neue Buchprojekte und die Pflege von langjährigen Beziehungen zu Verlagen und Kunden. Trotz der Unsicherheiten im kreativen Bereich und dem Aufkommen von KI ist er zuversichtlich, dass die Einzigartigkeit des individuellen Stils unersetzlich bleibt.

Sein Ratschlag für angehende Künstlerinnen und Künstler ist also klar: Behaltet euren eigenen Stil bei, glaubt an euch selbst und seid mutig, neue Wege zu gehen. Der Weg mag unvorhersehbar sein, aber die Liebe zur eigenen Arbeit und die Freude am Geschichtenerzählen sind die treibenden Kräfte, die auch in der Zukunft erfolgreich machen werden.

Webseite: https://www.torben-kuhlmann.com/

 

Quellen:

Abb. 1: Selbstportrait – Torben Kuhlmann

Abb. 2: Illustration aus Lindbergh: Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus

Interview mit Stephan Liechti

  1. Dezember 2023

Als ich das Atelier betrete sind Stephan Liechti und seine Atelierkollegen gerade in der Kaffeepause. Stephan teilt schon seit 2017 ein Atelier mit dem Grafikbüro Neeser, Müller, Görner.

Das Gespräch beginnt, indem er mir ein wenig von seinem Studium erzählt. Er zeichnete schon immer sehr gerne und viel und war deswegen bereits mit 16 Jahren an der Schule für Gestaltung in Basel. Zu dieser Zeit war es noch so: Wer gezeichnet hat, hat Grafik gemacht. Aus diesem Grund schloss er auch 1988 die Grafikfachklasse in Basel ab. «Es war noch eine ganz andere Zeit», sagte er. «Wir hatten gerade die ersten Computer. Die Schule war rückwärtsgewandt. Es waren eigentlich die Techniken der 70er Jahre, die ich gelernt habe, vom Handwerk und all dem.»

Obwohl er während der Fachklasse viel zeichnete, bemerkte er auch seine Begeisterung für Typografie und arbeitete danach erstmal als Grafiker. Seine erste Anstellung bekam er bei der Administration der Schule für Gestaltung Zürich. Später arbeitete er teils selbstständig, teils als Angestellter in der Schweiz und in Südspanien als Grafiker. Seit etwa 20 Jahren arbeitet er nur noch als Illustrator. Das grafische Wissen und die Erfahrung als Grafiker seien für ihn beim Zeichnen sehr nützlich; die Vermittlung von Information als Hauptaufgabe zu sehen und in Strukturen zu denken.

Eine erste Anstellung zu finden war für ihn nicht sehr schwer. Zu seiner Zeit gab es noch viel mehr Gestalter und noch viel mehr Berufe, in welchen Kreativität gefordert war. Er fügt aber noch hinzu, dass es wichtig sei von Anderen zu lernen, nicht nur wie man gestaltet, sondern auch wie man geschäftet. Das habe er nicht gehabt, dadurch dass er sich schnell selbstständig gemacht hat.

Seine Zeichnungen beginnt er analog mit Bleistift, dann nimmt er sie auf den Computer. Dort kann er sie ausschneiden und die Proportionen anpassen. Oft druckt er die Zeichnung hellblau aus, um eine Vorlage zu haben, auf der er weiterzeichnen kann. «Wenn man auf dem Tablet zeichnet, verliert man sich schnell in den Details», das habe er gemerkt als er einmal ein Theaterpublikum zeichnen musste. Abschliessend koloriert er die Zeichnung auf Photoshop.

 

Er findet es spannend, wie anders die digitalen Prozesse sind. Es sei eine Weile gegangen, bis er ein Tablet hatte: «Ich habe gemerkt, dass ich beim Putzen der Zeichnung mit der Maus, mehr Zeit mit Putzen als mit Zeichnen verbraucht habe.»

Er erzählt mir, dass er einige schöne Aufträge hatte aber, dass es bei Aufträgen immer sehr stark auf die Form der Zusammenarbeit ankommt. Ihm sei es wichtig, dass der Prozess zusammen gemacht wird. Er könne dann als Gestalter visuelle Ideen einbringen und mit den Kunden zusammen daran weiterbasteln, bis es stimmt. Das sei für ihn auch das Spannende an der Arbeit.

Bei einem Auftrag besteht die Gefahr, dass der Kunde Ideen hat, die nicht visuell sind. Dann würde es ihm schwer fallen daraus etwas Interessantes zu erfinden. «Deswegen», sagt er. «kann es gut sein, dass Jobs die toll herauskommen könnten, schlecht herauskommen. Und langweilige Jobs, dann trotzdem toll enden, weil sich etwas entwickelt hat»

Stephan ist auf der Webseite des Vereins «Illustratoren Schweiz» vertreten, wo ich ihn auch entdeckt habe. Dazu hat er eine Website, die viele seiner Arbeiten präsentiert. Die meisten Aufträge bekommt er dadurch oder über Leute, die seine Arbeiten kennen. Instagram habe er mal ausprobiert, aber das sei nicht so seine Welt. Instagram sei viel Zeitaufwand und er denkt nicht, dass es direkt etwas zurückgibt. «Ich denke es ist fast wichtiger an die richtigen Feste zu gehen und über die richtigen Witze zu lachen.»

Mich interessiert der Auftrag für das Bau- und Verkehrsdepartement Kanton Basel-Stadt. Bei den Dialogtagen 2023 diskutierten viele verschiedene Menschen über die städtebauliche Zukunft des Kantons. Stephan hatte den Auftrag die Podiumsdiskussionen vor Ort zeichnerisch zu protokollieren. Dabei wurde sein Zeichnen direkt für alle sichtbar auf eine Wand projiziert.

Am Anfang war es für ihn unangenehm: «Hier im Atelier wenn etwas schief geht, zeigt man es nicht und kann es nochmal neu versuchen. Ich bin mir sehr kindlich vorgekommen, so Telefonkritzeleien zu machen. Aber jetzt habe ich ein bisschen mehr Selbstvertrauen.» Er fände es aber sinnvoll, weil so der ganze Ablauf der Diskussion in Erinnerung bleibt.

Er zeigt mir eine andere Arbeit, bei der es um Architektur ging: «Mich beschäftigt die Frage, für was das Zeichnen heutzutage noch sinnvoll ist. In der Architektur erfüllt sie einen Zweck, weil die Zeichnung in sich die Mitteilung hat, dass es eine Idee ist, die sich am Entwickeln ist. Bei einem realistischen Rendering beginnt sofort eine Diskussion um Details, während eine Zeichnung klarer definieren kann, worin die grundsätzliche Idee besteht.»

Ich möchte mich sehr herzlich bei Stephan Liechti bedanken für den Einblick in sein Atelier, seine Arbeitsweise und Erfahrungen. Ich empfehle jedem einen Besuch auf seine sehr sorgfältig und schön gestaltete Webseite, welche eine grosse Bandbreite an Illustrationen zeigt.

https://www.s-liechti.ch

Die Zitate wurden vom Schweizerdeutschen übersetzt.

Vermittlung im Stapferhaus – Ein Interview mit Celia Bachmann

„Ich habe eine Stelle im Haus, bei der ich alle kenne – es ist wirklich eine Schlüsselstelle, an der viele Fäden zusammenkommen.“

Celia Bachmann kennt alle im Stapferhaus, ein Ausstellungsraum, der relevante, aktuelle Fragen anspricht. Dazu bietet der Raum Platz für Referate, Workshops und vieles mehr.

Celia arbeitet dort als Leiterin des Vermittlungsteams. Ihr Job ist es, didaktische Materialien zu Ausstellungen auszuarbeiten, die Rundgänge durch die Ausstellungen zu konzipieren und das Vermittlungsteam zu coachen. Dazu braucht sie Kontakt zu allen Stellen des Stapferhauses – sie arbeitet sowohl mit dem Inhaltsteam, dem Betrieb und der Kommunikation. Sogar mit dem Bistro und Kasse hat sie Kontakt: da diese Stellen nah am Publikum sind, können sie ihr gutes Feedback geben.

 

Die Arbeit in Zyklen

Sie ist seit 4 Jahren in ihrer aktuellen Stelle im Stapferhaus, und trotzdem ist jeder Arbeitsalltag unterschiedlich.

„Ich glaube, was mir an meinem Job gefällt, ist, dass er so vielfältig ist. Keine Woche ist die gleiche.

Sie beschreibt ihren Arbeitsalltag als einen Zyklus bestehend aus mehreren Phasen. Im Moment läuft die aktuelle Ausstellung zu Natur, und somit verbringt sie viel Zeit damit, das Vermittlungsteam zu coachen. Das Vermittlungsteam sind bis zu 7 Praktikant:innen, die in der Ausstellung sind und Führungen machen. Celia ist es wichtig, sie eng zu begleiten, damit sie von ihrem Praktikum viel lernen.

Parallel dazu läuft schon die Vorbereitung für die nächste Ausstellung. Das Thema der Ausstellung, die im November 2024 eröffnet, steht: Es wird sich um Gesundheit handeln. Das Inhaltsteam ist schon an der Umsetzung, und dort muss sie mitdenken. In dem Zusammenhang macht sie eigene Recherchen: sie schaut im Lehrplan, wo sich das Thema verankert, nimmt mit Lehrpersonen Kontakt auf, um zu verstehen, was für sie am Thema spannend ist, und schaut nach, was für Angebote es zum Thema schon gibt. Sie macht sich Gedanken darum, was das Thema für verschiedene Interessensgruppen bedeutet: Was versteht zum Beispiel ein Kind unter Gesundheit? Was Erwachsene? Diese Erkenntnisse bringt sie dann direkt in das Inhaltsteam mit ein.  Die Vermittlung ist ab Start der Ausstellungskonzeption dabei.

In der nächsten Phase, kurz vor der Eröffnung der Ausstellung, wird der Raum drei Monate lang umgebaut. Während der Umbauphase ist kein Vermittlungsteam vor Ort, was Celia enorm entlastet und ihr Zeit lässt, didaktische Konzepte zu schreiben und die Rundgänge zu planen. Gleichzeitig schreibt sie die Stellen für das nächste Vermittlungsteam aus.

„Wenn die Ausstellung aufgeht, ist es für mich das stressigste Moment, da ich dann merke, ob was ich auf dem Papier gedacht habe auch funktioniert.“

Nach der Vernissage wird als erstes geschaut, wie das Publikum mit der Ausstellung interagiert – mit dem neuen Vermittlungsteam werden möglicherweise die Rundgänge angepasst. Erst wenn die Ausstellung eröffnet ist, werden die didaktischen Materialien sowie die Workshops richtig ausgearbeitet – die Konzepte dazu gibt es schon, aber damit beides so nah wie möglich an der aktuellen Ausstellung ist, werden sie erst nach der Eröffnung der Ausstellung ausgearbeitet.

Wenn diese stressigste Phase vorbei ist und die Ausstellung sich eingependelt hat, coacht sie das Vermittlungsteam und recherchiert zum nächsten Thema: Der Zyklus startet erneut.

 

Keine Zeit fürs Zeichnen

Hat sie mit dem Ganzen überhaupt noch Zeit für eigene gestalterische Arbeiten? Leider nicht, meint Celia, ausser bei kleinen persönlichen Projekten kommt sie momentan fast nicht zum Zeichnen. Das fehlt ihr schon, aber es ist gleichzeitig eine bewusste Energieeinteilung. Sie macht nach der Arbeit lieber Sport oder Musik, wenn sie nicht gerade mit ihren Kindern ist.

„Ich weiss ja, es kommen Zeiten, wo es wieder mehr möglich wird, von dem her ist es auch nicht mega schlimm. Man muss auch akzeptieren, dass man nicht alles machen kann. Man muss akzeptieren, dass man vielleicht in einer Lebensphase ist, wo das einen weniger hohen Stellenwert bekommt.

Im Studium hat sie aber nicht nur Zeichnen gelernt, betont sie. Ein Ausstellungsaufbau ist auch kreative Arbeit.

„Ich glaube, dass, was man beim kreativen Arbeiten lernt, ist im Denken beweglich zu bleiben. Über Grenzen zu denken. Ich glaube das Gestalten, das Zeichnen, das etwas auf das Papier bringen, und das kreative Denken hilft auch bei einem Ausstellungsaufbau: Wie gehe ich eine Ausstellung an, wie soll sie aussehen? Da hilft mir das kreative Denken, das man durch das Zeichnen und Gestalten lernt. Das kann ich im Team einbringen, auch wenn es kein Zeichnen auf Papier ist.“

 

Von Kleinpensen nach Paris und zurück nach Zürich

So ausgewogen, wie Celias Arbeitsalltag heute scheint, war er aber nicht immer. Als sie 2010 ihren Master in Art Education an der ZHDK absolvierte, hat sie viele verschiedene Stellen gehabt: Sie hat an verschiedenen Kantis Vertretungen gemacht und ein Praktikum am Stapferhaus bekommen, das ihr danach ermöglichte, kleine Aufträge vom Stapferhaus zu bekommen. Ein bisschen später hat sie angefangen, Zeichnen an der ZHDK zu unterrichten und unterstützte zusätzlich Peter Radelfinger in der Publikation von seinem Buch So Wohl als Ob.

„Parallel dazu habe ich Akryl-Malkurse gegeben. Das ist lustigerweise mein einziges festes Standbein gewesen. Immer am Dienstagabend bei uns in der Gemeinde, wo ich aufgewachsen bin, in Oberhasli. Das ist meine einzige konstante Einnahmequelle gewesen, und sonst hat sich alles immer bewegt.“

Die Phase beschreibt Celia als besonders anstrengend. Viele verschiedene Stellen nebenbei zu haben bedingt ein ständiges Umdenken, erklärt sie, und auch wenn sie auf Papier mehr oder weniger 100% arbeitete, war die psychische Belastung viel höher. Trotzdem meint sie, nie gezweifelt zu haben, dass sie Einkommensquellen findet.

„Ich habe immer nicht gewusst, wie es weiter geht, aber trotzdem das Vertrauen gehabt, dass es irgendwie schon weiter geht, wenn man offen und neugierig bleibt.“

Mit dieser Einstellung ist sie mit ihrem Partner nach Paris. Am Anfang war es für sie schwer, Fuss zu fassen, da das Schweizer System im Ausland kaum bekannt ist. In Paris konnte sich niemand etwas unter dem Stapferhaus oder der ZHDK vorstellen. Somit machte sie erst Führungen für Touristen, bis sie eine Stelle an der renommierten Hochschule Sciences Po als Zeichenlehrerin bekam. Diese Universität im Lebenslauf stehen zu haben öffnete ihr viele Türen, und sie fing an, in der Vermittlung im Palais de Tokyo zu arbeiten. Dies hat ihr enorm viel Spass gemacht hat, und hat ihr zusätzlich ermöglicht, französisch zu lernen.

Die Entscheidung, nach drei Jahren zurück nach Zürich zu ziehen, trafen ihr Partner und sie, als sie ihr erstes Kind bekamen. Die Schweiz hat viele Vorteile für Kinder und Familie, meint sie. Das sie direkt eine Stelle am Stapferhaus bekam, war Zufall.

Sie meint, dass viele Leute denken, 80% zu arbeiten und Kinder zu haben sei viel, aber für sie fühlt es sich jetzt endlich «aufgeräumt» an. Im Vergleich zu allem, was sie zuvor machte, hat sie jetzt eine Balance gefunden, die sich für sie nach vier Jahren immer noch neu anfühlt.

Interview mit Lucille Solomon

An einem kalten Mittwochnachmittag Anfangs Januar, wartete ich am Bahnhof in Olten auf Lucille Solomon. Gespannt las ich meine Fragen nochmals durch, dann kam mir Lucille bereits entgegen. Ich hatte vor ein paar Jahren ein Interview mit ihr für meine Maturaarbeit geführt und freute mich, sie wieder zu sehen.

Wir gingen in den Starbucks, holten uns ein Getränk und begannen dann mit dem Interview.

Lucille beendete ihr Studium an der ZHdK 2013 und arbeitet seitdem als wissenschaftliche Illustratorin mit dem Fokus auf medizinische Visualisierungen. Sie empfindet ihre Anstellung als stark spezialisiert, da sie einen wiederkehrenden Bereich von Kunden aus der Neurochirurgie und der Orthopädie hat. Diese Spezialisierung ergab sich mit der Zeit, da sich ihre Arbeit in den Kreisen der Kunden herumgesprochen hatte und ist für Lucille von grosser Wichtigkeit.

„Bei jedem Auftrag erweitert sich mein Wissen über den jeweiligen spezifischen Bereich, was für den nächsten Auftrag sehr hilfreich ist. Einerseits für den Kunden, anderseits auch für mich selbst.“

Da ich mich sehr für die medizinische Illustration interessiere, war es für mich sehr spannend Einblicke in ihren Berufsalltag zu bekommen. Lucille arbeitet nicht hauptsächlich selbstständig. Seit 8 Jahren ist sie in einem 20% Pensum bei einem plastischen Chirurgen angestellt, wo sie unteranderem die Operationsplanung und -simulation von Implantate visualisiert. Zudem arbeitet sie noch als Grafikerin. Die Kombination von Teilzeitanstellung und Selbstständigkeit bedeutet für sie mehr Sicherheit und eine freiere Auswahl bei Aufträgen.

Wir haben uns ausserdem über die Herausforderungen unterhalten, welche einem als wissenschaftlicher Illustrator begegnen können. Ich fragte bei Lucille nach, was für sie die grössten Herausforderungen waren. Für sie stellten hauptsächlich die Verhandlungen mit den Kunden oder auch Zeit- und Kosteneinschätzungen eine Herausforderung dar. Das Einhalten von Deadlines ist dabei weniger ein Problem, da die Aufträge meistens über eine längere Zeitspanne dauern und nicht von heute auf morgen fertiggestellt werden müssen. Direkt nach dem Studium stellte sich ihr die Schwierigkeit herauszufinden, wie viel Zeit ein Auftrag beansprucht.

 „Damit meine ich auch Zeiten, welche man sich selbst setzt, … nicht, dass man am Ende plötzlich 3x so lange für einen Auftrag braucht, wie man berechnet hat. Das sind aber alles Sachen, welche man mit der Zeit lernt.“

Gerade in der aktuellen Post-Corona Zeit, hört man immer noch häufig, wie die Pandemie gewissen Berufsbranchen geschadet hat und dass sich manche immer noch nicht davon erholt haben. Ich habe mich gefragt, ob die Auswirkungen der Pandemie auch für Lucille spürbar waren. Ihre Antwort darauf war positiv.

Veränderungen habe sie keine gespürt, im Gegenteil sogar. Sie sieht die Nachfrage nach wissenschaftlichen Illustrationen als stetig wachsend an. Was ihr jedoch Bedenken gibt, ist die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und wie diese die Zukunft verändern wird.

„…was die Bildgeneration anbelangt, so ist es für alles medizinische/wissenschaftliche noch nicht gut genug, unvollständig und nicht korrekt, was für uns gut ist. Es bleibt aber ein Fragezeichen, was sein wird, wenn die Darstellung mal korrekt sein wird…“

Ganz optimistisch blickt sie der Zukunft von KI nicht entgegen, da sie nicht aufhaltbar ist. Es gibt aber digitale Anwendungen und Softwares, welche für sie von grosser Wichtigkeit sind. Lucille arbeitet häufig in Kombination mit Photoshop und 3D Programmen wie Cinema 4d, Blender oder ZBrush. Wie ihr Arbeitsprozess hier aussieht, hat sie mir näher erklärt.

„Ich verwende es sehr gerne bei organischen Strukturen, welche ich in Cinema, Blender oder ZBrush modelliere und beleuchte und dann als Grundlage weiterverwende. Ich weiss nicht, ob du das einte Bild gesehen hast wo ein Hirnstamm abgebildet ist mit einem Tumor und einer Hand. Das ist ein gutes Beispiel, wo der Stamm in ZBrush modelliert wurde. {} Diese Arbeitsweise ist für mich auch zeiteffizienter, als wenn ich alles versuchen würde zu illustrieren.“

Lucille erzählte mir weitere Details über den Entstehungsprozess der einzelnen Elemente der Visualisierung, was mich sehr faszinierte. Das Werk, auf welches sie sich bezog, gehört nämlich zu meinen Lieblingswerken von ihr und es war äusserst spannend zu erfahren, wie der Entstehungsprozess abläuft.

Langsam neigte sich das Interview dem Ende zu und ich hatte noch zwei ungestellte Fragen. Da Lucille bereits viel Erfahrung sammeln konnte, wollte ich sie unbedingt nach ihrer Meinung fragen, wovon Studierende von Knowledge Visualization während dem Studium am meisten profitieren können.

Lucille betrachtet das Erlernen neuer Softwares als eine der wichtigsten Möglichkeit während dem Studium. Im Berufsalltag fehle es einem oft an Zeit nebst den Aufträgen noch eine neue Software zu erlernen und damit zu experimentieren. Für sie war es besonders hilfreich, dass sie Cinema 4d im Studium erlernt hatte. Aber auch andere Z-Module wie die Darstellung und eigene Präsentation auf der Webseite war für sie sehr hilfreich.

Als Abschluss fragte ich Lucille wie ihr Traumprojekt aussehen würde.

„Das wäre wahrscheinlich eine Art Anatomieatlas. Ein gedrucktes Buch, welches ich hauptsächlich illustrieren dürfte.“

Ihr Traum, einen Anatomieatlas zu illustrieren, finde ich sehr spannend und ich hätte bei dieser Frage vermutlich gleich geantwortet.

Nach dem Ende des Interviews blieben wir noch kurz im Starbucks, tranken unser Getränk und sprachen über weitere Aspekte der medizinischen Illustration, wie auch meinen bisherigen Erfahrungen im Studium. Für mich war es sehr schön, Lucille wiederzusehen und mich mit ihr austauschen zu können. Leider neigte sich dann langsam die Zeit dem Ende zu und wir begaben uns auf den Heimweg.

An dieser Stelle bedanke ich mich vielmals bei Lucille Solomon für die Durchführung des Interviews, ihre Offenheit und den Einblicken in ihre Arbeit. Ich habe viel neues gelernt, was ich während dem Studium und auch später im Berufsalltag mit auf meinen Weg nehmen werde.

Webseite: https://www.medizinische-illustration.ch

Instagram: https://www.instagram.com/lucille.solomon/?hl=de

Quellen:

Abb. 1: Portfolio Neurochirurgie  (https://www.medizinische-illustration.ch/neurosurgery

Abb. 2: Illustration des Hirnstamms   (https://www.instagram.com/p/CaaICeWMEGr/?hl=de)

 

Interview mit Livia Enderli

«Man muss sich immer wieder neu erfinden. Du musst dich anpassen. Du musst schauen, was kann ich mit meinen Skills noch machen – was unterscheidet mich von anderen.»

Livia Enderli hat viel Erfahrung im traditionellen Berufsbild einer wissenschaftlichen Illustratorin gesammelt. Einerseits durch Praktika im Tierspital, in der Medizintechnik und in der Schönheitschirurgie, aber auch durch ihre langjährige Tätigkeit beim Archäologischen Amt Thurgau, wo sie unter anderem für die Datenbankverwaltung verantwortlich war.

Zu jener Zeit befand sich alles im Wandel – Fotos aus Analog-Sammlungen wurden erstmals digitalisiert, es gab neue 3D-Daten, für deren Archivierung es noch keinen festgelegten Industriestandard gab. Dennoch ist es schwierig in einer so grossen Institution wie einem staatlichen Betrieb, schnell zu reagieren, da jeder Entscheid erst durch mehrere Instanzen abgesegnet werden musste.

Klassische Objektzeichnungen von Funden, die Teilnahme an Ausgrabungen und Profilzeichnungen im Feld gehörten zu ihrem Alltag. Digitales Arbeiten mit Programmen wie CAD, GSI oder Photogrammetrie erlernte sie durch die Routine schnell.

Das Interesse am 3D-Bereich der Visualisierung ist des Weiteren etwas, mit dem sie bereits bei ihrem Bachelorprojekt erste Erfahrungen gemacht hat. Mit ihrer Arbeit «The Boy of Teshik-Tash» hat sie es sich zum Ziel gesetzt, das falsche Bild des Neandertalers als gedankenlosen Affen zu verbessern. Durch die Kooperation mit Museen und dem Scan eines Schädels erstellte sie eine 3D-Visualisierung eines Neandertaler-Jungen, die ihn als intelligentes Wesen zeigt und uns auf Augenhöhe begegnet.

Trotz dieser Erfahrung war der Einstieg in die Berufswelt nicht immer einfach. Praktika und Empfehlungen dienten schlussendlich als Türöffner in die Festanstellung. Sie arbeitete während fünf Jahren an der Seite von Archäolog*innen, Wissenschaftler*innen und vielen anderen, die in dieser Branche beschäftigt waren.

Und obwohl sie ihre Stelle in der Archäologie inhaltlich extrem interessant fand, merkte sie, dass es Zeit für eine Neuerung war.

«Nach drei Jahren im Amt habe ich gemerkt, ich muss etwas ändern. Inhaltlich war es extrem interessant und ich habe so viel Potenzial gesehen, um spannende Arbeiten zu machen, aber ich wollte schneller Veränderungen spüren.»

Das führte zu ihrem Entschluss, noch den Master in Knowledge Visualization an der ZHdK abzuschliessen. Mit ihrer Arbeit «Versunkene Landschaft» steuerte sie erstmals in die Richtung von Service-Design. Auf die Frage, ob sie es wieder in der gleichen Reihenfolge tun würde, antwortete sie mit einem klaren Ja, da ihr die Arbeitserfahrung die erforderliche Selbständigkeit für das Masterprojekt sehr erleichtert hat.

Ein treibender Faktor für ihren Karriere-Umschwung war die Neuorientierung und die Motivation, in eine andere Rolle zu schlüpfen, die sie durch den Master erfahren hat.

«Ich wollte selbst Inhalte liefern und nicht nur ausführend sein.»

Mit dem Wechsel vom kantonalen Amt zu einer internationalen Firma beschreitet sie jetzt diesen neuen Pfad. Den Weg zu dieser Anstellung im Design-Research- und Service-Design-Branch in der Firma «Accenture Song» öffnete sich ihr durch ihr Masterprojekt. Da sie sich bereits davor mit Themen der Digitalisierung und Datenverwaltung beschäftigt hat, konnte sie die erforderliche Erfahrung in diesem Bereich aufweisen.

Accenture ist grundsätzlich ein Tech-Consulting-Unternehmen, das aber weitläufige Kompetenzen aufzuweisen hat und über grosse, eigene Designabteilungen verfügt.

«Und Accenture macht alles. Es ist die drittgrösste Firma der Welt, wenn man die staatlichen Firmen nicht mitzählt.»

Livia kommt nun ins Spiel, wenn sich Firmen digital umstrukturieren. An der Seite von Strategy-Consultants spricht sie mit den Kund*innen, findet heraus, was man verbessern muss, um deren Arbeitsalltag effizienter zu machen – und welche digitalen Produkte dafür notwendig sind. Danach gehört es ebenfalls zu ihrer Aufgabe, Vorschläge zu liefern, wie man die jeweiligen Produkte aufbauen könnte und nach Möglichkeiten das Designen und Fertigstellen. Ihr Alltag ist also grösstenteils von Kundenworkshops, Interviews und Creative-Sessions mit anderen Designer*innen geprägt. Konzeptvisualisierungen und das Illustrieren von Forschungsstudien sind an diesem Punkt die einzigen Schnittpunkte mit dem klassischen Berufsbild.

Die grösste Herausforderung, in der sie zugleich eine Chance sieht, ist die starke Interdisziplinarität ihrer aktuellen Arbeit, bei der man zum Teil mit schwierig zu vereinbarenden Arbeitskulturen in Kontakt kommt. Dazu kommt, dass die sofort spürbaren Schwankungen des Wirtschaftsmarktes von einem stärkeren Risiko zeugen als ihre vorherige Tätigkeit.

Das Zitat vom Anfang kommt erneut ins Spiel, als ich sie nach künstlicher Intelligenz frage. Sie gibt mir auf den Weg, dass die Persönlichkeit einen wertvoll macht und erklärt, dass sie trotz der massiven Veränderungen für den Berufsstand den Entwicklungen sehr positiv gegenübersteht und vielversprechende Chancen sieht. KI wird bei ihrem Job täglich verwendet, beschleunigt Arbeitsprozesse und ist eine gute Grundlage, um die eigene Kreativität anzustossen. Wie bei den Programmen, die sie zuvor für die Schule oder digitale Vermessungen neu erlernt hat, ist es wichtig, auf dem neusten Stand zu bleiben.

Für die Zukunft strebt Livia an, mehr Leadership-Erfahrungen sammeln zu können und beispielsweise zu Project-Lead aufzusteigen. Auch das Thema Zukunftsforschung interessiert sie sehr.

 


Herzlichen Dank an Livia für die Möglichkeit, ein so spannendes Gespräch führen zu können!

 

Interview mit Jeanne Peter

„Jetzt bin ich wieder normale Zeichnerin und bin total happy.“

Als ich Jeanne Peter per Mail für ein mögliches Interview kontaktierte, kam eine Stunde später schon eine Antwort. Mit einer so schnellen Reaktion habe ich überhaupt nicht gerechnet, dies hat mich überrascht und gefreut.

Am Mittwoch, dem 29.11.2023 werde ich beim Tierspital Zürich von Jeanne herzlich in Empfang genommen. Sie führt mich an dem Büro der IT vorbei zu ihrem Arbeitsplatz, welchen sie aktuell mit einer Grafikerin teilt.

Ihr Arbeitsplatz ist mit den unterschiedlichsten und spannendsten Dingen belegt, kleinere Arbeiten, Prototypen aus dem 3D-Drucker, Schleichfiguren, Tierschädel, zwei Bildschirme und einem 3D-Drucker. Es ist ein Atelierplatz wie ich ihn mir von einer wissenschaftlichen Zeichnerin vorstelle. Unter ihrem Arbeitstisch kommt ihr Hund Philip kurz hervor, begrüsst mich und legt sich wieder in sein Körbchen.

 

In einem Nebenzimmer haben wir etwas mehr Ruhe und sie erzählt mir von ihrem Werdegang als wissenschaftliche Illustratorin, wie sie zum Tierspital kam und was für Arbeiten im Alltag auf sie warten.

Jeanne arbeitet nun seit mehr als 35 Jahren am Tierspital als wissenschaftliche Illustratorin. Dass sie diese Stelle bekam, war ein reiner Zufall und schätzt sie bis heute sehr. Damals wurde für ein Buch eine Illustratorin gesucht und an die ZHdK eine Anfrage für eine 50%-Stelle am Tierspital, gesendet. Jeanne hatte zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon einen Auftrag gehabt, der aufgrund ihrer Abschlussarbeit zustande kam. Doch der Auftraggeber sprang kurzfristig ab und Jeanne war die Einzige, die nach dem Studium keinen Auftrag in Sicht hatte.

Das Angebot dieser 50%-Stelle klang sehr verlockend, doch auch sehr einschüchternd. Die damals 22-jährige Jeanne traute sich trotzdem zu bewerben und setzte sich schlussendlich gegen ihre älteren, berufserfahrenen Mitstreiter*innen durch. Um den Lebensunterhalt finanzieren zu können nahm sie neben der 50%-Stelle am Tierspital zusätzlich externe Aufträge an, gab Zeichnungskurse und war als Dozentin an der ZHdK tätig.

Sie arbeitete zuerst als Zeichnerin in der Anatomie-Abteilung und wechselte dann mit einem 80%-Pensum in die Grafikabteilung, wo sie dann auch die Leitung übernahm.

Seit kürzerem hat sie die Leitungsfunktion wieder abgegeben. „Jetzt bin ich wieder normale Zeichnerin und bin total happy“, erzählt sie mir. So bleibt ihr jetzt wieder mehr Zeit für andere Dinge. Gerne würde sie wieder ein Zeichnungskurs für Kinder und Erwachsene anbieten, wie sie dies schon einmal tat.

Auf die Frage, ob es ihr nach 35 Jahren am Tierspital vielleicht nicht langweilig werde, verneint sie. „Die Medizin lebt ja davon, dass sie immer wieder Grenzen schiebt und neue Methoden entwickelt, die heute aktuell erscheinen und in paar Jahren, durch neue Erkenntnisse schon wieder veraltet sind“.

Als wissenschaftliche Illustratorin zieht man immer mit dem Erkenntnisgewinn der Forschung mit. Dadurch wird die Arbeit für Jeanne nie eintönig oder uninteressant.

Die Vielfalt an Tierarten, die Zusammenarbeit mit den Tierärzten und die unterschiedlichen Themengebiete, die erforscht werden können, ermöglichen es immer wieder etwas Neues zu lernen. Das Einzige, was es manchmal schwierig macht, ist der Austausch mit Kollegen, der einem fehlt. Den müsse man sich nach dem Studium selbst organisieren, erzählt sie mir.

„Unser Job ist es einzuladen und hinzuschauen … dies kann durch Schärfe, Unschärfe, durch warm, kalt, weglassen, konzertieren … gesteuert und für den Betrachter ansprechbar und interessant gemacht werden. Die wissenschaftliche Illustration kann viel weitergetrieben werden als eine Fotografie.“

Dass eine Veterinäre Fakultät eine eigene Grafikabteilung und fixe Stellen hat, ist sehr ungewöhnlich. Trotzdem ist es manchmal schwierig, sich in diesem Beruf, gerade am Tierspital, Sichtbarkeit zu verschaffen. Um diese muss immer noch gekämpft werden, erklärt mir Jeanne.

Da kam mir gleich die Situation in den Sinn, als ich in meinem Team am Tierspital Zürich nachfragte, wo das Büro von Jeanne Peter sei. Obwohl die Notfall-Abteilung, in der ich als TPA arbeite, nur ein Gebäude entfernt liegt, wusste niemand wo das Grafikbüro ist, geschweige denn wer Jeanne Peter sei. Und da zeigt sich schon, dass selbst intern um Sichtbarkeit gekämpft werden muss.

Es war eine spannende und eindrückliche Begegnung, ein offenes, lebendiges Gespräch. Auch das Tierspital aus einem anderen Blickwinkel erleben zu dürfen hat mich beeindruckt. Ich erhoffe mir, dass dieser Beruf, ob im Tierspital oder auch anderswo, mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit erhält.

Danke Jeanne, dass ich einen Einblick in deine Welt erhalten durfte!

Einblick in die facettenreiche Welt der Visualisierung: Ein Interview mit Ida Künzle

Ida Künzle, frischgebackene Absolventin des Masterstudiengangs Knowledge Visualisation an der ZHdK, hat bereits den Sprung in die Arbeitswelt geschafft. Ihre Reise führte sie von Thun nach Zürich, wo sie nun als Visual Designerin beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF tätig ist. In einem faszinierenden Interview gewährt sie Einblicke in ihre vielseitige Karriere, erzählt von inspirierenden Projekten und teilt einige Gedanken über die Kunst des visuellen Erzählens.

Lieblingsprojekte und Spezialisierung

Ida betont die Vielseitigkeit ihres Schaffens und erklärt, dass die Wahl des Mediums von Projekt zu Projekt variiert. Sie schwankt zwischen traditionellen Medien wie Bleistift und Papier und modernen Tools wie dem iPad. Idas Lieblingsprojekte spiegeln ihre Vielseitigkeit wider. Die Auswahl fiel ihr schwer, denn ihre Projekte erstrecken sich von persönlichen künstlerischen Werken bis zu Visualisierungen im Bereich der Wissensvermittlung.

Ein herausragendes Projekt ist Idas Masterarbeit «Visible Vision», bei der sie sich erstmals mit 3D-Visualisierung auseinandersetzte. In einer Animation mit 3D-Modellen erklärt sie für ein breites Publikum den Wirkungs-mechanismus einer Therapie gegen eine spezifische Art von genetischer Erblindung. Diese intensive Erfahrung war für Ida inspirierend und führte zu einem beeindruckenden Lernprozess.

Ein anderes bemerkenswertes Beispiel ist eine dreiteilige Serie grossformatiger illustrativer Bleistiftzeichnungen aus dem Bachelorstudium, welche das Thema Zuhause untersuchen. Das Spiel mit Perspektiven und die Freiheit der Zeichnung haben diese Arbeit für Ida besonders speziell gemacht. Eines der drei Bilder hängt jetzt stolz an Idas Wohnzimmerwand.
Später fällt Ida noch ein weiteres, sehr emotionales Projekt ein, das während des ersten Lockdowns in der Schweiz während der Covid-19-Pandemie entstanden ist. Dabei handelt es sich um eine gezeichnete Reportage, für die sie mit Menschen in verschiedenen Umgebungen wie Einkaufsläden, Spitälern oder auch in einer Notschlafstelle gesprochen hat. So gewann sie eindrucksvolle Einblicke in das Leben von Menschen in verschiedenen Situationen. «Durch das Zeichnen, sowohl in diesem Projekt als auch im Allgemeinen, habe ich viele einzigartige Erfahrungen gemacht. Es ermöglichte mir, mit Personen zu sprechen, die ich sonst nie getroffen hätte, und Dinge zu hören, die mir sonst entgangen wären. Es ist nicht nur eine Beschäftigung zum Geldverdienen, sondern bereichert mein Leben und verändert meine Sichtweise darauf»

Diese 3 Arbeiten («Visible Vision», «Zuhause» und «Lockdown») und viele weitere sind auf ihrer Webseite www.idaillustration.ch zu finden.

Online-Präsenz

Die meisten Designer: Innen haben heutzutage eine Webseite für ihr Portfolio, einschließlich Ida. Wenn ihre Projekte veröffentlicht werden, ermöglicht ihre Webseite potenziellen Kund: Innen Einblicke in ihre anderen Arbeiten. Sie betrachtet ihre Webseite aber nicht unmittelbar als ein Werkzeug zur Selbstvermarktung. Die Mehrheit ihrer Aufträge stammt aus persönlichen Empfehlungen, ihrer Ausbildung oder ihrem eigenen Netzwerk.In den sozialen Medien präsentiert sie ihre Arbeiten bewusst nicht. Insbesondere auf Instagram verzichtet sie auf Beiträge, da sie darin keinen Mehrwert sieht. Zudem stellt sie sich die Frage des Copyrights. «Was will ich mit Social Media erreichen, was ist das Ziel? […] Ich finde, die Arbeit verliert ihren Wert, wenn man einfach immer alles postet. Ausserdem gefällt mir nicht, die Kontrolle darüber zu verlieren, wer meine Bilder kopiert oder weiterverwendet.»

Masterstudium an der ZHdK

Ida entschied sich für das Masterstudium mit dem klaren Ziel, später in der Animationsbranche zu arbeiten. Ihr Interesse an medizinischer Illustration und Animation führte zu einem Forschungs-Projekt, welches ihre Fähigkeiten weiterentwickelte und sie gut auf den Übergang in die Arbeitswelt vorbereitete. «Früher dachte ich, dass ein Masterabschluss für meinen beruflichen Erfolg nicht unbedingt erforderlich ist und es hauptsächlich auf ein beeindruckendes Portfolio ankommt – was grundsätzlich auch richtig ist. Das Master-Studium hat mir jedoch nicht nur ein gutes Projekt für mein Portfolio gegeben, sondern auch weitere technische Fähigkeiten vermittelt. Letztlich qualifiziert mich der Masterabschluss zusätzlich und kann bei Bewerbungen positiv hervorstechen. Wenngleich der Master keine zwingende Voraussetzung ist, hat er mich meinem Ziel näher gebracht»

Alltag und Projekte beim SRF

Im Verlauf ihres Masterstudiums stieß Ida auf die Ausschreibung von SRF und erkannte, dass diese Position perfekt ihren Interessen entsprach. Dank ihrer Erfahrungen aus früheren Anstellungen, darunter auch eine Tätigkeit als Grafikerin und Werbetechnikerin im Ausstellungsmanagement der Universität Zürich, sowie ihrem Studium erfüllte sie die erforderlichen Qualifikationen.

Ida ist derzeit in einer Vollzeitposition mit einem Pensum von 100% bei SRF angestellt. Das „Visual Design“ Team, dem sie angehört, besteht aus 25 Mitgliedern. Innerhalb des Teams herrscht eine positive Feedback-Kultur. Die Hintergründe der Teammitglieder sind vielfältig. Entscheidend ist vor allem das Verständnis für visuelle Erklärungen sowie das Interesse an Illustration und Grafik. Die Beherrschung technischer Fertigkeiten ist ebenso von Bedeutung, da der Umgang mit verschiedenen Programmen erforderlich ist. Ida hat die Aufgaben bei SRF in drei Hauptbereiche unterteilt:

  • «News»: Aufgaben für Nachrichtensendungen wie «10vor10» oder «Tagesschau», die meistens nicht länger als zwei Stunden dauern. Die Aufgaben umfassen u.a. die Erstellung von Diagrammen, Karten oder kurzen Erklärvideos.
  • «Content»: zweiwöchigen Projekten für Magazine wie «Puls» oder «Einstein», längere 2D- oder 3D-Animationen. Beispielsweise wurde kürzlich ein Video von ihr zum Thema Veneers auf Puls veröffentlicht (https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/veneers-bleaching- und-co—-der-hohe-preis-perfekter zaehne urn=urn:srf:video:a22e6fd5-54c4-47a3-bf15-48773a10ad21), oder eine 2D-Animation zum Thema Meditation. (https://www.srf.ch/play/tv/puls/video/meditation— lebenshilfe-oder geldmacherei?urn=urn:srf:video:88cda97c-7455-4ec4 b666-17885710f1f4)
  • «Corporate»: längere Projekte für Erscheinungsbilder oder Intros von neuen Sendungen, wie «Neumatt», «Tschugger» oder «Kids-School».

Da SRF ein klares und konstantes Erscheinungsbild will, gibt es viele Stilvorgaben und Regeln. Die kreative Arbeit besteht in den Content-Projekten laut Ida mehr im Storytelling. «Was mir bei SRF gefällt, ist dass ich das umsetzen kann, was mich am Design am meisten interessiert – nämlich wie man einen Inhalt komprimieren und für eine spezifische Zielgruppe möglichst verständlich visuell aufbereiten kann. Ob ich dies mit einem Icon, einer Illustration oder einem 3D-Modell erreiche, erfordert logisches Denken und die Fähigkeit, Inhalte schnell zu erfassen und zusammenzufassen.»

Gerichtszeichnen als Herzensarbeit

Ida übt nicht nur ihren Beruf bei SRF aus, sondern widmet sich gelegentlich auch dem Gerichtszeichnen. Ihre Werke finden oft ihren Weg in Zeitungen wie dem „Tages-Anzeiger“. Die Leidenschaft für das Gerichtszeichnen entfaltete sich während eines Zeichenmoduls ihres Bachelor-Studiums. Das, was sie daran fasziniert, entspricht genau dem, was sie auch sonst am Zeichnen so interessant findet – die Beobachtung von Menschen und das Einfangen von Charakteren. «Als ich erstmals die Gelegenheit hatte, für eine Zeitung im Gerichtssaal zu zeichnen, ging für mich ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Die Spannung im Gerichtssaal, das Aufeinandertreffen verschiedener Welten und die faszinierenden Charaktere, die ich dort beobachte, schaffen eine einzigartige Szenerie. Das Zeichnen im Gerichtssaal empfinde ich als ein Privileg, denn die Leserinnen und Leser bekommen die Verhandlung ausschliesslich durch meine Perspektive zu sehen»

Ida präsentiert anhand mehrerer Beispiele ihre Gerichtszeichnungen und die damit verbundenen Geschichten. Besonders emotional und herausfordernd war der „Höhlenmord am Bruggerberg“, bei dem der Angeklagte den Gerichtssaal bereits nach 10 Minuten verliess. Glücklicherweise hatte Ida zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner Zeichnung begonnen und hatte ihn in groben Zügen erfasst. In einem anderen Fall waren gleich 16 Angeklagte im Gerichtssaal, was sie anfangs völlig überforderte. Zu Beginn wusste sie nicht, wo sie ansetzen sollte, aber schlussendlich hat sie die Herausforderung erfolgreich gemeistert.

Zum Abschluss gibt Ida Ratschläge für angehende Gerichtszeichner:innen. Sie hebt hervor, dass Übung, sorgfältige Beobachtung und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen entscheidend sind. Insbesondere bei Live-Zeichnungen, im Gegensatz zu Arbeiten nach Fotos, ist die Fähigkeit zur Priorisierung von großer Bedeutung.

 


Ich möchte mich herzlich bei Ida bedanken für das inspirierende Gespräch und die spannende Tour bei SRF. Ihre Einblicke und die Möglichkeit, den Arbeitsprozess hautnah zu erleben, waren äußerst bereichernd.