Die Sage vom alten Hirten Xeudi und seinem Freund Reimann

Die Sage vom alten Hirten Xeudi und seinem Freund Reimann, Hans-Jakob Siber, CH 1973, 16mm, bw/color, sound, 62 Min. (50 Min.)

[La Légende du vieux Berger Firmin et de son ami Poget]

xeudi_ausschnitt

Link zum vollständigen Film im Medienarchiv der Künste, ZHdK:
http://medienarchiv.zhdk.ch/media_entries/43671

Versions

Credits

Production
Cast

Hirten: von Bergen, Alexander; Reiman, Hans; Spekulant: Kehrli, Ernst; Trinkgenossen: Alpenice, Hanni; Leuthold, Dorli; Leuthold, Albert; Homberger, Alex; von Bergen, Albert; Käserin: Roth, Anne; Erdgeister: Karch, Gabriella; Mayer, Sonja;

Camera
Music

The Mandrake Memorial

Other

Synopsis

[Im Stile einer Rockoper erzählt Hans-Jakob Siber in seinem letzten und einzigen langen Film die Sage vom Hirten Xeudi, der seinen Hof verkauft und fortan keine Ruhe mehr findet. Unterlegt mit psychedelischer Musik der Pop-Gruppe THE MANDRAKE MEMORIAL und rein visuell erzählt ist Siber’s Xeudi ein hypnotischer Trip ins Innere des alten Hirten und die Bergwelt in der er lebt.]

Distribution

Screenings

First screening:

31.1.1974, Solothurner Filmtage

Other screenings

Int. Forum des Jungen Films, Berlin, 1974
Ausstellung “Visionäre Schweiz” Zürich, Madrid, Düsseldorf 1991/1992 (Material: Siber_Xeudi_VisionaereSchweiz_Material_ArchivSiber)

Awards

Materials

“Und noch ein dritter Film, der im Zentrum der Vermutungen und Ahnungen dieses Kapitels steht, entstand im gleichen Jahr 1974: Hans-Jakob Sibers Die Sage vom alten Hirten Xeudi und seinem Freund Reimann, ein Film, der weder von der Theorie her, noch systematisch formuliert, ein verhältnismässig naiver Film, der allerdings ebenfalls das Produkt einer speziellen komplexen Lebens- und Bildungsgeschichte ist.
Hans-Jakob (Köbi) Siber, der sich in den Anfängen des Neuaufbruchs des Schweizer Films mit stark vom “informellen” Kino des amerikanischen Untergrund beeinflussten Experimentalfilmen, aber auch mit umwerfend ehrlichen Porträts uns Selbstporträts bemerkbar gemacht hatte, zog sich von der Filmerei zurück und versenkte sich immer tiefer in seine Leidenschaft, die zum Beruf wurde, das Sammeln und Bestimmen von Mineralien und Versteinerungen. Als niemand mehr von Siber wusste, legter er den stündigen Bergler- und Heimatfilm – nennen wir ihn einmal so – vor. Wie die Spielhandlung in den Film gekommen ist, der eine einzige Beschwörung der Natur in Tausenden von Bildern ist, weiss Siber nicht mehr zu sagen, aber diese Spielhandlung formuliert den Gehalt der Bilder und der Töne des “Mandrake Memorial”, die den Bildern unterlegt ist, auf überraschend kohärente Weise. Das Rohmaterial setzt sich zusammen aus dieser leicht pathetischen “Sphären”rockmusik, aus 16mm und 8mm-Filmmaterial und aus ungefähr zweitausend Dias. “Darüber” (oder daraus heraus) eine einfache, eine naive Geschichte: Der alte Senn Xeudi verkauft einem Stadtmenschen sein “Heimet” und mehr als das: seine Seele. Denn einmal im Besitz von Geld, nach dem Sündenfall also, vergisst er die Arbeit, beginnt zu trinken. Schliesslich erschiesst er auf der Jagd seinen Freund, den Kräuter-Reimann. Dessen Bild verfolgt ihn, nachdem er die Leiche beseitigt hat; er läuft weg, er verkommt und stirbt. Doch Erdgeister setzen ihn als Geist wieder in der Heimat ein, sozusagen als Schutzpatron der bedrohten Natur. Der Film ist, wie gesagt, vielschichtiger als die hier linear wiedergegebene Story. Mit raffiniert montierten, verfremdeten Naturaufnahmen suggeriert Siber eine Art mystisches Naturgefühl. Die Berge und Felsen, die Sonne, die darüber streicht, die Wolken, die schneller und langsamer aus der Tiefe oder in die Tiefe fahren, Wiesen, Wälder, Blumen, Moose, Bäche werden da quasi zum Klingen gebracht. Man spürt, dass da versucht wird, in einer Art Trip verlorenes Naturgefühl wieder einzuholen, und die Melancholie über den Verlust fehlt nicht. In Xeudis Traum vom Käsen zum Beispiel (Super-8-Aufnahmen in Zeitlupe) macht sie sich ganz eindeutig bemerkbar.

Wir sind nur scheinbar weit entfernt von den ethnografischen Filmen, die zu Beginn dieses Kapitels erwähnt worden sind. Die Beschwörung des Urtümlichen und die letzte mögliche Aufzeichnung des Traditionellen – Paul Hugger hat von “Notfilmungen” gesprochen – sind bloss zwei Ausdrücke der gleichen Vorstellung. Der Vorstellung nämlich, dass einmal etwas falsch gelaufen sei, und dass wir vielleicht, wenigstens in Gedanken, einmal hinter jenen Punkt, den “Sündenfall”, zurück müssten, um zu sehen, wie es weiter gehen könnte.” Martin Schaub, Die eigenen Angelegenheiten, S. 38f.
Kopie des Textes und der Eintrag im Index im hinteren Teil des Buches:

 

La Legende du vieux Berger Xeudi et son ami Reiman

de Hans-Jakob Siber (50’)

“Ancien leader du cinéma „underground“ zurichois (Filmforum), Hans-Jakob Siber a poursuivi seul une démarche cinemathographique marquée par une trés grande cohérence esthétique et philosophique, s’exprimant en un langage lyrique qui n’a que faire des modes  et des tendances typées du cinéma suisse et d’ailleurs. Avec cette „Legende“ il fait une sorte de film-opéra qui met en communion un paysage alpestre dans ses mutations naturelles puis artificielles avec une musique pop (The Mandrake Memorial) en une expression du rythmes visuels qu n’exclut pas un récit qui n’a pas besoin du commentaire poutr être soutenu. Sa saisie de la réalité, en un montage court, se fait au niveau d’une émotion authentique très personelle qui réduit au niveau d’un exercice un film comme C’etait un dimache en automne. Et le cinéaste, à l’instar de certain musiciens, révèle une éthique artistique qui a dépassé le stade des bavardages sérieux et stériles. Le cinéma est pour lui une forme d’émotion intense vécue dans la création, plutôt qu’un dérivé de journalisme visuel et il est dommage que sa voie demeure solitaire, d’autant plus qu’il va bien plus loin que tout un cinéma sous-terrain mal libéré. La Legende du vieux Berger Xeudi et son ami Reiman, en dépit de quelques longeurs, es donc un film exemplaire.“

(Marc Grandval, Soleure, vers une maturité, Travelling, No 40, Janvier-Fevrier 1974, Lausanne S. 36)

 

Siber_Xeudi_ForumBerlinBlatt
Materialien zu Xeudi in Französischer Sprache (Archiv Siber): Siber_Xeudi_MaterialFranz_ArchivSiber
Programmblatt des Forum International du Jeune Cinema, 1974:

Xeudi als “Ereignis” der Solothurner Filmtage 1974: Festivalkritik von Wolfram Knorr in den Basler Nachrichten vom 6. Februar 1974:

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