Eines Abends will Lorenz Brunner, Architekturstudent an der ETH Zürich und gerne unterwegs, zu einer Veranstaltung im Musikklub Mehrspur. Er war noch nie da, nimmt die falsche Eingangstür – und verläuft sich im Haus. Hier schildert er seine Eindrücke.
«Das Toniareal ist grossartig. Das ist mein Fazit, obwohl ich mich bereits vor dem Betreten des Gebäudes im Gebäude verirrt habe.
Ausgestiegen bin ich an der Tramhaltestelle Toni-Areal und habe nach einer 360-Grad-Umdrehung den Bau entdeckt und die Treppen hinauf ins Eingangsgeschoss genommen. Der Eingang, einer von mehreren, die über alle Seiten des Baus verteilt sind, ist äusserst grosszügig gestaltet. So auch die Eingangshalle. Den gesuchten Raum zu finden, ist hier eine Herausforderung, merke ich, aber die räumliche Komplexität begeistert mich und so lasse ich mich erst einmal treiben von den Gängen und Treppen. Hie und da ein Fenster, eine Türe, ein Fluchttreppenhaus. Dann wieder ein Lichthof, Nichtraucherzone.
Dabei fallen mir die Beschriftungen auf – sie gefallen mir. Zuerst habe ich den Eindruck, dass die Schrift abzublättern scheint, dann merke ich, dass die Schrift mutwillig in der dritten Dimension als Polygon verzogen worden ist. Das beflügelt – und es geht weiter im Labyrinth. Der Umbau forderte einen hohen Planungsaufwand, um den Normen und Gesetzen, den Zeit- und Budgetanforderungen gerecht zu werden. Das glaube ich zu spüren, finde es aber gar nicht weiter schlimm. Der Gang fühlt sich mehr wie eine Strasse an, und das ist es auch, was mich so fasziniert. So erstaunt es auch nicht, wenn auf ein Mal kleine Tags und Graffitis auftauchen. Fehlt nur noch «true love». Das wird noch folgen, und dieses Mal nicht an der äusseren Fassade, sondern im Innern – so stelle ich es mir jedenfalls vor.
Im Lift will mir eine Computerstimme helfen. Leider finde ich das Ziel immer noch nicht. Also bewege ich mich weiter, zunächst auf der horizontalen Ebene, um ein Treppenhaus später doch noch auf das gesuchte Niveau 2 und den Eingang zum Musikklub Mehrspur zu treffen. Von aussen, merke ich, ist er problemlos zu finden. Auf dem Weg dorthin gehen von der inneren Strasse immer wieder visuelle oder akustische Reize von Musikzimmern, Studios oder Kantinen ab. Nur die vielen Kameras, die diesen neuen Raum überwachen, verwundern mich.
In diesen fünfzehn Minuten habe ich nur einen ganz kleinen Teil des Kosmos streifen können und bin überrascht und erstaunt über die räumliche Komplexität und die Vielfalt und Dichte, die collagiert wirkt. Was nicht passte, wurde passend gemacht – die Fugen gedehnt. Der Zustand kann noch weitergedacht werden, dem Anspruch des Vollendeten muss es nicht gerecht werden. Eine gute und inspirierende Ausgangslage.»