Seit wenigen Wochen gibt es die Version 0 der ToniApp, über die Magnus Rembold, der Entwickler der App, im ersten Teil des Interviews sprach. Um die App zu realisieren, hat er ich intensiv mit den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer am Campus auseinandergesetzt. Der zweite Teil des Gesprächs mit dem «Stimmungsexperten».
Du hast durch die Entwicklung der App sehr viel von der Stimmungslage am Toni aufgenommen …
Ja, ich bin sicherlich mit mehr Menschen in Berührung gekommen als der durchschnittliche ZHdK`ler, auch vorher schon durch meine Arbeit in der Mitwirkung. Aber ob diese Kontakte repräsentativ sind? Hier gehen ja jetzt täglich Tausende ein- und aus. Ich kann nicht abschätzen, wie repräsentantiv meine Eindrücke sind.
Ganz unrepräsentativ: Wie würdest Du die Stimmungslage beschreiben?
Geteilt. Es gibt viele Mitarbeitende, die das neue Gebäude ablehnen, weil es einen «Verbotscharakter» ausstrahlt, und viele Sachen aus der verkorksten Bauphase noch nicht funktionieren: Türen, Zugang, Lüftung, Storen, Werkstatt. Einige Mängelbehebungen sind hängig, anderes verbessert sich – die Leute vom Facility Management hängen sich voll rein. Für Unzufriedenheit sorgen auch die Räumlichkeiten und der teilweise Verlust des persönlichen Arbeitsplatzes. Diese starke Entpersonalisierung und Flexibilisierung wird jetzt mit dem Toni verknüpft, und das stösst einigen bitter auf. Auf der anderen Seite finden sehr viele das neue Haus toll: Alle unter einem Dach macht schon Spass.
Kommst Du selbst gern ans Toni?
Ich habe eine Ecke im Departement erwischt, wo nur nette Kolleginnen und Kollegen sitzen. Alle freuen sich, begrüssen einander. Das Gebäude ist zwar ein Auswuchs an Bürokratie und Monströsität – und wir kämpfen mit vielen Fehlplanungen. Aber der Hauptwunsch, die Menschen zu vereinen und eine Synergie freizulegen, klappt für mich total! Man trifft sich auf den Fluren und in der Halle und schwätzt kurz. Man sieht Leute, die man zuvor nie gesehen hat, weil sie früher in anderen Teilen der Stadt waren. Auch die Dachterrasse ist bombastisch. Ich gucke auf die Alpen, den Prime Tower – für diesen Ausblick müssen andere Leute viel Geld bezahlen.
Wie würdest Du die gegenwärtige Situation am Campus beschreiben?
Wir sind angekommen, haben uns installiert. Und nun wird sich ein neues Regelwerk für die Interaktionen etablieren. So haben die Studierenden grössere Ateliers mit viel mehr Leuten drin, die Grossraumbüros sorgen für eine neue Situation. Die Luft, die Offenheit, die Transparenz – solche Themen sind neu. Was früher im Sinne eines silent agreement funktionierte, funktioniert jetzt nicht mehr. Man müsste nun interne Debatten darüber führen, wie sich die Einzelnen mit dem Spielregeln fühlen, die sich durch die neuen Raumsituationen einschleichen. Das braucht Zeit.
Hast Du ein konkretes Beispiel?
Für das DDE war die neue Situation gegeben, dass es nicht mehr so viele Schreibtische wie Personen gab. Das Ergebnis waren Schreibtische, die als flexible Arbeitsplätze dienen sollten. Das ist eine tolle Idee, doch wurden die Tische mit Papier- und Bücherstapeln in Besitz genommen und angeeignet. Jene Angestellten mit kleinen Arbeitspensen müssen nun woanders hingehen, arrangieren sich anders oder bleiben fern – obwohl die für sie vorgesehenen Arbeitsplätze im seltensten Fall besetzt sind. Darüber gelte es zu debattieren. Es wäre interessant herauszufinden, wie die schweigende Mehrheit damit umgeht. Es muss sich halt auch erst eine Politik entwickeln, und wir treten vermutlich gerade in eine erste Reflexionsphase ein.
Und auf Studierendenseite?
Manchmal wird in den Ateliers Partys gemacht. Ein Studierender hat mir kürzlich gesagt, er müsse morgens erst einmal zwei, drei Bierdosen von seinem Arbeitsplatz entfernen. Hier gilt dasselbe: Es gilt als Gruppe Regeln zu finden, auf die man sich dann berufen kann. Zum Beispiel: Party ist okay, aber am nächsten Tag muss alles sauber sein.