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Viele vergebliche Bilder gemacht. Wie meistens ist das versehentlich aufgenommene nicht das schlechteste.

Beim Wandern durch die Ausstellungen mit Abschlussarbeiten* denke ich anlässlich meines eigenen Verhaltens als Ausstellungsbesucherin darüber nach, ob wohl alle Leute vor den meisten Präsentationen nur sekundenlang verharren, kurz die dicke gedruckte Erklärung zur Hand nehmen, eine beliebige Seite aufschlagen, das Buch angesichts von viel Text wieder zuklappen und weitergehen. Ich versuche bei Twitter als Abschlussarbeit eine Studie anzuregen, in der man empirisch das Verhalten der Besucher der Abschlussarbeits-Ausstellungen erfasst: Wie viele Sekunden Verweildauer am Stand? Werden Exponate oder gedruckte Erklärungen in die Hand genommen, wenn ja, welche und wie lange? Und so weiter. Im Rahmen einer solchen Arbeit wäre der Diebstahl von Exponaten als grosser Erfolg zu werten.

In der schließlich doch noch gefundenen Ausstellung der Visuellen Kommunikation befrage ich Jalscha Römer dazu, die gerade Aufsicht hat. Leider führen alle Absolventen nur zwei Stunden lang Aufsicht, so dass ich weder heute noch nächste Woche jemanden ausfragen kann, der viel Zeit hatte, das Gästeverhalten zu beobachten. Zum Trost erklärt Jalscha mir einige Projekte, und dabei stellt sich heraus, dass ich in meinem eigenen, unbetreuten Rundgang fast jedes davon komplett falsch interpretiert habe. Eventuell ist es ohne persönliche Betreuung aussichtslos? Die Videoplätze mit den Kopfhörern helfen, sagt Jalscha, sie seien die zweitbeste Lösung gleich nach der persönlichen Erklärung.

Aber die Projekte werden ja auch nicht im Hinblick auf ihre gute Ausstellbarkeit gewählt. Auch die Note sei egal, sagt Jalscha, man nehme das Projekt einfach mit zum Vorstellungsgespräch und erkläre es dort. Wer an die Zukunft denkt, optimiert vermutlich am besten den Titel, den nur den sehen die Leute ja später im Lebenslauf: „How to Avoid ‚Roasted Husband‘“ wird sich dort ein Leben lang gut machen, „Talsperren der Schweiz“ oder „Norm braucht Vielfalt“ nicht so sehr. (Obwohl zumindest das Talsperrenprojekt ebenfalls großartig ist, wenn ich nicht wieder alles falsch verstanden habe. Das zweite wahrscheinlich auch, ich habe es nur noch nicht gesehen.)

Ich hege in letzter Zeit öfter den Verdacht, dass man eigentlich alles nur persönlich erklären kann, und zwar insbesondere dann, wenn die Personen, die etwas verstehen sollen, noch gar keine konkrete Frage haben. Selbst bei konkreten Fragen funktioniert die individuelle Antwort unangenehm viel besser. Mit dieser These spiele ich aus zwei Gründen: Zum einen sind das die Klagen der IT- und Verwaltungsmitarbeitenden der ZHdK über die Unwilligkeit ihrer Klientel, sich zum Beispiel bei technischen Problemen auf der ZHdK-Website zu informieren, anstatt sich an zufällig Anwesende zu wenden, die dann falsche Auskünfte gäben. Zum anderen die Angewohnheit praktisch aller Autorinnen und Autoren des Techniktagebuch-Blogs, niemals die vorhandene Anleitung zu lesen, sondern immer erst mal im Chat zu fragen. Nachlesen im Internet wäre dann nur ein Hilfsmittel für Situationen, in denen es vor Ort gerade niemanden zum Fragen gibt.

Aber vielleicht stimmt das auch alles gar nicht. Vielleicht sind die Anleitungen des Techniktagebuchs und der ZHdK nur zu schlecht formuliert und zu gut versteckt. Vielleicht wäre es möglich, die überwiegend ziemlich großartigen Abschlussprojekte so zu präsentieren, dass man ihre Großartigkeit auch ohne Erklärperson versteht. Jemand müsste mal eine Abschlussarbeit darüber schreiben.

 

* Formulierung absichtlich vage gehalten, denn ich kann mir nur schwer von einer Minute bis zur nächsten merken, ob ich gerade im Departement für Industrielle Interaktionsvisualisierung oder Game-Typografie die Bachelor-, die Master- oder die Diplomarbeiten betrachte.