Bally – Das Geschäft mit dem Schuh

eine Kooperation des BA Art Education ZHdK mit dem Museum für Gestaltung Zürich

Das Museum für Gestaltung erzählte mit der Ausstellung „Bally – Das Geschäft mit dem Schuh“ ein bedeutendes Kapitel schweizerischer Wirtschafts- und Designgeschichte. Mehrere hundert Objekte veranschaulichten Gestaltung, Herstellung und Vermarktung des industriell gefertigten Massenprodukts.

Die Studierenden entwickelten ihre Vermittlungsformate aus der gestalterischen Praxis heraus und praktizierten ausserhalb des Ausstellungsraums im öffentlichen und halböffentlichen Raum.

Die sechs Vermittlungsprojekte – „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, „Gangart“, „Schuhwerk“, „@schuhreport“, „Schuhkasten/Schaukasten“ und „#zürischueh“– fokussierten ganz auf die Gegenwart und den vielfältigen Umgang mit dem Alltagsding Schuh: Romea Enzler und Hannah Spillmann sprachen mit Schuhverkäufer*innen und druckten die markantesten Zitate auf Tragtaschen; Regan Raveendran liess mit Styropor-Schuhen Passant*innen spüren, wie sehr Gang und Körperhaltung von unserer Fussbekleidung beeinflusst werden; Pierina Bernetta dachte mit Zürcher*innen über Produktion und Konsum nach und fertigte dabei einen bunten Schuhteppich; Flavia Häberling und Lia Köppel durften in private Schuhschränke schauen und bekamen persönliche Geschichten zu hören; Michelle Hänggi forderte Museumsbesucher*innen auf, ihre Schuhe temporär gegen Finken zu tauschen, und machte die getragenen Schuhe zu Ausstellungsobjekten; Giovanna Katharina Hasler schliesslich beobachtete und reflektierte Zürichs Schuhgewohnheiten.

Anna-Brigitte Schlittler und Eva Wandeler, Dozentinnen

@schuhreport
Ein Projekt von Flavia Häberling & Lia Köppel

Schuhreport erzählt persönliche Schuhgeschichten und macht diese sichtbar. Der Schuh-Besitz wird im Rahmen des Kooperationsprojektes mit dem Museum für Gestaltung zur Ausstellung „Bally – Das Geschäft mit dem Schuh“, untersucht, dokumentiert und offengelegt. Entdecke, was mit dem Schuh nach dem Kauf geschieht, wo er aufbewahrt wird und welche Geschichten er erzählt. Mehr Schuhgeschichten und intime Einblicke können weiterhin auf Instagram @schuhreport gelesen und gehört werden.

Privatsphäre im Schuhregal

„Ich möchte meine Schuhe gerne nach Farben sortieren!“, keine leichte Aufgabe bei über 50 Paar. Mehrmals werden sie von Dorothea M. hin und her geschoben. Nachdem alle im Flur platziert worden waren, stellte sie sich hinter die acht Schuhreihen und wir drückten auf den Auslöser der Kamera. „Euer Projekt bietet mir die Möglichkeit alle meine Schuhe fotografisch festzuhalten, und vielleicht kann ich mich danach endlich von einigen trennen.“

Wir wagten, einen Blick in die Privatsphäre von möglichst unterschiedlichen Personen zu werfen und ihnen auf persönlicher Ebene zu begegnen. Wir suchten nach Menschen aus verschiedenen Altersstufen, verschiedenen Berufsgruppen und mit unterschiedlichen Wohnorten. Durch das gemeinsame Anschauen, Sortieren und Auslegen der Schuhe entwickelten wir interessante Gespräche mit den einzelnen Personen. Die Social Media-Plattform Instagram bot uns die Möglichkeit die intimen Einblicke in die Schuhregale unserer Teilnehmer*innen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Mehr Personen als erwartet meldeten sich auf unsere Ausschreibungen des Projekts oder erklärten sich nach persönlicher Anfrage von uns dazu bereit mitzumachen. Die anfängliche Befürchtung, dass einzelne nicht ihr gesamtes Schuhregal für uns und die Öffentlichkeit ausräumen möchten, löste sich in Luft auf. Und dies obwohl der Schutz der Privatsphäre, ein sehr aktuelles Thema ist und sich viele damit auseinandersetzen. Denn niemandem ist wirklich klar, was genau mit den Daten geschieht, die wir in das Internet hochladen. Aus welchem Grund waren dennoch viele bereit sich auf unserem Instagram-Account zu zeigen?

Ungezwungen suchten wir das Gespräch, und die persönliche Interaktion mit uns gab den Teilnehmenden genügend Sicherheit, sich auf das Experiment einzulassen. Die Situation war entspannt und die Schuhgeschichten sprudelten richtig aus den Teilnehmer*innen. Dabei kam wiederholt zur Sprache, dass der Account sehr ansprechend aufgebaut und die Fotografien gut gewählt seien. Eine Bestätigung dafür, wie wichtig es ist eine Social-Media-Plattform, die einer Institution oder einem Projekt angehört, sorgfältig zu planen und aufzubauen. Eine übersichtliche Struktur und ein gelungenes Layout mit gut gewählten Inhalten, hilft dem „Leser“, der „Leserin“ sich zurechtzufinden und macht Lust sich durch alle Beiträge zu klicken.

Die Fotografien weisen eine hohe Bildqualität auf, und wir bearbeiteten so wenig wie möglich. Unser Ziel war es, ein persönliches Porträt der Teilnehmer*innen zu machen, welches sie einerseits in ihrem gewohnten Wohnumfeld und andererseits mit ihrem ausgewählten Schuhpaar zeigt. Wir haben ein neutrales Bild kreiert, das auf jede Person angewendet werden kann. Die Teilnehmer*innen werden dabei authentisch gezeigt. Zitate der Personen und passende Illustrationen ergänzen den Instagram-Account. Mit diesem Ansatz ist es uns gelungen, den Alltagsbezug zu den Ausstellungsbesucher*innen im Museum für Gestaltung zu schaffen.

„Schuhkasten / Schaukasten“
Ein Projekt von Michelle Hänggi

Der Schau-/Schuhkasten erhob die Schuhe der Museumsbesucher*innen zum Ausstellungsobjekt. Er zeigte, was auf der Strasse getragen wird und lenkte den Fokus auf die Spuren des Alltags. Eine dauerhafte Wechselausstellung, die alle möglichen Modelle und Grössen beherbergte. Als Ersatz trugen die Besucher*innen handbedruckte Finken, die eine gemütliche Auszeit von den eigenen Schuhen erlaubten. „Gefinkt“ konnte man sich einfach besser in Bally hineinfühlen.

Über die andere Geschichte der Schuhe

Ein Teil des Charakters eines Schuhs kommt über das Design, über die Formgestaltung, Materialwahl, über die Details, doch ein weiterer, ebenso wichtiger Teil erhält er über den Träger. Denn schlussendlich wollen wir doch Schuhe, die wir tragen können. Wir wollen sie zu unseren Schuhen machen, die sich von anderen unterscheiden: Sie tragen unsere eigenen Spuren, erzählen die Geschichten unserer Erlebnisse und vertreten unseres signifikanten Styles.

«Wir lassen unsere Schuhe immer reparieren! Ja das ist doch schade, wenn man solche kauft, die nicht mal ein Jahr halten. Da bezahl ich lieber etwas mehr und hab auch einen guten Schuh. Meine Schwägerin bringt ihre auch immer zum Schuhmacher – gell?»

Der Schau-/Schuhkasten stellte unzählige verschiedene Schuhpaare aus. Er erhob die getragenen Schuhe mit all ihren Alltagsspuren zu. Kein einziges Paar Bally fand seinen Weg in den Kasten, dafür etliche Schuhe, die wir tagtäglich auf den Strassen Zürichs finden können. Die Geschichten dieser Schuhe wurden meist ohne Nachfrage mit mir geteilt. Als besonders spannend erwiesen sich die Unterschiede zwischen linken und rechten Schuhen. Obwohl von derselben Person getragen, war häufig der eine stärker abgelaufen als der andere. Spuren individueller Körper, die zu den ungetragenen Modellen in der Ausstellung kontrastierten

„Mit dem ZHdK-Logo? Sehr geil, dann wäre es hier auch akzeptiert Finken zu tragen – so während der Präsentation.“

Was trägt man, wenn nicht die eigenen Schuhe? Die Vorstellung, mit Finken durch die Ausstellung zu gehen, amüsierte die Besucher*innen. Der Gedanke, die eigenen Schuhe in der Vitrine zu exponieren, war für manche unangenehm, andere hingegen belustigte er oder erfüllte sie gar mit einem Anflug von Stolz. 

«Komm da machen wir mit, die werden sonst ja auch nie wieder ausgestellt».  

Nach der ersten Überraschung, vor dem Museum von einer fremden Person angesprochen zu werden, war die Bereitschaft am Projekt teilzunehmen und teilzuhaben sehr gross. Gerne erklärte ich immer wieder aufs Neue die Idee hinter meinem Projekt. Amüsierte diese bereits die meisten Besucher*innen, lachten sie spätestens bei der Vorstellung in Finken durch die Ausstellung zu gehen. Kaum jemand fragte nach dem tieferliegenden Grund. Ich weiss nicht, was schlussendlich ausschlaggebend war, ja zu sagen. Möglicherweise die Einreihung in eine Tradition, die einem möglicherweise nicht zu Teil wurde – etwas zu besitzen oder zu schaffen, das ausstellungswürdig wäre.

«In der Schule haben sie mir aus Versehen Farbe darüber geleert! Da habe ich sie sofort ausgezogen und unters Wasser gehalten. Zum Glück ist die Farbe ausgegangen!»

Genau darin lag und liegt die Bedeutsamkeit des Alltäglichen. Gehören viele Designklassiker zu den Alltagsgegenständen, sehen wir diese im Ausstellungsraum jedoch selten benützt.  Wir lernen, wie die Objekte hergestellt wurden, woher die Materialen kamen, gar die Ideen und Inspirationen, doch wir erfahren kaum, wie die Objekte altern. Darauf richtete der Schau-/Schuhkasten sein Augenmerk.

Mann: „Oh god, they are really dirty …“
Frau: „All of them are dirty!“

Der Schau-/Schuhkasten war als wechselnde Dauerausstellung gedacht. Er entwickelte sich jedoch darüber hinaus zu einem Werkzeug für Kommunikation. Ich wurde einbezogen in persönliche Geschichten; erfuhr, was Bally für unterschiedlichste Menschen diverser Altersgruppen bedeutete und erhielt Einsicht in die Erwartungen und Erfahrungen, welche mit der Ausstellung verbunden waren.

«Komm da machen wir doch mit! Wir beide haben eben selber bei Bally gearbeitet […] An der Bahnhofstrasse. Ich sogar in London! Für eine Weile. Ah du doch auch! Das waren teure Schuhe.»

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“
Ein Projekt von Romea Enzler & Hannah Spillmann

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“ hat den Schuhverkauf ins Zentrum gestellt. Dabei wurden Gespräche mit Schuhverkäufer*innen über ihren Berufsalltag geführt. In Form von Tragetaschen, die zum Vermittlungsmedium umfunktioniert wurden, ist der Dialog mit dem Verkaufspersonal in den öffentlichen Raum gelangt und wurde so für Passant*innen in Zürich sichtbar.

Zwischen Dialog und Anonymität

Das Kooperationsprojekt mit dem Museum für Gestaltung zur Ausstellung „Bally – Das Geschäft mit dem Schuh“ hat uns die Möglichkeit geboten, erste Erfahrungen in der Vermittlung im öffentlichen Raum zu sammeln. Es liess uns neue Wege im Umgang mit Vermittlungskonzepten gehen und deren Potenzial erkennen. Zudem hat es uns zum Nachdenken angeregt, wie sich die Methoden hinsichtlich der Vermittlung von Design von jener der Kunst unterscheiden.

Die Vermittlung ausserhalb des Museums kann als eine Art Erweiterung einer Ausstellung angesehen werden und schafft einen Link zum alltäglichen Geschehen im öffentlichen Raum. Es ermöglicht Themen aufzugreifen, die in der Ausstellung selbst keine starke Gewichtung erhalten. Einerseits kann das Projekt autonom vom Ausstellungsprogramm durchgeführt werden, andererseits wird ein neues Publikum erreicht, welches ausserhalb des Museums mit dem Inhalt konfrontiert wird. Genau darin sehen wir das Potential der Vermittlung im öffentlichen Raum.

Damit das Projekt überhaupt durchgeführt werden konnte, waren wir auf die Kooperation mit den Schuhverkäufer*innen angewiesen. Dabei haben wir gelernt, wie wichtig die persönliche Begegnung und etwas Hartnäckigkeit ist, um von einer Idee zu überzeugen und um Menschen zu finden, die bereit sind, sich daran zu beteiligen. Zudem hat sich auch unsere Rolle als Vermittlerinnen stark verändert: Wir haben viel Zeit für die Organisation aufgewendet; für Treffen, Gespräche, Planung und Koordination und schliesslich für die Produktion der Taschen. Wo wir uns ansonsten gewohnt sind, vor eine Gruppe zu treten oder mit dieser direkt zu agieren, haben wir für dieses Kooperationsprojekt eine „passive“ Endform der Vermittlung gewählt. Die Zitate auf den Taschen haben für sich selbst gesprochen.

Was nach dem Herausgeben der Taschen passiert ist, wissen wir nicht. Rückmeldungen haben wir von den Schuhverkäufer*innen und den Schuhgeschäften erhalten, von den Passant*innen, unserem Zielpublikum, jedoch nicht. Wir haben uns also immer in diesem Spannungsfeld zwischen dem ganz persönlichen Gespräch und der Anonymität bewegt. Gerade deshalb hat sich die Frage gestellt, ob die Zitate auf den Taschen überhaupt gelesen wurden. Oder ist das Medium schon so alltäglich, dass die Veränderung gar nicht bemerkt wurde? Darüber können wir lediglich spekulieren.

#zürischueh
Ein Projekt von Giovanna Katharina Hasler

#zürischueh untersuchte die Schuhe an sechs Plätzen in Zürich. Als Methode habe ich die designethnografische Beobachtung gewählt, als Medium Handy-Videos. Im Gegensatz zur Ausstellung «Bally – Das Geschäft mit dem Schuh» stand bei mir die Quantität im Zentrum.

Die aufgenommenen Schuhe wurden in Kategorien eingeteilt und die prozentualen Anteile ausgerechnet. Zusammen mit Filmsequenzen, Kurzvideos und Foto-Highlights stellte ich die erhaltenen Resultate zu einer interaktiven Präsentation zusammen, die während zwei Wochen im Toni Areal zu sehen war.

Als Zweitprodukt entstand ein Instagramkanal, auf dem Fotos, Videos sowie Illustrationen der Arbeit festgehalten wurden. Die interaktive Gestaltung des Kanals ermöglichte Besucher*innen, durch das Teilen eigener Aufnahmen Teil des Projekts zu werden.

Das Stativ wird ausgepackt, das Handy montiert; ich setze mich auf den Boden, nehme das Notizbuch zur Hand und drücke «play». Eine Stunde kann zu einer Ewigkeit werden, die Euphorie zu Unwohlsein, gerade wenn man auf angebliches Fehlverhalten hingewiesen wird. In forschem Ton sagt eine Stimme zu mir: „Was machst du da? Ich finde das nicht gut! Du darfst das gar nicht machen, und wenn du nicht verschwindest rufe ich die Polizei!“

Beobachtung als Grundlage von Vermittlung. Konsequenzen und Gedanken.

Während meiner Arbeit nahm ich zum einen die Rolle einer Forscherin ein, zum anderen die einer Vermittlerin. Mit einer forschenden Haltung ging ich auf Bildmaterialsuche und hielt das Alltägliche fest. Bei dieser designethnografischen Beobachtung war es wichtig, durch das Sammeln vieler Aufnahmen Informationen und Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Herangehensweise beinhaltet demnach zwingend den Aspekt des Sammelns. Die Methode der Beobachtung kann jedoch, wie im Fallbeispiel gezeigt, zu Aggressionen führen, welche die Datenerhebung stören oder verändern können. Selbst wenn nur die Schuhe festgehalten werden, fühlen sich einige Personen in ihrer Privatsphäre verletzt.

Als Forschende musste ich mich fragen, ob ich Strategien anwenden will, um diese Aggressionen zu vermeiden. Möglich wäre zum Beispiel, durch das Platzieren eines Plakats, die Passanten*innen über mein Tun zu informieren und sie somit nicht im Ungewissen zu lassen. Ich entschied mich jedoch gegen diese Strategien, da ich nicht beachtet werden wollte, um möglichst unverfälschte Resultate zu erhalten. Bei der Auswertung des Bildmaterials erwies sich mein Plan, keine Strategie anzuwenden, als erfolgreich, da sich vor allem diese „aggressiven Momente“ als äusserst gelungene Momente zeigten: Es gelangen mir Nahaufnahmen der Schuhe; die Leute verweilten vor der Kamera oder liefen mehrmals durchs Bild, was eine perfekte Ausgangslage für meine Analyse bot.

Die Rolle der Forscherin und jene der Vermittlerin schwangen während meines Projekts stetig mit, sie nahmen aber andere Bereiche ein. Als Gegenpol zur forschenden Herangehensweise kam der vermittelnde Aspekt bei der Auswertung der Materialien, der Suche nach geeigneten Vermittlungsformen, der Aufbereitung der Videos und der Gestaltung der Ausstellung zum Tragen. Dieser Teil meines Projektes lief ohne Aggressionen oder Hindernisse ab.

Ein schöner Moment ist es, die erhaltenen Aufnahmen, Resultate, Diagramme etc. in neuer Form zu zeigen: Die Öffentlichkeit wird – sozusagen als Rückkoppelung – sich selbst zugänglich gemacht.

Schuhwerk
Ein Projekt von Pierina Bernetta

23 Mrd. Paar Schuhe werden jährlich weltweit produziert. 6 bis 7 Paar Schuhe werden in der Schweiz pro Person im Durchschnitt gekauft. Mehrere zehntausend Tonnen nicht mehr gebrauchte Schuhe landen im Jahr in der Schweiz auf dem Müll.

Das «Schuhwerk» steht symbolisch für unsere Konsum- und Wegwerfgesellschaft und macht auf die Kehrseite des «schönen Schuhs» in der Ausstellung «Bally – Das Geschäft mit dem Schuh» aufmerksam. Der Schuhteppich entstand während vier Aktionen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen in zwei Quartieren der Stadt Zürich. Gemeinsam nahmen wir alte, nicht mehr gebrauchte Schuhe auseinander und setzten sie zu einem grossen Schuhteppich zusammen. Im Zentrum der Aktion stand das Gespräch und das Nachdenken über das eigene Kaufverhalten und die Schuhproduktion.

Spontanes Mitwerken erwünscht

Im Rahmen des Kooperationsprojektes mit dem Museum für Gestaltung hatte ich die Möglichkeit, eine alternative Vermittlungsform auszuprobieren. Nicht nur klassische Führungen und Workshops innerhalb des Museums gehören zum Bereich der Vermittlung, sondern auch Aktionen, Interventionen oder Gespräche im öffentlichen oder halböffentlichen Raum. Diese bieten die Möglichkeit, aktuelle Themen und Diskurse an ein breiteres Publikum zu bringen und damit den musealen Raum zu öffnen. Nur – wie erreiche ich die Leute, wenn nicht über das Museum und dessen Infrastruktur? Wie gelange ich an ein Publikum im öffentlichen Raum, und wie kann ich es motivieren, an einer Aktion wie dem «Schuhwerk» teilzunehmen? Wie lässt sich die Hemmschwelle senken, an einer etwas anderen, ungewohnten Aktion teilzunehmen?

Um Vermittlungsprojekte im öffentlichen oder halböffentlichen Raum durchzuführen, ist es von Vorteil, sich an eine bereits vorhandene Struktur oder Institution zu wenden. Dies erleichtert die Organisation im Vorfeld und bietet die Möglichkeit, Werbung zu machen. In meinem Fall waren dies das GZ Leimbach/Standort Manegg und die Genossenschaft Kalkbreite. Ich konnte meine Flyer an beiden Orten auflegen, und im GZ wurde zusätzlich über die Website auf mein Projekt aufmerksam gemacht. Die Wahl des Ortes und die Uhrzeit sind ebenfalls wichtig. Vorab muss recherchiert werden, welcher Ort sich für eine alternative Vermittlungsform im Kunst- oder Designbereich eignet. Genaues Beobachten und Erkunden direkt vor Ort bringt Klarheit darüber, was für Menschen sich wann an diesen Orten aufhalten. Das GZ Leimbach/Standort Manegg war im Nachhinein ein geeigneter Ort für meine Aktion, die Kalkbreite eher weniger. Der Gemeinschaftsraum beim GZ ist ein Treffpunkt für die Menschen aus dem Quartier, um sich auszutauschen oder auch an Angeboten teilzunehmen. So kommen automatisch mehr Leute vorbei, und für mich war es einfacher, sie in die Aktion einzubinden. In der Genossenschaft Kalkbreite, die primär als Wohnort dient, gab es weniger spontane Begegnungen.

Während der Durchführung einer Aktion ist man sehr engagiert und damit beschäftigt, die Teilnehmenden zu instruieren und zu unterstützen. Damit auch Passant*innen spontan mitmachen können, muss klar ersichtlich sein, dass es eine öffentliche, für alle zugängliche Aktion ist. Einerseits kann ein Schild aufgestellt werden mit der Aufschrift «Alle können teilnehmen!» oder «Komm vorbei und mach mit!». Andererseits könnte ein/e motivierte/r Teilnehmer*in aufgefordert werden, einen Teil des Akquirierens zu übernehmen: Immer wieder herumschauen und andere Menschen zum spontanen Mitmachen auffordern, vom Projekt erzählen und in die Aktion einbinden. Diese Form des Abgebens von Verantwortung und das Einbinden von Aussenstehenden in die Vermittlung selbst ist wiederum eine neue spannende Form der Partizipation.

„Gangart“
Ein Projekt von Regan Raveendran

Objekte, die an die Füsse geschnürt wurden, vermittelten die schnelle Anpassungsfähigkeit unseres Laufverhaltens und luden ein, die eigenen Laufkompetenzen auszuweiten. Das Projekt forderte die Leute auf, am eigenen Leib neue Erfahrungen zu machen und die eigenen Gewohnheiten in Frage zu stellen. Das gewöhnliche Laufen, das durch automatisierte Mechanismen in unserem Körper geschieht, wird hier zu einer neuen Herausforderung.

Kooperationen in einer Kooperation

Rückblickend auf das Projekt, war es mir wichtig über Design zu vermitteln. Da ich mich im Studium eher auf abstrakte Formentwicklung spezialisiert habe, fehlten mir natürlich einige Fähigkeiten, um meinen Qualitätsvorstellungen gerecht zu werden, wie ich die Produkte präsentiere. So habe ich besonders gegen Ende meines Praxisprojekts im 5. Semester  gelernt, mich mit spezialisierten Kollegen*innen aus anderen Fachbereichen zusammenzutun, welche mir die Arbeit erleichterten. Beim Kooperationsprojekt war ich auch wieder am selben Punkt angelangt: Ich habe bei meinen Produkten noch weitaus mehr Potenzial gesehen, aber mir fehlte damals die Zeit und  die Fähigkeit, meine Schuhe so zu präsentieren, wie ich das gerne getan hätte.

Folglich war ich nicht mehr nur der Designer und Vermittler,  sondern übernahm darüber hinaus organisierende und koordinierende Rollen. In Kooperationen ist die Rollenverteilung jeweils klar zu definieren. In meinem eigenen Projekt mit meinem Team, das ich zusammengestellt hatte, übernahm ich nun die leitende Funktion. Dies bedeutete auch, manchmal Verantwortung abzugeben,  kompromissbereit zu sein, Vertrauen zu entwickeln und sich vor Risiken nicht zu scheuen. Oft entstehen dabei überraschende Resultate – Kooperationen in einer Kooperation sind erfrischend, sowohl für die Projekte als auch für das eigene Arbeitsverhalten.

Abschliessend kann ich sagen, dass dieses Kooperationsprojekt mein neu entdecktes Arbeitsverhalten nochmals gestärkt hat. Künftig werden  solche kooperative Arbeitsformen gang und gäbe sein  –  das Koordinieren innerhalb dieses sicheren Rahmens durchgespielt zu haben, hat mich hoffentlich schon gut darauf vorbereitet.