Im Stroh

Eine Kooperation des BA Art Education mit dem Schweizer Strohmuseum Wohlen

Wie schmeckt Stroh? Wie verwandelt sich Stroh in filigrane Zierobjekte? Wie lebt es sich im Stroh? Welche Geschichten verstecken sich im Stroh?
Mit diesen und anderen Fragen setzten sich Studierende des 6. Semesters BA Art Education auseinander und entwickelten für das Strohmuseum analoge und digitale Vermittlungsprojekte. Sie tauchten ein in die Welt des Strohs und suchten im Museum, im Park und in Wohlen selber das Gespräch über industrielle Produktion und Handwerk, die globalen Verflechtungen und Arbeitsbedingungen, über Mode und Konsum und natürlich über Stroh.

Anna-Brigitte Schlittler und Eva Wandeler, Dozentinnen

STRAW LIVE
Kim Schwendimann

Mein Projekt legte den Fokus auf die Verbindung von Ort und Handwerk in Kombination mit Vergangenheit und Gegenwart. Ich habe die Geflechte aus dem Strohmuseum zurück an Plätze gebracht, zu denen sie einst einen Bezug hatten.

Vom WOW zum OUW
Das Projekt verfolgte partizipative und performative Aspekte. Die Langzeitbelichtungen zeigen bekannte Orte aus der Umgebung, und wurden oft mit eigenen Assoziationen verbunden. Für jene, die an einem der Eventtage dabei waren, ging es vor dem Museumseingang mit einem Workshop weiter. Nun wurden nicht nur die Orte, sondern auch die Menschen miteinbezogen und Bewegungen als Lichtmalereien festgehalten. Begleitet von Wows, Uhhhs und Ahhhs. Mit simplen Mitteln konnten die Teilnehmenden begeistert und fasziniert werden.
Nach den lobenden Worten wollte ich das Projekt nach draussen tragen. Die Bilder sollten nicht nur im Museum hängen, sondern auch an viel besuchten Plätzen sichtbar sein, um Raum für Vermittlung ausserhalb zu schaffen. Motiviert besuchte ich Geschäfte und Institutionen und wurde dann enttäuscht. «OUW, wo wollen Sie hier was aufhängen? Sie sehen ja, dass es bei uns kein Platz hat», ist noch freundlich ausgedrückt, trotzdem eine direkte Abfuhr. Zum Glück reagierten nicht alle so, vereinzelt wurde ich mit Verständnis und Freude empfangen.
Wie können wir als vermittelnde Personen das Umfeld aktivieren und verpflichten? Was müssten wir machen, damit sich alle angesprochen fühlen und Teil des Projekts werden? Wo braucht es mehr Aufklärung und Auseinandersetzung mit der Gemeinde Wohlen?
Fragen, die ich mir während der Ausführung des Projektes gestellt habe. Wie kann es sein, dass ein positiver Konsens im geschlossenen Raum besteht, aber gleich zerfällt, nachdem ich mich nach draussen begebe?

Zwischen Austauschbedürfnis und Autonomieverlust
Die Gespräche mit den Besuchenden haben mir gezeigt, dass viel Interesse für das historische Erbe der Strohindustrie vorhanden ist. Es besteht ein Bedürfnis, sich über eigene Erfahrungen und Erinnerungen auszutauschen. Darin liegt Potenzial, sich als Kunstvermittelnde zu verwirklichen und Raum für Teilnahme und Austausch zu schaffen. Dass dies nicht auch ausserhalb der Museumsmauern so gut gelingt, regt zum Nachdenken an. Räume und Institutionen geben ein gewisses Verhalten vor, wie man sich zu benehmen hat, wie man sich bewegt und was darin erwartet werden darf. Wenn diese Faktoren wegfallen, empfinden sich die Besuchenden als unwissend, und es gilt, die neuen Strukturen erst kennen zu lernen.

Rückblickend hätte es von meiner Seite – anstatt von Tür zu Tür zu hausieren – gezieltere Methoden benötigt, um die Gemeinde zu aktivieren.
Einerseits habe ich herausgespürt, dass ich mit meiner Bitte in die Autonomie der Befragten eingegriffen habe. Die Bedenkzeit war kurz und endete oftmals mit einem Nein. Das hätte vielleicht verhindert werden können, wenn ich mich mit meiner Website ausführlich per Mail vorgestellt hätte. Dies hätte ermöglicht, sich selbständig und im eigenen Tempo zu informieren, um dann in Ruhe eine Entscheidung zu treffen.
Andererseits hätte ich die Chance der Zeitungsannoncen nutzen können und einen Aufruf für Interessierte starten. Damit hätten sich die Strohbegeisterten direkt bei mir melden können. (K)ein System für die Situation
Ich denke nicht, dass es «die» Lösung für solche Situationen gibt; es benötigt jedes Mal eine spezifische Analyse. Im Rahmen des Kooperationsprojektes habe ich gelernt, beweglich zu sein, mit Spontanität umzugehen und genau zu beobachten. Im Bereich der Vermittlung ist die Kommunikation einer der wichtigsten Grundlagen. Deswegen benötigt es eine genaue Auseinandersetzung mit der Zielgruppe, damit Kommunikationsmittel und Medien gezielt eingesetzt werden können.


Schöner Wohlen
Dijana Jovicic und Johanna Wackerle

Ein Rückblick

Eingangsbereich
Unser Projekt begann mit der Suche nach Gegenständen und Materialien, die einen Bezug zu Stroh haben. Wir fanden sie in Second-Hand-Läden und Online-Marktplätzen, etwa einen mit Stroh gefüllten Plüschbären, ein Trinkglas mit Getreideprints oder Briefmarken mit Agréments. Das Stroh für unsere Möbel liehen wir uns von einem dem Museum bekannten Bauern. Dabei wurde uns bewusst, wie entscheidend eine gute Vernetzung und das Knüpfen neuer Kontakte ist, so erhielten wir das Bier von der lokalen Brauerei Erusbacher & Paul gesponsert. Wir erkannten auch, dass ein umfangreiches Angebot kostspielig sein kann und unser Budget überschreiten würde.

Wohnzimmer
Unsere Sammlung, Projektionen und Installationen sollten Besucher:innen vielfältig ansprechen. Wir zeigten Projektionen zu Stroh in Form von Wort-Reimen, oder Stroh-Facts wie Wärmedämmungsfähigkeit und eine digitale Sammlung von Strohprodukten, wie z.B. WC-Papier mit Strohanteil. Eine von uns erstellte Spotify-Playlist enthielt Songs mit dem Wort „Stroh“ oder „Straw“ von bekannten Sänger:innen und Bands, wie Dolly Parton, Billie Holiday, Taylor Swift, Metallica oder King Gizzard & The Lizard Wizard. Unser Ziel war, eine Verbindung zwischen Handwerkskunst, Industriekultur, Alltagsleben und Geschmackskultur herzustellen und die Vielseitigkeit von Stroh als Naturmaterial, Konsumgut, Genussmittel, Industrieprodukt und kulturelles Element zu präsentieren. Durch verschiedene Getreideprodukte und stroh-assoziierte Esswaren lockten wir Besucher:innen an und hofften, ihre Perspektive auf dieses oft übersehene Material zu erweitern. Mit Stroh-Möbeln und Dekorationen zeigten wir die ästhetische Seite von Stroh und dessen kreative Gestaltungsmöglichkeiten.

In diesem Zusammenhang stellten wir uns die Frage: Welche Rolle spielt Vermittlung heute bei der Schaffung von Begegnungsräumen und dem Abbau von Barrieren zwischen Besucher:innen und Kunst-/Kulturvermittler:innen?

Zimmer in den Kinderschuhen  
Wir haben nicht erkannt, dass ein Projekt bereits vor der eigentlichen Umsetzung beginnt. Ein bemerkenswertes Ereignis war der Transport eines Strohballens in den öffentlichen Verkehrsmitteln von Wohlen nach Zürich. Passant:innen waren neugierig und fragten, was wir damit vorhätten. Obwohl wir aufgrund der begrenzten Vorbereitungszeit nicht weiter an Vermittlungsangeboten experimentieren konnten, hat diese Aktion gezeigt, dass es noch viele Möglichkeiten gibt, wenn wir gewisse Situationen bewusster betrachten. Wir haben uns auch überlegt, wie wir Stroh stärker nach aussen tragen könnten, um diversere Zielgruppen zu erreichen. Eine Idee ist, das Projekt als „Schöner Wohlen on TOUR“ an verschiedene Orte zu bringen. Eine Performance mit Stroh in der Stadt oder ein Buch mit kurioser Bildersammlung zum Thema Stroh sind weitere Möglichkeiten. Auch die Ausweitung des Themas auf soziale Netzwerke, um Jugendliche darauf aufmerksam zu machen, könnte interessant sein.

Zimmer mit Aussicht
Es ist wichtig, vor Ort präsent zu sein und als Leitfiguren zu fungieren, um Hemmschwellen abzubauen. Es bedarf keiner „Expert:innen“, sondern eines aufrichtigen Interesses am Projekt, um eine erfolgreiche Vermittlung zu ermöglichen. In Museen sollte es Ansprechpersonen geben, die sich ausschliesslich der Vermittlung widmen. Unsere Aufgabe fungiert als Brücke zwischen Werken und Publikum, indem wir Begegnungsräume schaffen und den Besucher:innen helfen, eine persönliche Bindung zum Ausgestelltem herzustellen.

Unser Projekt hat wichtige Fragen zur Vermittlung aufgeworfen. Wir hoffen auf eine starke Veränderung und die Anerkennung der Bedeutung von Kunst/Kulturvermittlung. Es ist wichtig, dass entsprechende Jobangebote geschaffen, staatlich unterstützt und angemessen honoriert werden. Das Projekt „Schöner Wohlen“ hat uns die Möglichkeit gegeben, der Vermittlung einen Schritt näher zukommen und die Dringlichkeit unserer Rolle zu verstehen.

Letztendlich sind wir uns einig, dass Vermittlung von grosser Bedeutung ist, um einen interaktiven und inklusiven Raum zu schaffen, in dem Menschen zusammenkommen, sich austauschen und gemeinsam Kunst und Kultur erleben. Obwohl es finanzielle Herausforderungen gibt und die Realität für Museen und Kulturschaffende angespannt ist, erfordert es Kreativität und Ressourcen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Eine aktive Auseinandersetzung und die Suche nach Lösungen sind unumgänglich.  

Straw Talks
Meryl Kureekal und Nina Tschümperlin

„So wie ich eine Hose angezogen habe, setzte ich mir auch einen Hut auf.“Strohgespräche

In unserer StrawTalks-Redaktion durften wir einige längere Gespräche mit älteren Leuten führen, die uns gerne in vergangene Zeiten mitnahmen. Wir forderten sie auf, ihre Erinnerungen auf einem Post-it festzuhalten. Schliesslich sammelten wir genau solche Anekdoten mit Gefühlen, die durch das Tragen von Strohhüten hervorgerufen wurden. Wir erlebten unsere Gesprächspartner:innen jedoch als äusserst zurückhaltend.

Die wenigsten klickten sich durch unser Online-Magazin oder nahmen unsere Einladung an, einen Hut anzuprobieren.

Die Frage, die uns im Studium in einigen Seminare begleitet hatte –  „Wie bringen wir die Leute ins Museum?“ –  ist so präsent wie noch nie.

Redaktion
Die Redaktion im Strohmuseum bestand aus zwei zusammengeschobenen Tischen, auf denen ein inszeniertes Kreativchaos herrschte. Eine Auswahl an Bildern lag verstreut auf dem Arbeitsplatz, Notizzettel hingen an den Wänden. Ebenfalls zum Setting gehörten die zwei arbeitenden Redakteurinnen. Für uns war unsere Präsenz klar ein Teil unserer Inszenierung, die somit performative Züge annahm. Doch nicht alle Gäste des Museums nahmen unser Dasein als Aufforderung zur Interaktion wahr. Manche blickten uns erschrocken an und entschuldigten sich, da sie dachten, in unseren Arbeitsplatz eingedrungen zu sein.

Unser Ziel war es, mit den Besuchenden in einen Austausch zu kommen. Uns interessierten ihre persönlichen Meinungen und Geschichten. Wir mussten stets erklären und überzeugen, dass sie herzlich willkommen und ihre Antworten und Meinungen für uns wichtig sind. Der Übergang vom Erklären zur Interaktion verlief meist stockend. Dadurch, dass das Strohmuseum nicht von Besuchenden überrannt wurde, hatten wir schlechte Chancen, uns eine Routine im Vermitteln unseres Projekts anzueignen.

Interaktion
Doch wie animieren wir die Leute zu einer unaufgeforderten Interaktion in unserer kleinen Redaktion? Uns wurde klar, dass die Besuchenden sich eingeladen und handlungsberechtigt fühlen müssen.

Es wäre gut vorstellbar, eine klare Abgrenzung zwischen dem Arbeitsplatz, den wir als Redakteurinnen einnehmen, und dem, den die Besuchenden bespielen dürfen, zu schaffen. Wir müssen Wege und Ansätze finden, die den Menschen deutlich zeigen: Das ist euer Raum, und hier ist eure Meinung gefragt.

Das Redaktionssetting könnte reduziert daherkommen. Dadurch wäre mehr Platz für einen Handlungsraum und die Stimmen der Besuchenden vorhanden. Wir stellen uns eine minimalistische Redaktion vor, nur mit zwei Computern und zwei Stühlen an einem Tisch. Dafür könnte es eine große pinke Wand geben, die eindeutig dazu auffordert, seine Meinung mitzuteilen.

Anstatt die Museumsbesucher:innen gleich anzusprechen, hätten wir ihnen Zeit geben können, die Fragen zu studieren und untereinander darüber zu sprechen. Dadurch hätten sie gemeinsam in Erinnerungen schwelgen können und müssten nicht gleich einer fremden Person ihre Kindheitserlebnisse erzählen.

Das von uns angedachte Konzept hat für dieses Museum mit diesem Publikum und diesem Besucher:innenfluss nicht funktioniert.

Online-Magazin
Ein weiterer Punkt, der uns aufgefallen ist, betrifft das Online-Magazin, das auf einem Computer auf unserem Tisch präsentiert wurde. Die Besucher:innen schienen nur darauf aufmerksam zu werden, wenn wir sie ausdrücklich darauf hinwiesen. Es sah eher wie unser Arbeitsgerät aus als wie ein Ausstellungsstück. Wir fragen uns, ob für das Magazin nicht ein Auftritt mit deutlicherem Ausstellungscharakter besser gewesen wäre – etwa indem der Computer auf einem weissen Sockel platziert worden wäre.

Gezielter Einsatz von Medien
Da wir keine Zielgruppenanalyse im Voraus durchgeführt hatten, musste unser Projekt alle Altersgruppen ansprechen. Altersspezifische Vermittlung halten wir jedoch für notwendig, um die Besuchenden abzuholen.

Deshalb hier zwei Perspektiven unseres Vermittlungsangebots für unterschiedliche Zielgruppen. Während der Durchführung konnten wir feststellen, dass die Zielgruppe des Strohmuseums sich weniger für digitale Medien interessierte.

Mit diesem Wissen könnten wir unser Projekt folgendermaßen anpassen:

Das Online-Magazin auf dem ausgestellten Bildschirm wird als komplettes Magazin ausgedruckt, damit man es in der Leseecke durchblättern kann. Die Besucher:innen können so nicht Teil des Magazins werden, können sich aber über das Gelesene austauschen und in Ruhe eigene Assoziationen reflektieren. Die pinke Wand mit  Post-it-Zetteln würde bestehen bleiben.

Für eine Variante, welche auf Digital Natives ausgerichtet ist, möchten wir den Schritt wagen, Straw Talks komplett in den digitalen Raum zu verschieben.  Dies könnte zum Beispiel in Form eines Instagram-Kanals geschehen, der regelmäßig mit Inhalten aus dem Magazin bespielt wird. Die Menschen können Teil des Kanals werden, indem sie auf unsere interaktiven Aufgaben reagieren. Ein Aufruf könnte dann eine Sammlung von Selfies mit Hüten hervorbringen oder Leser:inbriefe zum Thema Hut.

So selbstverständlich, wie der ältere Herr den Hut zur Hose getragen hatte, wünschen wir uns, dass die Menschen die Museen ganz besuchen.

Promenade d’Agrément
Joëlle Desarzens

Wie kann ich externe Personen dafür begeistern, sich für mein Projekt einspannen zu lassen? Im folgenden Text reflektiere ich über das Scheitern meiner Ursprungsidee, die Entdeckung einer gelungenen Lösung und Vermittlung, die hinter den Kulissen stattfindet.

Die Idee
Das Grundkonzept meines Projektes war, das Strohmuseum im Park aus seinen Räumlichkeiten zu lösen und die Geschichte Wohlens da lebendig werden zu lassen, wo sie einst stattgefunden hatte. Nachts machte ich mich auf die Suche nach geeigneten Standorten für die Beamer, die bei Einbruch der Dunkelheit Videos der Strohindustrie abspielen sollten.

Nächtliche Bekanntschaften
Während meiner nächtlichen Erkundungstour traf ich in einer privaten Siedlung auf einen Anwohner, der in seinen Garten trat um herauszufinden, wer sich hier herumtrieb. Ich fühlte mich ertappt, da ich nicht damit gerechnet hatte, jemandem zu begegnen. Ich erklärte, dass ich im Auftrag des Strohmuseums arbeite und ein Kunstvermittlungsprojekt in dieser Siedlung realisieren möchte. Im Nachhinein fragte ich mich, ob ich es geschickter hätte angehen können. Es wäre gut gewesen, einen Flyer vom Projekt dabei zu haben. Ein Flyer ist informativ, kann visuelle Ideen vermitteln und zeugt von Professionalität.

Zusagen einholen
Zur Sicherung meiner Standorte, brauchte ich die Zusagen von Geschäftsführer:innen und Anwohner:innen, in deren Fenstern ich die Beamer installieren wollte. Umgehend stellt sich mir die Frage, wie ich diese Personen am besten erreichen konnte. Ich überlegte mir, dass ich Menschen eher von meinem Projekt überzeugen konnte, wenn sie mich persönlich sehen und dem Vorhaben ein Gesicht zuordnen konnten.

Der Bekanntheitsvorteil
Mein erster Besuch beim örtlichen Friseursalon gestaltete sich unkompliziert. Als langjähriger Wohlemer kannte der Salonbesitzer das Strohmuseum und er nahm sich Zeit, sich mein Projekt anzuhören. Obwohl mein Projekt sehr abstrakt klang, konnte ich ihm direkt zeigen und erklären, wo ich den Beamer installieren wollte. Zu meiner Freude erhielt ich eine prompte Zusage, was mein Selbstvertrauen stärkte und mich ermutigte weiterzumachen.

Weiter Involvieren
Es wäre spannend gewesen, den Friseursalon weiter in mein Projekt einzubeziehen, da er eine lokale Kundschaft bedient, die auch für das Strohmuseum von Interesse sind. Eine mögliche Idee ist, die Fragen, die ich während des Spaziergangs diskutieren wollte, auf den Spiegeln im Salon zu notieren. Dadurch würde ein Dialog zwischen Kunden und Friseur:innen angeregt. Solche Gespräche könnten auf das Projekt aufmerksam machen und die Möglichkeit eröffnen, relevante Themen, wie Mode und Arbeit zu besprechen, die sowohl im Friseursalon als auch in meiner Führung von Bedeutung sind.

Wenn der Generationenunterschied spürbar wird
Zurück in der privaten Siedlung – wo ich nachts im Garten überrascht wurde – versuchte ich es mit einem unangekündigten Besuch. Eine Dame im fortgeschrittenen Alter öffnete die Tür. Ich realisierte, dass ich mein Projekt verbal nicht verständlich machen konnte. Mithilfe von Skizzen und Gesten erläuterte ich ihr mein Vorhaben. Ich vermied Fachbegriffe und erklärte geduldig, bis sie es zu verstehen schien. Wieder vermisste ich ein visuelles Kommunikationsmittel. Hätte ich über mehr Zeit verfügt, wäre es denkbar gewesen, weitere Anwohner:innen zu mobilisieren und in einer offenen Gesprächsrunde das Projekt zu präsentieren und zu erörtern. Dadurch hätte ich gleichzeitig mehrere Personen erreicht, und durch die Unterstützung der Nachbar:innen wäre der älteren Dame ein erleichterter Zugang zum Projekt ermöglicht worden. Angesichts der damaligen Abwesenheit weiterer Anwohner*innen wäre es ebenfalls eine sinnvoll gewesen, persönliche Briefe inklusive Flyer in die Briefkästen zu verteilen.

Kontakt mit der Verwaltung
Da es schwierig war, die Eigentümer:innen einzeln zu erreichen, setze ich mich mit der Verwaltung in Verbindung. Ich traf den Verwalter der Siedlung vor Ort und besprach mit ihm mein Projekt. Ihm gefiel es, und er wollte mich unterstützen. Er bat mich, mein Vorhaben per E-Mail zu formulieren, um es den Eigentümer:innen zwecks Einholung ihrer Zusagen weiterzuleiten. Mittlerweile blieb lediglich eine Woche, bis zur Umsetzung der Beamer-Installation. Bedauerlicherweise erwies sich diese knappe Zeitspanne als Grund für die Absage der Eigentümer:innen. Beim nächsten Mal werde ich den logistischen Aufwand nicht unterschätzen und genügend Zeit einrechnen. Einige Wochen früher den Kontakt zu suchen, hätte auch mehr Beziehungsarbeit zu den aussenstehenden Personen zugelassen.

Handliche Lösung
Im Lauf des Versuchs, die Zusagen einzuholen,  wurde mir bewusst, dass ich möglicherweise nicht genügend Standorte finden würde. Früh hatte ich zudem die Idee, den Spaziergang mit einem portablen Beamer zu ergänzen. Mit jeder Absage gewann diese Lösung mehr an Reiz. Ich musste mich nicht auf externe Leute verlassen und hatte mehr Freiheiten mit der Standortbestimmung. Die finalen Spaziergänge führte ich mit einem Akkubeamer und Reisestativ durch, die ich bequem mit mir tragen konnte. Die auf Wände und Mauern projizierten Filme stiessen bei den Besuchenden auf grosse Begeisterung.

Strohquellen
Valeria Bondar

Ich kann mich noch an den ersten Tag des Kooperationsprojektes erinnern, als ich absolut keine Ahnung hatte, was in den nächsten paar Monaten auf mich zukommen wird. Wir haben ein praktisch unbekanntes Handwerk kennengelernt, das gleichzeitig ein wichtiger Teil der Schweizer Geschichte ist. Unverzüglich musste ich nach Überschneidungen meiner Interessen mit dem Thema des Strohs suchen, und merkte, dass mich die Herkunft des Strohs interessiert, also buchstäblich, bei wem es in der Erde wächst, von wem es geerntet wird und wer es bearbeitet, bis es dann in den Händen der Künstler:innen und Handwerker:innen landet. Also suchte ich mir eine Nische innerhalb der Nische aus, nämlich die Landwirtschaft, die Stroh anbaut. Die meisten Künstler:innen bauen ihr eigenes Stroh an, weshalb diese Bauernhöfe eine wahre Rarität sind. Schon nach kurzer Zeit verlagerte sich die Suche ins Ausland, und nach einem Meer von E-Mails entschied ich mich, alle vier Bauernhöfe zu besuchen, die ich gefunden habe.

Gespräche als Recherche
Viele Aspekte der Arbeit mit Stroh wurden nur spärlich dokumentiert, weshalb sie wiederentdeckt und selbst aufgearbeitet werden müssen. Für Kunstschaffende und Landwirte ist es wichtig, ihre Arbeit und Entdeckungen zu teilen und die Materialgeschichte zu erweitern. Mit den Bauern und Bäuerinnen an solch unterschiedlichen Orten gesprochen zu haben und stets freundlich willkommen geheissen zu werden, war eine viel persönlichere Art der Recherche als ich sie je erlebt habe. Also freue ich mich umso mehr darüber, dass ich etwas zur Dokumentation dieses Aspektes der Arbeit mit Stroh beitragen konnte.

Durch die Annäherung an die Menschen wurde es schwieriger, strukturiert Informationen aufzunehmen; stattdessen ergaben sich viel natürlichere Gespräche als die anfangs geplanten Interviews. Die Fülle an Informationen aufzunehmen und in ein kohärentes Skript zu verwandeln, war eine Herausforderung. Einerseits sollte es in ein spannendes ormat überführt werden, das in ein Museum passt und Besucher:innen neugierig macht; andererseits lernte ich ganze Lebensgeschichten kennen, denen ich gerecht werden musste. Schlussendich gebe ich vor allem das wieder, was ich erlebt habe und zeige es durch die Linse des Staunens und der Wertschätzung.

Es war von Grund auf eine ungewöhnliche Recherche, da ich zu den Quelle des Strohs ging und mir so das Wissen angeeignet habe, also war eine chronologische Repräsentation des Erlebten die intuitivste Vermittlungsweise. Flyer, Visitenkarten, meine Notizen der Interviews und sonstiges Material habe ich im Museum an der Wand hinter dem Bildschirm aufgehängt. Diese Art der Dokumentation schien mir besonders geeignet, um eine solch persönliche Erfahrung wiederzugeben.

Reiseberichte
Die Reisegespräche, die ich mit Joëlle Desarzens im Strohmuseum durchführen durfte, waren die perfekte Ergänzung. Hier konnte ich frei über die Faszinationen und Sorgen der Bauern und Bäuerinnen sprechen, auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinweisen und spontane Fragen des Publikums beantworten. Diese Art, mein Wissen zu präsentieren, hat mir gezeigt, wie viel ich innerhalb eines Monats gelernt und entdeckt habe und dass Interesse an den aktuellen Entwicklungen in diesem Handwerk besteht. Das freie Reden über erlebte Gespräche ist ein Format, das ich bis jetzt nicht beachtet habe. Dennoch war das Interesse des Publikums da, einer Person zuzuhören, die sich über ein spannendes Thema informiert hat.