Film, Ding, Wirkung

Das Materielle und die Dinge sind seit den 1980er Jahren in den Fokus der Kultur- und Sozialwissenschaften gerückt. Mit einer weiteren Verschiebung von Forschungsperspektiven und Theorietransformationen, dem sogenannten material turn, werden gängige Dualismen wie Subjekt und Objekt, Person und Gegenstand, materiell und immateriell hinterfragt und die Dingwelt auf ihre praxis-generierende Kraft hin untersucht. Dinge erscheinen in diesem Kontext ebenso als Akteure innerhalb sozio-kultureller Prozesse und Träger sozialer Praktiken wie Materialität als Bedingung von Wissen. Spätestens mit der Akteur-Netzwerk-Theorie verlieren sie ihren Status als passive Objekte und müssen sich hinsichtlich ihrer Handlungsfunktionen und ihres Aktionspotentials befragen lassen.

Besonders gut ist ein Wirken der Dinge in den Bewegtbildmedien zu beobachten, kennzeichnet deren Welten doch ein besonderes Verhältnis von Ding und Handlung. Unbelebte Gegenstände geraten hier nicht nur in Bewegung und verwandeln sich, sondern entwickeln geradezu ein Eigenleben: Befreit von ihrer realweltliche Beschränkung auf Gebrauchsfunktionen, scheinen sich die Dinge im Film in besonderem Maße gegen eine Beherrschung durch den Menschen aufzulehnen und in sein Tun einzugreifen. Sie motivieren Handlungen und greifen beständig in diese ein. Sie verkörpern Erinnerungen und Erfahrungen und sind gleichzeitig Träger und Vermittler von Emotion und Atmosphäre. Durch Übertragung ihrer Eigenschaften, verleihen sie den Figuren Charakter; vielfach liefern sie sogar Erklärungen für deren Verhalten. Auf der Leinwand oder dem Bildschirm legen die Objekte ihre Passivität ab und werden selbst zu handelnden Subjekten, die eine eigene Perspektive auf die Realität der Welt vermitteln. Der Mensch ist insofern im Film nur ein aktives Element unter vielen. Ding und Person begegnen sich hier buchstäblich auf derselben Ebene und interagieren gemeinsam in „symmetrischen Handlungsverbünden“(Bruno Latour).

Dieses andere Auftreten von Objekten im Film gibt Anlass die besondere Rolle von Artefakten in diesem Feld zu untersuchen. Hierbei ist es notwendig, sich dem Phänomen einer gesteigerten Handlungsträgerschaft der Dinge in den Bewegtbildmedien analytisch von zwei Seiten zu nähern: Zum einen wird der komplexe Status von Objekten zwischen ihrer realweltlichen Existenz und ihren multiplen filmischen Präsenzen mit deren diegetischen, narrativen oder epistemischen Funktionen untersucht. Zum anderen gilt es, die filmische Praxis als spezifische Form des Umgangs mit Dingen zu analysieren. Im Zentrum steht in beiden Fällen die These, dass die zu beobachtende Wirkmacht der Dinge in den Gegenständen selbst angelegt ist und im und durch den Film nur freigesetzt wird. Das Filmische wird insofern nicht als eine quasi-magische Praxis verstanden, die Objekte mit spezifisch filmischen Qualitäten ausstattet, sondern als ein Feld, in dem sich die Kraft der Dinge in besonderem Maße entfaltet und ihr Wirken gewahr wird. Dies gilt es für die diversen filmischen Formen und über Genregrenzen hinweg herauszuarbeiten. Besonderes Aufmerksamkeit kommt dabei sowohl dem Prinzip der Suspendierung alltäglicher Gebrauchsfunktionen von Objekten zugunsten einer Vergegenwärtigung ihrer kulturellen, sozialen und ästhetischen Gehalte in den Bewegtbildmedien, als auch dem doppelten Verhältnis von Materialität und Immaterialität des Filmbildes wie des gefilmten Zeug zu.

 

Verantwortlich für das Projekt: Felix Laubscher

Felix Laubscher studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Künste arbeitet er als freier Kurator und Filmschaffender in Berlin.

f.laubscher(at)udk-berlin.de