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«Durch die explizite Betonung ihrer Männlichkeit grenzten sich Männer entschieden gegen das weibliche Geschlecht ab und lenkten die Aufmerksamkeit auf einen Bereich, in dem sich der Unterschied der Geschlechter am nachdrücklichsten manifestierte. Die Schamkapsel als Ausdruck männlicher Protz- und Prahlsucht wurden mit der Zeit in einer Art und Weise betont und ausgestopft, daß sie, wie der französische Philosoph Montaigne in einem seiner Essays bemerkte, ‹das wahre Modell eines Gliedes wurde, das wir anständiger Weise nicht einmal nennen dürfen.›
Die Bemerkung Montaignes war, was den zweiten Teil betrifft, ihrer Zeit voraus. Tatsächlich verstieß das Modell des männlichen Geschlechts als Blickfang der Männerhose keineswegs gegen das allgemeine sittliche Empfinden der Zeit, im Gegenteil, selbst im bäuerlichen Milieu trieb man hiermit einen gewissen Aufwand. Die Akzeptanz der Schamkapsel ging sogar so weit, daß, dem Zeitgenossen Rabelais zufolge, ‹dieses Anhängsel der männlichen Kleidung mit der Zeit soweit jeden anstößigen Charakter verlor, um als Tasche zu dienen, in der die Herren ihr Sacktuch und ihre Börse verwahrten, sogar Orangen, die sie vor den Augen der Damen herausholen und diesen anbieten durften.› Man fand auch keineswegs anstößig, wenn Bannerträger, ja, selbst Träger von Prozessionsfahnen das Ende der Fahnenstange auf Schamkapseln abstützten – sozusagen noch ein kleiner Zusatznutzen der Hosenlatzmode.»

Text vorgeschlagen von Kathrin Krumbein, Dozentin Bachelor Design, Vertiefung Style & Design, DDE.