Beim ,Kochen und Essen‘ handelt es sich um ein „soziales Totalphänomen“ In seiner Alltäglichkeit offenbart es einen Einblick in die gesamtgesellschaftliche Realität beziehungsweise die soziokulturellen Strukturen der Gesellschaft, in die es eingebettet ist.
,Kochen und Essen‘ bedeutet somit nicht nur die Wahl eines Nahrungsmittels oder einer Speise, seine Kombination mit anderen Speisen oder deren Reihenfolge. Es ist ebenso die Wahl einer Situation. eines Zeitpunktes und eines Raumes sowie nicht zuletzt die Identifikation mit einer Gemeinschaft oder auch die Distanzierung von einer anderen. Betrachtet man die Speisen in Töpfen, auf Tellern oder Löffeln hier und andernorts, blickt man deshalb auf mehr als Proteine, Fette, Vitamine, Mineralien und Kohlenhydrate, auf mehr als den Treibstoff der Maschine Mensch. Man sieht die Ergebnisse der Unterscheidung von Essbarem und Nichtessbarem, von Gutem und Schlechtem, von ästhetisch Schönem und Hässlichem, von Richtigem und Falschem, von Eigenem und Fremdem. Unterscheidungen, die Ausdruck und Baustein der eigenen kulinarischen Welt sind. die im Kochen und Essen – der eigenen kulinarischen Praxis – ,geschaffen‘ wird.
Sebastian Schellhaas in „Die Welt im Löffel“, Bielefeld/Berlin 2012