Geschichte

Historischer Überblick
Landschaftsmalerei / Landschaftsdarstellung

Gerd-Helge Vogel, Dozent VSV, 2009


ANTIKE
: Die Geschichte der L. ist eng mit der des Realismus verflochten. Über die formelhafte, noch völlig  unräumliche Signalisierung einer Landschaft als Ort des Geschehens (SYMBOLLANDSCHAFT), die bereits die altmesopotamischen (Uruk, Djemdet-Nasr-zeit, Kultvase aus Alabaster aus dem Eanna-Heiligtum in Uruk, 2800-2700 v. Chr.; Akkad, Stele des Königs Naramsin, 2300-2250 v. Chr.; Assyrien, Die Eroberung einer Wasserburg durch Assurnasirpal, 9. Jh. v. Chr.) und altägyptischen Kulturen (Altes Reich, Relief aus der Mastaba des Ptah-hotep in Sakkara, um 2500 v. Chr.; Neues Reich, Reliefs vom so genannten Botanischen Garten des Amon-Tempels zu Karnak, um 1450 v. Chr.), aber auch die kretisch-minoischen (Spätminoisch, Seekriegszug, Wandfries aus Privathaus auf Thera/Santorin, 1400 v. Chr.) und griechisch archaischen (Spätarchaik, Grab des Turmspringers, 490-480 v. Chr.) Kulturen kannten, gelangte erst die verloren gegangene, aber schriftlich bezeugte klassische griechische Kunst (z. B. die Werke der Künstler Agatharchos, um 450. V. Chr.; Apollodoros von Athen, 2. H. 5. Jh. v. Chr.; Zeuxis von Herakleia, letztes Drittel 5. Jh. v. Chr.) mit ihrer Licht-Schatten-Malerei hinaus. Einen ersten Höhepunkt der antiken ILLUSIONISTISCHEN L. stellen die Odysseefresken vom Esquilin (1. Jh. v. Chr.) dar, in denen während der römischen Kaiserzeit die griech.-hellenistische Raumdarstellung einen späten Abglanz findet. Diese realistischen Erfahrungen erlangten in der Prospektmalerei der römischen Kunst der augustäischen Zeit eine weitere Steigerung (Römisch, Villenlandschaft der III. Stilstufe aus dem Haus des Lucretius in Pompeij, 30 v. Chr.), um sich in der Spätantike unter dem Einfluss des frühbyzantinischen Reiches (Frühbyzantinisch, Der Gute Hirte, Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia, um 425-450) wieder allmählich zur abstrakten Symbollandschaft zurückzuentwickeln.





MITTELALTER: Im MA tritt die L. völlig in den Hintergrund, weil zunächst religiöse Stoffe vorherrschen. Abgesehen von den Nachwirkungen der spätantiken Illusionskunst in der byzantinischen Buchmalerei (Byzantinisch, Der Harfe spielende David aus dem Pariser Psalter, 10. Jh.) werden im Früh-MA diese Errungenschaften wieder auf streng stilisierte Abkürzungen von Landschaftselementen (Baum, Fels, Wasser, Stadt etc.) reduziert, die den Schauplatz nur symbolisch markieren (Karolingisch, Evangelist Matthäus aus dem Ebo-Evangeliar, vor 835; Ottonisch, Kölner Malschule, Sturm auf dem See Genezareth aus dem Hitda-Codex, 1000-1020, Romanisch, Der Wald und seine Tiere aus einer Camina burana-Handschrift, um 1225/30). Erste wirkliche Darstellungen der L. oder von Landschaftsdetails brachte die italienische Kunst der Protorenaissance des Trecento in Parallelität mit der sich in der Praxis neu vollziehenden Entdeckung des Gartens. Die sienische Kunst wurde dabei nach realistischen Ansätzen in der Entwicklung der Darstellung eines dreidimensionalen Raumes bei Giotto (Giotto di Bondone, Fresken in der Arenakapelle zu Padua, 1303/05) zur eigentlichen Entdeckerin der Landschaft und des (topographisch getreuen) Städtebildes (Duccio di Buoninsegna, Einzug Christi in Jerusalem, Tafel aus dem Zyklus der Passionsgeschichte von der Rückseite der Majestà, 1311; Simone Martini, Guidoriccio da Fogliano, Fresko im Palazzo Pubblico in Siena, um 1328; Ambrogio Lorenzetti, Das gute Regiment, Fresko im Palazzo Pubblico in Siena, 1335/40), denn hier vollzog sich unter dem wachsenden Interesse am Irdischen die Loslösung vom ursprünglich symbolischen Charakter der L. weitgehend vollständig.

Von Siena aus erfolgte auch eine starke Beeinflussung der Malerei in Avignon (Frettchenjagd und Fischer am pescarium. Wandmalerei im Hirschzimmer des Papstpalastes von Avignon, 1343/44), die unter weitgehendem Verzicht auf ma. Symbolik an der Wende von der Hoch- zur  Spätgotik zum stilistischen Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung des weichen Stils in der böhmischen Malerei (Meister von Hohenfurth, Hohenfurther Altar, 1346/47) wurde. Entsprechende künstlerische Einflüssen eines neuen, inzwischen positiven Naturverhältnisses zeigten sich in der Folgezeit in ganz West- und Mitteleuropa  auch unter der Nachwirkung von Petrarcas frühhumanistischer Dichtung, die eine weltliche Naturbegeisterung vorbereiten half und so allmählich den nach ma. Vorstellungen gefährlichen Charakter der Natur endgültig zu überwinden vermochte. Während der Periode der Internationalen Gotik (ca.1380-1440) wurde das Interesse an der Schilderung von Natur auch nördlich der Alpen zum Allgemeingut der Künstler und verdichtete sich zunehmend in zahlreichen L., in denen sich das künstlerische Augenmerk vor allem auf die detailgetreue Behandlung von Pflanzen, Tieren und Architekturelementen bei sonst anfangs noch räumlich unbeholfenen Raumdarstellungen richtet (Meister von Wittingau, Hochaltarretabel der Augustinerchorherrenkirche St. Ägidius zu Wittingau, um 1380/90; Melchior Broederlam, Außenflügel des Kreuzigungsaltar aus der Chartreuse de Champmol, 1394/99; Böhmisch-lombardischer Meister, Monatszyklus im Torre Aquila zu Trient, 1400/07; Oberrheinischer Meister, Frankfurter Paradiesesgärtlein; um 1410; Meister von Flémalle (Robert Campin?), Geburt Christi, 1420/25; Lukas Moser, Magdalenenaltar zu Tiefenbronn, 1432).  Einen großen Fortschritt in der realistischen Erfassung der L. zeigt die franko-flämische bzw. burgundisch-niederländische Buchmalerei im frühen 15. Jh. (Brüder Limburg, Monatszyklus im Très riches heures du Duc de Berry, 1415/16), deren Errungenschaften in der detailfreudigen Behandlung realistischer Beobachtungen alsbald auf die Tafelmalerei (Jan und Hubert van Eyck, Genter Altar, 1432; Hugo van der Goes, Portinari-Altar, 1475; Hans Memling, Ursulaschrein, 1489; Geertgen tot Sint Jans, Johannes in der Wüste, 1490/95; Hieronymus Bosch, Johannes auf Patmos, um 1490/1500; Gerard David, Waldstücke vom Altar mit der Geburt Christi,1510/15 ) übertragen wurden und so die zunehmende Tendenz in der Profanierung der Kunst bewirkten, die wesentlich die Herausbildung der künstlerischen Eigenständigkeit des L. zum Ausgang des MA begünstigte. Konrad Witz hatte bereits 1444 auf diesem Weg mit dem Tafelbild Petri Fischzug des Genfer Petrusaltars einen fundamentalen Beitrag erbracht, indem er erstmals eine topografisch bestimmbare Landschaft mit realistischen Mitteln in die religiöse Darstellung einbezog.




RENAISSANCE: Die italienischen Meister der Renaissance sahen das Problem der perspektivisch erfassten L. klarer als die Maler des Nordens, zumal die wissenschaftlichen Gesetze der ZENTRALPERSPEKTIVE hier von Brunelleschi entdeckt und von Masaccio in den Fresken der Brancaccikapelle (um 1425) erstmals zur Anwendung gebracht wurden.  Die in Florenz entwickelten Perspektivgesetze boten zudem den Ansatz für eine dem renaissancecistischen Ideal und Wirklichkeitssinn entsprechende neue Konzeption der L., wobei gleichzeitig die italienischen Vertreter der Internationalen Gotik noch eingeschränkt vom Raumerlebnis ihr Hauptaugenmerk vorwiegend auf realistische Detailbeobachtungen und stimmungsvoller Lichtbehandlung lenkten (Gentile da Fabriano, Anbetung der Könige, 1423; Pisanello, Vision des hl. Eustachius, um 1435), die dann Fra Filippo Lippi mit der Kenntnis des dreidimensionalen Raumes zu koppeln suchte (Die Anbetung im Walde, 1459). Erst Piero della Francesca gelang es mit der Erkenntnis der LUFTPERSPEKTIVE,  die Summe realistischer Naturerfahrungen, die bislang die Malerei der italienischen Frührenaissance gemacht hatte, wegweisend für die weitere Entwicklung zusammenzufassen (Taufe Christi, um 1440/50; Triumphwagen des Herzogs Federigo da Montefeltro, um 1465/79), so dass um 1475 A. Pollaiuolo endgültig die Vereinheitlichung des perspektivisch gesehenen Landschaftsraumes mit einer topographisch genauen Sicht (Martyrium des hl. Sebastian) gelang. Aber erst in der Zeichenkunst Leonardo da Vincis kehrten sich die bisherigen Verhältnisse zwischen Figur und Landschaft um: Der Mensch wurde nicht länger mehr über die Landschaft dominierend, sondern mitten in ihr oder gar ohne ihn gezeigt. Seine Federzeichnung von 1473  (Florenz, Uffzien) stellt die erste reine L. ohne Menschen dar; eine Neuerung, die vor 1500 allein den graphischen Künsten vorbehalten blieb. In seiner Felsengrottenmadonna (1483/86, Paris, Louvre) erlangen die dargestellten Personen erstmals Bodenhaftung und die Landschaft wird zum Lebensraum des Menschen. Bemerkenswert ist das feinfühlige  Gespür für Licht und Farbe, das uns in der venezianischen Malerei der 2. H. des 15. Jh. vor allem im führenden Landschaftsmaler Giovanni Bellini entgegen tritt, der mit seiner Darstellung von Sonnenauf- und –untergängen erstmals die Tageszeiten zu differenzieren begann (Auferstehung Christi,1475/79, Berlin, SMPK); ihm folgten in der Hochrenaissance  (Das Waldfeuer, ca. 1505), Vittore Carpaccio, Giorgione (Das Gewitter, 1507/08), Tintoretto, Tizian u.a., die besonders die Möglichkeiten der Farbgebung für Naturschilderungen mobilisierten, indem sie Licht- und Stimmungswerte aktivierten und diese dann oft mit ihren Vorstellungen von Arkadien und pastoralen Motiven verbanden (Giorgione, Das Konzert, 1510/11), so dass sie damit schließlich zur Herausbildung des eigenständigen Bildtyps der IDYLLE beitrugen.  In Deutschland formten Dürers aquarellierte Ansichten von Innsbruck (1494/95) einen frühen Höhepunkt der VEDUTE, die als Bildtypus bis ins 19. Jh. hinein mit kartographischen Städtebildern, Stadt- und Architekturansichten sowie PANORAMEN weitergeführt und -entwickelt wurde. Auch der Begriff des Landschaftsmalers wurde von Dürer in den Sprachgebrauch eingeführt. Mit Albrecht Altdorfers Donaulandschaft bei Regensburg (1522/28) brachten die Vertreter der Donauschule nicht nur die erste L. ohne figurale Darstellung hervor, sondern verliehen den individuell und topographisch genau erfassten Schilderungen der Natur eine eigene Bildwürdigkeit, die zugleich ein lebendiges Gespür für deren Stimmungen erkennen ließ. Genau  wie die Niederländer Joachim Patenier (Überfahrt in die Unterwelt, um 1521) oder Pieter Brueghel d. Ä. (Monatsbilder, 1565) drang Altdorfer mit seiner Alexanderschlacht, 1529 zum Typus ÜBERBLICKS- oder WELTLANDSCHAFT vor, der es erlaubte, in metaphorischer Bildsprache kosmische Zusammenhänge der Weltordnung sichtbar  zu machen und die dabei einbezogen Figuren zumeist als Gleichnis für den Lebensweg zu nutzen; eine Bildidee, die bis in die Moderne hinein vielfach variiert wurde (Caspar David Friedrich, Mönch am Meer, 1808/09).




MANIERISMUS: Errungenschaften der realistischen (Schule von Fontainebleau, Landschaft mit Dreschern, 1555/65) wie phantastischen L. (Monsù Desiderio, Die Unterwelt, 1622) verbanden die Künstler oft mit klassizierenden Formen (Paolo Veronese, Auffindung des Moses, um 1570/75) und sie bedienten sich dabei nicht selten antikisierender Dekorationssysteme (Maerten van Heemskerck: Landschaft mit Entführung Helenas, 1535), wobei der hohe Augenpunkt mit einem Prospekt von Hügeln und Felsen auf der einen Seite und dem Meer und der Flussmündung auf der anderen die KAVALIERPERSPEKTIVE  als bevorzugtes Kompositionsprinzip nutzt (Joos de Momper d. J., Alpenlandschaft,um 1620, Kassel, Galerie A.M.). Dabei lässt sich vor allem in der flämischen Kunst sowohl die konsequente Staffelung der deutlich voneinander geschiedenen Bildgründe als auch auf die Orientierung an zwei Sichtachsen beobachten (Paul Bril, Gebirgslandschaft, um 1600, Mainz, Landesmuseum). In Spanien steigerte El Greco die Intensität von Licht und Farbe zur Erzeugung einer apokalyptischen Vision eine Gewitterstimmung bis zu geisterhaft wirkender Expressivität  (Toledo im Gewitter, um 1604/04).


BAROCK: Um 1600 begann in Italien die Entwicklung der klassischen IDEALEN L. bei den in Rom tätigen Künstlern A. Carracci, Domenichino, P. Brill und A. Elsheimer. Ihre Werke zeigen eine klare, lichtgesättigte L. in harmonischer Ruhe (Annibale Carracci, Die Flucht nach Ägypten, um 1600/04), wobei die Idealität dieser Vorstellung ihre Wurzeln in einer klassizierenden, reformerischen Erneuerung des im Manierismus modifizierenden Wirklichkeitsverhältnisses besitzt. Ausgewählte Partien realer Landschaften werden zu einer von streng rationalen Prinzipien bestimmten Komposition vereinigt, die durch einen kulissenhaften Aufbau des Vordergrundes und Fernblick gekennzeichnet ist. Entweder trägt die Einbeziehung pastoraler Staffagen in der arkadischen Szenerie eines locus amoenus zum Eindruck einer Idylle bei oder es dient die Anreicherung der Komposition mit charaktervollen Staffage mächtiger Felsen, Berge und Wasserfälle, klassisch antiker Architekturen sowie mythologischen Gestalten der Erzeugung einer heroischen L. Beide von den in Rom wirkenden französischen Künstlern Nicolas Poussin, Gaspard Dughet und Claude Lorrain gepflegten klassisch-idealen Landschaftstypen wurden später noch vorbildhaft und Stil prägend für die klassizistische Landschaftsmalerei des 18. Jh. und die heroische L. des frühen 19. Jh. Überdies spielte in den damals in Rom und andernorts wirkenden Künstlerkreisen die Lichtbehandlung eine außerordentlich bedeutsame Rolle. Während Claude Lorrain in seinen von lyrischer Stimmung durchfluteten Szenen (Odysseus übergibt Chryseis ihrem Vater, 1646) zu einem feinfühligen Luminarismus vordrang, entwickelte Adam Elsheimer das Nachtstück voller poetischen Lichtzaubers (Die Flucht nach Ägypten, 1609) und der ebenfalls zeitweilig in Rom tätige Flame Peter Paul Rubens entwickelte einen ausgeleuchteten Landschaftsraum, in dem sich in starken Hell-Dunkel-Kontrasten temperamentvoll seine sinnenfrohe Natursicht offenbart (Heimkehr vom Felde, ca. 1640). Demgegenüber zeigen Rembrandts von einem spannungsvollen Hell-Dunkel geprägte Naturschilderungen eine dramatisierende Lichtbehandlung, deren heroisches Pathos oft existenzielle Bedrohung signalisieren (Gewitterlandschaft, um 1637/38) und in Spanien hatte Diego Velazquez mit seinen skizzenhaften Blicken in den Garten der Villa Medici in Rom, I, II, (1649/50) – wohl mit die frühesten a la prima vor der Natur entstandenen L. – zu einer impressionistisch anmutenden Darstellungsweise gefunden. Seine breiteste Entfaltung erlebte die L. dieser Epoche in Holland, denn hier ging diese von zahllosen Meistern gepflegte Bildgattung unter den Bedingungen eines freien Kunstmarktes mit einem ungeheurem Spezialistentum einher, das zu einer starken Differenzierung führte: Winter-, Küsten-, Wald- Mondscheinlandschaft entwickelten sich deshalb neben Städtebildern, Architekturveduten und Seestücken, wobei neben allegorisierenden und moralisierenden Bildmomenten hauptsächlich die realistische Beobachtung der heimatlichen wie ausländischen (Italianisanten, Brasilienbilder von Frans Post) Natur große Aufmerksamkeit erfuhr. Aus der Fülle der in Holland wirkenden Künstler können lediglich einige ihrer Hauptvertreter aufgezählt werden: Jan van Goyen, Hercules Seghers, Philips Koninck, Vermeer van Delft, Ludolf Backhuyzen, Jacob Ruisdael, Salomon Ruysdael, Aert van der Neer, Meindert Hobbema, Albert Cuyp und Jan van der Heyden.  Das während des 17. Jh. voll erwachte Interesse an der topographisch genauen Abschilderung bestimmter Orte in der Druckgraphik (Matthäus Merian, Wilhelm Dilich, Wenzel Hollar) beförderte die Entwicklung der gemalten Stadtansichten. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Italien mit den Städten Rom (Giovanni Paolo Pannini, Giovanni Battista Piranesi) und Venedig (Antonio Canaletto, Bernardo Belotto) zu ausgesprochenen Zentren der europäischen Vedutenmalerei und –graphik, wobei zur schnellen Erreichung größtmöglicher Wirklichkeitstreue einerseits häufig die Camera obscura zum Einsatz kam und andererseits in der Spezialgattung des Capriccio der Phantasie freier Lauf gelassen wurde (Francesco Guardi). Unter dem Eindruck der Entwicklung des Landschaftsgartens erlangt in England die L. nach 1700 eine neue Wertschätzung zur Schilderung sowohl der zahlreich entstehenden Gartenszenen als auch der parkartig überformten heimischen Landschaft, die in den feinfühlig mit atmosphärischer Wirkung ausgestatteten Darstellungen Robert Wilsons einen ihrer Hauptmeister findet (Blick über die Themse bei Richmond Gardens auf Syon House, 1760/70), aber auch von Thomas Gainsborough (Der Erntewagen, um 1767) und den Vertretern der Norwicher Schule vorangetrieben wurde. Zuvor etablierte sich im französischen Rokoko bei Antoine Watteau (Die Überfahrt zur Liebesinsel Cythera, 1717/18),  Jean-Honoré Fragonard (Die Schaukel, 1767) u. a. eine duftig-empfindsame Gestaltungsweise von heiteren Landschaftshintergründen bei deren zahlreichen Genredarstellungen, wobei ihre betont sensualistisch-heitere Farbgebung zur Steigerung des sinnlichen Eindrucks bei den mitunter pikanten erotischen Motiven beiträgt. Der Klassizismus setzte in den Werken von Jacob Philipp Hackert (Flusslandschaft,1805), Salomon Gessner (Die Apfelernte, 1788), Hubert Robert (Phantasiebild von der zerstörten Grande Galerie des Louvre, 1796) u. a. die Schemen der klassischen idealen L. in modifizierter Weise fort, wobei die Typen der arkadischen Idylle in rationalistischer oder empfindsamer Weise neben Motiven heroischer Erhabenheit wirkungsvoll in Szene gesetzt werden.


ROMANTIK und 19. Jahrhundert: Einen neuen Aufschwung erlebte das L. in der deutschen Romantik. Philipp Otto Runge versuchte mit seinen allegorischen Darstellungen die L. im poetisch-religiösen Sinn neu zu begründen und Figur und Landschaft wieder als programmatische Einheit zu sehen (Der Morgen, 1. Fassung, 1808). In Briefen und Aufzeichnungen entwickelte er neben Carl Gustav Carus (Neun Briefe über Landschaftsmalerei, 1831) eine Theorie der romantischen L., doch avancierte Caspar David Friedrich mit seinen poesievollen, stark emotionalen Landschaftsschilderungen, in denen sich sein religiös-pantheistisches Naturverhältnis spiegelt, im Dresdner Kreis – neben dem bereits den malerischen Realismus mit vorbereitenden  Johan Clausen Dahl – zum eigentlichen Hauptvertreter dieser Richtung.  In  der Berliner Szene kommt jene Rolle v. a.  Karl Friedrich Schinkel und Karl Blechen zu, die ein gewissenhaftes Naturstudium zur Voraussetzung ihres Schaffens machten. Letzterer trug nach 1820 mit dazu bei, die Positionen der Romantik allmählich zu überwinden, indem er zu einem  stärker realistisch geprägten Naturverhältnis fand, das schließlich mit einem bemerkenswert skizzierenden Pinselduktus im Freilicht verbunden war, dessen  stark abstrahierender Farbauftrag die beobachteten Szenen  malerisch verdichtete (Sonne über dem Meer, 1829). In dieser Hinsicht die Einzelbeobachtung einer malerischen Idee unterordnend, um die atmosphärische Erscheinung einzufangen, folgte er künstlerischen Bestrebungen, die vorher schon in der englischen L. – besonders bei John Constble – herausgeformt worden waren (Das springende Pferd, um 1824). Mit seinen flüchtigen FREILUFTSKIZZEN, die das Moment der Zeit mit in die L. einbinden, hatte er endgültig in der Geschichte der L. der Pleinair-Methode  international den Weg zu ebnen geholfen und so allmählich das Atelierbild von seiner führenden Position verdrängt. Adolf von Menzel (Hinterhaus und Hof, um 1846) und vor allem die Meister der Schule von Barbizon (Theodore Rousseau, Charles François Dubigny u.a.), die im alltäglichen, intimen und unbedeutend erscheinenden Motiv ihr wichtigstes künstlerisches Betätigungsfeld fanden, folgten ihm in dieser Richtung und leisteten damit einen bedeutsamen Beitrag zur Herausbildung des von Gustav Courbet begründeten Realismus (Die Woge, 1869/70), wo es jenseits von anekdotenhaften Details nur noch um die lebendige Wiedergabe der Natur in einer höchst objektivierenden Form ging, indem die Dynamik der wirkenden Naturkräfte mit spannungsvoller Expressivität vor Augen geführt werden. Von dieser Art der Landschaftsmalerei und dem Streben nach Objektivierung des beobachteten Naturausschnitts führte mit Hilfe der Methode der Freilichtmalerei folgerichtig im Impressionismus die Entwicklung der Landschaftsbeobachtung unter der Bedingung verschiedener Beleuchtungssituationen zur Betonung formal-künstlerischer Einzelaspekte gegenüber der vorher vermeintlich ganzheitlichen Naturbetrachtung.  Eduard Manet (Landhaus in Rueil, 1882), Claude Monet (Impression, Sonnenaufgang, 1872), Camille Pissaro u. a. suchten in ihren konsequent entmythologisierten L. dem flüchtigen Moment der Lichtwirkung eine dauerhafte Präsenz zu verschaffen, indem sie mit strichelnd skizzierender Pinselführung und aufgehellter Palette im dargestellten Wirklichkeitsausschnitt den wechselnden Lichtverhältnissen nachspürten und oft ganze Bildserien schufen (Monets Seerosenbilder), um auf diese Weise mit wissenschaftlicher Objektivität den permanenten Wandel der Lichtwirkung im Beobachtungsobjekt zumindest als Serie festhalten zu können. Dieser Trend zur weiteren Verwissenschaftlichung in der objektivierenden Wiedergabe des Naturausschnitts führte schließlich kurz vor der Jahrhundertwende auf der einen Seite zum Pointillismus/Divisionismus (Paul Signac, Die rote Boje, 1895; Georges Seurat, Sonntagnachmittag auf der Île de Grand Jatte, 1884/86 ), wo sich die Farbe erst im Auge des Betrachters bei entsprechend eingehaltenem Abstand mischt, und auf der anderen zum Postimpressionismus/Nachimpressionismus im Schaffen von Paul Cezanne,(La Montagne Saint-Victoire), Vincent van Gogh (Le Pont de Langlois, 1888), Paul Gaugin (Das Gittertor, 1889) u. a.,  wo sich die vordem lockere Malweise der Formen wieder verfestigt. Gleichzeitig lässt sich ein teilweises Abstrahieren vom Naturvorbild – eine Verflächigung des Raumes – beobachten,  während die Farbe verstärkt zum Träger leidenschaftlichen Gefühls wird.  Diese Tendenz leitete zum Expressionismus über, in dem sich die L. stark von der Wirklichkeit entfernte, denn sie nutzte sie als Ausdrucksmittel erregten subjektiven Empfindens, um den VORSTELLUNGSBILDERN der eigenen Intention eine neue vitale Ursprünglichkeit und Farbenkraft zu verleihen.


20. Jahrhundert: In Deutschland waren es v. a. die Künstler der Brücke (Max Pechstein, Drei Akte in einer Landschaft, 1911; Ernst Ludwig Kirchner, Liegender blauer Akt mit Strohhut; Karl Schmdt-Rottluff, Ernst Heckel. u. a.) und des Blauen Reiters (Franz Marc, Die verzauberte Mühle,1913; Wassily Kandinsky, Straßenszene,1908/10; u. a.), in Frankreich die Fauvisten (Henri Matisse, Blick aus dem Fenster in Tanger, 1913; Maurice Vlaminck u.a.), die der L. neue Ausdruckswerte abgewannen und bevorzugt zu ganz persönlichen Landschaftsauffassungen und –motiven gelangten, bei denen das stilisierte Abbild der Natur zur Visualisierung der eigenen expressiven Gefühlswerte genutzt wurde. In der weiteren Entwicklung der Malerei zeichneten sich seit ca. 1910 eigene Wege zur Abstraktion ab, so dass sich bei den Vertretern von Kubismus (Pablo Picasso, Fabrik in Horta de Ebro, 1909), Futurismus (Umberto Boccioni, Der Lärm der Straße dringt ins Haus, 1912) und anderen Strömungen der Moderne die L. nicht mehr eindeutig ausmachen lässt, denn bei den meisten abstrakt arbeitenden Malern ( z. B. Paul Klee; Ernst Wilhelm Nay, Gebirgslandschaft – Lofoten, 1938) ist nur schwer zu entscheiden, ob deren Werke von der L. oder der Architektur her bestimmt werden. Ihre Bilder sind eher Resultate allgemeiner landschaftlicher Empfindung  und haben sich von der L. im klassischen Sinne als Abbild der realen Umwelt weit entfernt. Gleichwohl lassen sich in der Malerei des 20. Jh. auch gegenläufige Trends beobachten, die an den Grundelementen der realistischen  Wiedergabe des Landschaftsraumes und seiner Naturelemente festhielten, gleichgültig ob sie auf eine phantastische (z. B. Pittura metaphisica, Surrealismus) oder wirklichkeitsnahe Bildsprache (Neue Sachlichkeit, Verismus, magischer Realismus) abzielten. Gerade bei letzteren Strömungen zeigt sich der Versuch, die L. mit traditionellen Mitteln bei gleichzeitig überdeutlicher Schärfe in der Detailbehandlung zu erfassen, so dass zwar den gezeichneten Einzelheiten bei ihrer Einordnung in ein straffes Bildgefüge große Aufmerksamkeit zukommt, doch deren Verselbständigung innerhalb des rationalistisch klar konstruierten Bildgefüges letztlich dadurch verhindert wird, dass sie die neue Natursicht zu einer neuromantisch homogenen, rationalisierten Idylle ausformt (Georg Schrimpf, Staffelsee-Ost, 1926). Bei den Vertretern des Verismus (George Grosz, Metropolis, 1916/17) und des magischen Realismus (Franz Radziwill, Flugzeugabsturz Karl Buchstätters, 1928;) ist zur Unterdrückung des idyllischen Eindrucks diese rationalisierte Natursicht dezidiert mit gesellschaftskritischen Aussagen gekoppelt, welche mitunter bis ins apokalyptisch Visionäre vorzudringen vermögen, um dem Gefühl einer individuellen wie gesellschaftlichen Bedrohung – der erahnten Gefahr des aufkeimenden Totalitarismus im faschistischen System – unter Beibehaltung realistischer Details, doch  mit den Mitteln der Farb- und Lichtverfremdung, Ausdruck zu geben. Sowohl die im Rahmen des sozialistischen Realismus entstandenen L. als auch alle sonstigen Malströmungen des 20. Jahrhunderts, die sich der realistischen Tradition verpflichtet fühlten, bedienten sich in variierender Weise der gesamten Ausdrucksskala realistischer Darstellungsmittel und brachten außer in der Erweiterung der Sujets und Themenstellungen (z. B. Industrielandschaft, Kritische Reflexe auf  die spürbar werdende Landschaftszerstörungen besonders seit den 80er Jahren des 20. Jh.) keine grundsätzlichen Neuerungen im Erfassen der landschaftlichen Umwelt. 

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