PhanLab

Phantastisches Laboratorium

PhanLab

Vorhaben des PhanLab

  • Aufbau einer Bibliothek
  • Entwicklung von Readern und Anthologien zu ausgewählten Subgenres

Science Fiction

Walden TwoScience Fiction ist Unterhaltungstoff – aber nicht nur. Ebenso ist der fiktive Zukunftsroman immer auch die Simulation möglicher Zukünfte. Aus der Perspektive der Politik, der Ökonomie und anverwandter Wissenschaften dienten einige der hier vorgefundenen Stoffe immer auch als Simulation, als Gedankenspiel für die Erprobung harter Theorien. Beispielhafte Prüffelder der Phantasie (Rewitsch) sind Erzählungen wie Atlantis (Platon experimentierte hier mit seinen Vorstellungen über den gerechten Staat), Utopia (Thomas Morus kritisierte damit die herrschenden Verhältnisse seiner Zeit), Micromégas (Voltaire fliegt zum Mond, um mit extraterrestrischen Existenzen die Frage des Verhältnisses von Gott und Gesellschaft zu diskutieren), The Millenium (Upton Sinclairs SF Roman, mit dem er sein politisches End Poverty in California Movement vorbereitete), Walden Two (B.F. Skinner behandelte die Frage möglicher Entwicklungen und/oder Fehlentwicklungen seiner Verhaltenspsychologie/ Behavioral Economics) oder Der Untergang der Stadt Passau (Carl Amery experimentiert mit seinen eigenen Zukunftsängsten und erprobt sein politisches Instrumentarium). In der Nachfolge des utopischen Romans entwickelte sich das Genre Science Fiction im 17. Jahrhundert mit Autoren wie Cyrano de Bergerac, Bernard Mandeville oder Voltaire. Seitdem beschäftigen sich Künstler und Wissenschaftler spekulativ/ fiktional mit Fragen möglicher/ unmöglicher technischer Entwicklungen, künftigen Lebensformen, mit Risiken, Schrecken, aber auch mit den positiven Versprechungen kommender Zeiten. Das Potential der Science Fiction ist also ihr Unterhaltungswert (Science Fiction als Business), der hier aber nur eine Nebenrolle spielt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir dieses Genre produktiv nutzen können, um uns als Gesellschaft über unsere Zukunft zu unterhalten.

Weltbilder

Atlas der WeltbilderWeltbilder sind gleichermassen Voraussetzung und Produkt der Welterschliessung. Die uns bekannten kosmologischen Weltbilder (babylonisch, geozentrisch, heliozentrisch) samt ihrer Erzählungen, Bilder und Werkzeuge (z.B. Google Earth) bilden den Hintergrund (oder die Bühne) unserer eigenen Weltanschauung. Die Schilderungen der normativen oder sich entwickelnden und veränderlichen Verhältnisse leiten unsere Wahrnehmungs- und Handlungsmöglichkeiten. Weltbilder zu erkennen und zu untersuchen ist Bedingung jeder kreativen Welterschliessung und sie bedingt eine individuelle Einbildungskraft. Jede schöpferische Stellungnahme setzt eine solche (orientierende) Position voraus und erschafft sie gleichermassen. Als Ergebnis solch schöpferischer Auseinandersetzungen erhalten wir neue Erzählungen, neue Bilder und Werkzeuge, und so nimmt die Arbeit an unseren Weltbildern kein Ende. Die Arbeit mit Science Fiction verfolgt einen performativen Ansatz. Es geht hier primär nicht um die Entwicklung von Artefakten (oder gar Produkten), sondern um die Suche und Entwicklung von Verhältnissen als performativem Akt. Dystopische Gesellschaftsszenarien, drohende Tyrannen, extraterrestrische Begegnungen mit anderen Lebensformen oder eine den Menschen dominierende technische Intelligenz sind Ergebnisse eines Verfahrens, bei dem wir beobachterabhängige Phänomene (solche in Abhängigkeit unserer eigenen Position) mit beobachterunabhängigen Phänomenen (z.B. die Natur und ihre Gesetze) in einen freien erzählerischen Zusammenhang bringen. Das Erleben der Utopien und phantastischen Erzählungen konstruiert eine soziale Realität, eine sprachlich und bildnerisch vorgestellte phantastische Welt, deren Realität ganz einfach darin besteht, dass wir sie anerkennen. Damit verbunden ist die Anerkennung der Relevanz aller Gedanken zu biologischen, politischen, gesellschaftlichen, technologischen oder religiösen Fragen oder ihren Details. Die Menge an literarischen Stoffen ist unüberschaubar. Das bis heute gesichtete Material belegt eindrucksvoll, dass  neben den selbstbezüglichen Innovationsdiskursen andere Räume entstanden sind und eine nicht geringe Zahl an Menschen diese ganz eigene virtuelle Realität nutzt, um sich über Mögliches und Gewünschtes, aber auch Unmögliches und Ungewünschtes auszutauschen.

Utopie, Science Fiction und ökonomische Zukünfte

PhiloMagOb Individuum oder Gesellschaft, alle denken über Zukunft nach. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Prophetie, Utopie oder Prognose immer dann besonders wichtig wurden, wenn etwas Grosses auf dem Spiel stand. Vorhersagen heisst dann immer auch handeln. Wir nutzen diese Verfahren, um dokumentieren zu können, dass wir die eigene Zukunft oder die unserer Mitmenschen nicht dem blossen Zufall überlassen. Wichtig und entscheidend ist daher auch nicht die Frage, ob die Voraussagen oder Ahnungen eintreffen. Viel wesentlicher erscheint die Frage, was all diese Visionen und Prospektionen in der jeweiligen Gegenwart auszulösen vermögen. Eine scharfe Trennung zwischen dem Orakel, der Utopie und der Prognose scheint angesichts der Praxis weder nützlich noch möglich. So erinnern die Produktvisionen vieler Unternehmen heute mehr an Science Fiction als an klassisches Produktmarketing, wenn vorausschauend über die realen Möglichkeiten von Big Data, Verhaltenstechnologien, Robotik oder Medizin berichtet wird. Wahrscheinlichkeiten, Prospektionen und Visionen verschmelzen in diesem Moment zu einer grossen Erzählung über eine beherrschbare Zukunft. Der Versuch, in die Zukunft zu schauen, ergibt prinzipiell aber nur dann einen Sinn, wenn die Zukunft eben nicht vorhersehbar ist. Es ist daher von Interesse, zu verstehen, auf welche Weise Prophetie, Utopie und Prognose den Menschen therapiert, tröstet, in Sicherheit wiegt oder auch zum sofortigen Handeln anregt.

Die zwei Expeditionen

Science Fiction and EmpireWir erkunden unsere Welt in kleineren und grösseren Expeditionen, wir suchen nach den letzten Antworten, nach dem Ursprung des Universums und des Lebens und seinen Ordnungsprinzipien. Daneben leben wir immer auch entlang den Erfordernissen und Möglichkeiten der eigenen begrenzten Existenz und der Kampf um das nackte Überleben ist in vielen Regionen der Welt immer noch Wirklichkeit. Die erste Welt kennt den Globus recht gut und nutzt ihn weidlich zu ihren Zwecken. Auf die Frage, wie in ferner Zukunft die ganze Welt eine erste Welt sein kann, gibt es zwei Antworten, zwei Wetten, zwei grosse Expeditionen. Die einen setzen auf Wachstum, die anderen auf Mässigung als Mittel der Wahl. Die Frage nach dem richtigen Weg ist Gegenstand vieler Debatten und Streitgespräche. Eine wissenschaftlich gesicherte Antwort gibt es darauf nicht, kann es nicht geben. Die Anhänger der Wachstumsstrategie definieren neue und unbekannte Ziele und fordern Innovationen. Sie finanzieren Asteroidenbergbau, planen Marsexpeditionen (sog. Mars to stay missions), entwickeln intelligente Roboter und experimentieren mit unserer Erbsubstanz. Die anderen denken über Mässigung nach, über Postwachstum, Postmaterialismus und Postknappheit (Post-scarcity Economy). Es sind zwei Expeditionen in zwei unterschiedliche Richtungen und sie verkörpern Existenzweisen, die gleichermassen zwischen Natur und Kultur, dem Irdischen und dem Jenseits, dem Ich und dem Wir oszillieren. Bruno Latour beschrieb in „Wir sind nie modern gewesen“ die Parallelität dieser beiden „Expeditionen“ in seiner symmetrischen Anthropologie und charakterisierte die Konfliktlinien von Wissenschaft, Technologie, Recht, Religion, Wirtschaft und Politik in der modernen Welt, aber auch den evolutionären Modus der Kooperation. Vernünftig betrachtet, müssen wir wohl beide Expeditionen finanzieren und wir brauchen alle Kraft und alle Phantasie, um beide Wege gut zu planen.

Morgen als Mythos

Wir alle beschäftigen uns mit unserer Gegenwart und den Verhältnissen, die uns umgeben. Und indem wir diese Verhältnisse hinnehmen oder verändern, beschäftigen wir uns immer auch mit Zukunft – mit unserer eigenen und der der Anderen. Daneben gibt es die Zukunftsexperten. Politiker, Wissenschafter und viele andere Institutionen befassen sich mit Zukunftsfragen und sie haben daraus ein grosses Geschäft gemacht. Big Business, Big Social (soziale Medien), Big Government, Big Bureaucracy oder Big Data sind Formen von Bigness, der viele Menschen intuitiv misstrauen. Oft, wenn sich die sozialen, technischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse in beunruhigender oder auch vielversprechender Weise zu verändern drohen, wenn sich Infrastrukturen blähen, Privatinteressen aggregieren oder gesellschaftliche Besitzstände in Bewegung kommen, dann reagiert das Genre der Science Fiction auf diese Entwicklungen. Noch häufiger aber nimmt es solche Entwicklungen vorweg. In den Laboratorien der Literaten entstehen dann Zukunftsbilder, Szenarien, Utopien oder dystopische Schreckensgemälde. Sie strapazieren das Vorstellungsvermögen der Leserinnen und Leser, machen Lust auf Morgen oder wecken Befürchtungen. Wir sehen, dass das freie Erdenken von Zukünften eine durchaus ernste Arbeit ist, weil sie dem Menschen Möglichkeitsräume eröffnet. In der Hard Science Fiction (scientific rigor) wird das schöpferische Potential dieser Herangehensweise ebenso deutlich wie im utopischen Weltentwurf, als Überschussprodukt des über sich hinausdenkenden Menschen (Bloch). All diese Stoffe zusammen sind ein Teil des emotionalen, kulturellen 
und sozialen Untergrundes 
unserer Gesellschaft. Alles entspringt der Phantasie, der ungezügelten Vorstellungskraft, dem technisch versierten Kalkül oder dem Witz der AutorInnen und ZeichnerInnen, der FilmemacherInnen, Theaterleute und allgemein, der Kunst.

Phantastisches Labor ZHdK

Das beste Argument für ein Studium der Science Fiction ist sicherlich nicht allein das künstlerische Interesse an dem Genre. Vielmehr ist es wichtig, dass Science Fiction eine kreative Auseinandersetzung mit Zukunft verspricht und eine Plattform sein kann, alle möglichen Zukünfte zu erproben. Albert Einstein bemerkte einmal, wir „sollten nicht davon ausgehen, dass Experten die einzigen sind, die ein Recht darauf haben, sich zu Fragen zu äußern, die die Organisation der Gesellschaft betreffen.““ Das Phantastische Labor soll zwischen Design, Kunst, Literaturwissenschaft und Naturwissenschaft angelegt werden und sich unter Beteiligung der Hochschulen UNIZH, ETHZ und ZHdK Lehre und Forschung entwickeln. Das Labor soll die Departemente Design (Hansuli Matter), Kunst & Medien (Giaco Schiesser), Kulturanalysen & Vermittlung (Christoph Weckerle) und Darstellende Künste & Film (Hartmut Wickert) verbinden und allen Studierenden und Mitarbeitenden als diskursives und szenisches Erprobungslabor für Zukunftsfragen dienen.

Lehr- und Forschungsthemen (work in progress)

Mögliche Kooperationspartner