Die Hochschule ist in Betrieb, das Semester ist eröffnet, der Campus Toni-Areal ist keine Baustelle mehr. Aber was hat dann eigentlich noch diese Baustellen-Bank beim Haupteingang verloren? Hinter der Baustellen-Bank steckt Sebastian Marbacher, Produkt-Designer und Absolvent der Zürcher Hochschule der Künste. Seit 2012 baut er diese Sitzbänke im öffentlichen urbanen Raum. Seine Interventionen geschehen ohne Vorankündigung und beschränken sich fast ausschliesslich auf das Neu-Anordnen von vorhandenen Baumaterialien. Aus dem Verbot «Betreten verboten» wird die Einladung, kurz innezuhalten und im städtischen Alltag zu verweilen. Ein Gespräch.
Wann hast Du die Baustellen-Bank dort errichtet?
Warte, ich muss in meinem Logbuch nachsehen … Am 31. Mai 2014.
Was hat Dich dazu motiviert?
Ich verstehe die Bank als meinen Beitrag, dem Neubau Eigenleben einzuhauchen. Es ist auch eine Erinnerung an die doch etwas zu lang geratene Bauphase, die mich um das Erlebnis gebracht hat, meine letzten Semester in diesem Gebäude zu studieren.
Gibt es nur diese eine Bank, die im Umlauf ist – oder hast Du mehrere Bänke an mehreren Orten stehen?
Momentan sind schweizweit neun Baustellen-Bänke aufgestellt. Gerade bin ich Wien, wo weitere entstehen sollen. Bis heute stand das Guerilla-Möbel an mehr als dreissig Orten.
Wie nahm das Projekt Baustellen-Bank seinen Anfang?
Der öffentliche Raum interessiert mich. Ebenso das Objekt Sitzbank. Eine spanende Herausforderung sehe ich darin, mit den mir verfügbaren Mitteln auf meine Umgebung zu reagieren. Da Baustellen in Zürich so präsent sind, kam ich nicht drum herum, etwas zu machen. Mir gefällt die Ästhetik von Baustellen. Sie verkörpern Veränderung und sind extrem lebendig. Die erste Bank war eine ziemlich spontane Aktion und damals war noch nicht klar, dass mich dieses Objekt über längere Zeit beschäftigen würde.
Und wie ging es dann weiter?
Ich habe dann ganz intuitiv nach Orten Ausschau gehalten, an denen die Bank aufgebaut werden könnte. Am Anfang, 2012 war das, habe ich mich noch nachts an die Baustellen geschlichen. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass sich niemand dafür interessiert, wenn ich vor Ort zugange bin. Und die, die sich interessieren, fragen einfach nach und finden in der Regel gut, was ich da mache. Als ich die Bank vor dem Toni-Areal aufgebaut habe, ist der Wachmann vorbeikommen, hat mir «Guten Abend» gewünscht und ist weitergegangen.
Beobachtest Du Deine Bänke?
Ja, mit grosser Leidenschaft! Wenn die Sitzbank aufgebaut ist, überlasse ich sie sich selbst. Als stiller Beobachter kehre ich dann zu den Orten zurück und halte die Reaktionen der Passanten fotografisch fest. Was passiert mit den Baustellenbänken, wie werden sie genutzt – oder auch nicht? In der Regel gibt es Spuren: Die Menschen hinterlassen Aufkleber, Abfall, Zigarettenstummel, einmal blieb ein Buch liegen, da werden Tags hinterlassen, da wird gesessen, gelegen … Und dann merke ich: Da passiert jetzt etwas, was sonst nicht passieren würde. Das freut mich. Wenn etwas kaputt ist – oder wenn ich derartige Hinweise erhalte – fahre ich hin und repariere die Bank.
Wie lange bleibt so eine Baustellenbank Deiner Erfahrung nach stehen?
Die Bank vor dem Löwenbräu-Areal beispielsweise steht jetzt schon über ein Jahr. Die kürzeste Lebensdauer hatte eine Bank in Luzern, vor dem Bucherer, am Schwanenplatz, wo alle diese Bustouristen ankommen und wieder abgeholt werden. Die Armen stehen sich dort die Füsse in den Bauch … Als die Bank aufgebaut war, ist sie unmittelbar von den Touristen angenommen und benutzt worden – und nach nur einer Stunde kam die Securitas und hat die Bank wieder weggetragen. Aber im Schnitt wird so eine Bank über mehrere Wochen hinweg geduldet und akzeptiert, sowohl von Bauarbeitern als auch anderen Offiziellen. Von der Öffentlichkeit wird sie geschätzt und rege benutzt.
Was glaubst Du: Wie lange überlebt Deine Bank vor dem Toni-Areal? Was hoffst Du, wünscht Du Dir?
Auch ich frage mich, wie lange wird sie wohl noch geduldet wird. Es wäre sehr schön, wenn sie lange da stehen dürfte. Und ich finde auch, dass das der perfekte Ort für eine Bank ist. Der Ort ist recht prominent, aber die Rampe hat mich angezogen. Insgesamt zeigt sich, dass die Bänke inzwischen länger «überleben» als es früher der Fall war. Mit der zunehmenden Erfahrung hat sich die Wahl für den jeweiligen Standort stark verändert. Wie nahe und wie weit von der Bauchstelle muss sie stehen? Ich habe herausgefunden: Wenn sie ein bisschen entfernter steht, hat sie mehr Eigenleben …
Wie geht’s Dir damit, wenn eine Bank über Nacht verschwunden ist?
Das ist eine gute Frage … Einerseits nehme ich mir das Material einfach und darf mir sowieso keinen Anspruch daran erlauben; das Material ist dadurch frei, dass es im öffentlichen Raum bleibt. Doch es gibt Orte, da spüre ich schon ein bisschen Bedauern, wenn die Bank plötzlich weg ist. Wenn die Bank einmal steht, dann gehört sie dort für mich auch hin. Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, ist so eine Bank erst dann spannend, wenn sie auch wieder verschwindet. Wie Baustellen auch. Die Baustellen-Bank ist schon vom Material her nicht so angelegt, dauerhaft zu sein. Wenn sie weg ist, ist das auch ein Zeichen von Reaktion. Am häufigsten frage ich mich: Was haben die Leute gedacht, als sie die Bank weggenommen haben? Was geschieht mit all diesen Bänken?
Jetzt ist das Geheimnis um die Bank vor dem Toni gelüftet. Denkst Du, dass der Umstand, weniger anonym zu sein, Folgen hat?
Das habe ich mich auch schon gefragt … Ich hinterlasse bewusst keine Markierung oder Signatur an meinen Bänken. Ich denke, dass die meisten davon ausgehen, dass diese Bänke von der Baustelle oder von der Stadt, also von offizieller Seite stammen. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Bänke in der Regel lange stehen bleiben. Dieser Trugschluss tarnt oder schützt die Bänke bisher. Aber ja, vielleicht kommen jetzt rechtliche Probleme auf mich zu? Ich weiss es nicht! Bisher habe ich nur positives Feedback, sogar von Bauleitern. Es ist mir nicht wichtig, dass die Leute wissen, vom wem diese Bänke sind. Aber natürlich freut es mich wenn ich Reaktionen darauf bekomme und die Geschichte so auf einer weiteren Ebene Fortsetzung findet.