Im zweiten Teil des Interviews bilanziert Hansuli Matter den Prozess und die Ergebnisse, die mit ODI einhergingen, und schätzt die neue Situation und Wirkung seines Departements ein.
Inwiefern beeinflusst die Infrastruktur auf dem Campus Toni die Betriebskultur?
Ich würde einiges anders machen, wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte: So würde ich mit ODI nicht in der Mitte des Bauprozesses, sondern bereits an dessen Anfang starten. Ich würde zuerst grundsätzlich über die Idee eines Campus nachdenken, über die Kommunikation dort, die Soft Skills, die Betriebskultur – dann erst über infrastrukturelle Bedürfnisse. Zudem würde ich – neben Architekten und Designern – weitere Leute ins Boot holen: vom Theater, aus der Administration, Künstler, Musiker.
Was haben wir uns vergeben?
Ich glaube, der Campus wäre heute viel generischer angelegt, weniger auf die spezifisch individuellen Bedürfnisse einzelner Abteilungen ausgerichtet. Das Haus wäre neutraler gebaut und nicht so sehr nach Disziplinen getrennt. Es gäbe Räume, Ateliers, Werkstätten und Bürozonen in mittlerer Qualität, die flexibler wären. Der Planungsprozess des Toni-Areals hat acht Jahre gedauert, und die Organisation, die uns vor acht Jahren beauftragt hat, ist nicht mehr dieselbe wie damals – die ZHdK verändert sich gerade stark. Die räumliche Aufteilung innerhalb des Hauses entspricht der Denklogik, die aus 36 damals isoliert aufgestellten institutionellen Einheiten heraus entstanden ist. Zum Glück ist diese Denklogik aber nicht einbetoniert – die meisten Wände sind aus Rigips. [lacht]
Ein Jahr vor dem Einzug wurde die räumliche Verteilung noch einmal überprüft. Warst Du damals involviert?
Nein, aber die performativen Bereiche waren teilweise über-, andere unterdotiert. Deshalb mussten tausende Quadratmeter – ich erinnere mich nicht mehr an die genaue Zahl – umgeplant werden. In der Mitte des Bauprozesses war das Grundkonzept von einer rein performativen Hochschule nicht mehr zentral, und man musste eine neue Balance finden. Das Bedürfnis der Departemente, sich zurückzuziehen und ihre Territorien zu eigenen zu erklären, ist heute recht ausgeprägt, weil sie das Gefühl haben, ihre Heimat verloren zu haben. Die Frage ist, ob wir einen Schritt zurückgehen oder einen Schritt nach vorne wagen, um dieses Problem zu lösen.
Produzieren die Allmende eine weitere Unsicherheit – zusätzlich zum Umzug und Neu-Einrichten?
Ja, man muss sich die Allmende erkämpfen, benutzen, zustellen, sich darin ausstellen. Ein Beispiel sind die grossen Schaufenster zu den Gängen, die ich persönlich sehr schätze – aber viele andere Personen verstellen sie sofort mit einigem Aufwand. Vielleicht brächte ODI 2.0. die Möglichkeit, die Fenster zu den Gängen einfach zuzumachen, aber eben auch wieder aufzumachen – als ganz normale Funktionalität. Manchmal genügt das Wissen allein, etwas Bestimmtes tun zu können.
Es gibt ein Bedürfnis nach Brachen, halböffentlichen Räumen, die für spontane Nutzungen zur Verfügung stehen und nicht gebucht werden können. Wie liesse sich diese Forderung umsetzen?
Diese Brachen und halböffentlichen Bereiche existieren bereits. Man muss diese jedoch sichtbar machen, auszeichnen. Die Menschen im Toni-Areal benötigen ein Hilfsmittel, denn sie trauen sich nicht, diese Brachen zu benutzen: was ist Brache, wo ist sie, wie funktioniert das? Auch muss der Zugang zu ungenutzten Räumen niederschwelliger werden – ein Buchungstool oder eine rein physische Auszeichnung wären denkbar.
Wie zufrieden sind Deine Mitarbeitenden mit ihren Arbeitsplätzen?
Wir haben sehr unterschiedliche Feedbacks. Die Studierenden sind glücklich über die Ateliers, die sie benutzen, die Administration hingegen ist sehr unzufrieden. Die Raumhöhe unserer Büro-Cluster ist niedriger als in den anderen Bereichen. Wir sind zudem nicht nur am engsten Lichthof platziert, sondern auch ziemlich weit unten, was lichtmässig schwierig ist, und Konfliktpotenzial schafft. An jedem Tisch sitzen zudem partiell mehrere Personen – das ist eine veritable Übernutzung. Von diesen Mitarbeitenden hört man verständlicherweise kein ‹Hurra›.
Was kann man ändern?
Wir haben in den vergangenen sechs Monaten alternative Szenarien entwickelt, die wir baldmöglichst umsetzen wollen. Ich verstehe die Kritik der Mitarbeitenden, begreife aber auch das FM, die Umnutzungen geordnet und transparent umsetzen wollen. Das Haus hat ja eigentlich genügend Platz, aber in seiner Nutzung weist es die Extreme von Über- und Unternutzung auf. Der Ausgleich muss erst hergestellt werden. Ein Kontingent an nicht im Vorfeld buchbaren Seminarräumen, kurzfristig buchbar, 24/7, wäre zum Beispiel sicher sinnvoll. Zudem muss man die aktuelle Auslastung über das ganze Toni-Areal analysieren: Viele Abteilungen buchen Seminarräume zwei Monate im Voraus – und brauchen die so der Nutzung durch andere entzogenen Räume schlussendlich nicht. Das FM ist gerade dabei, diese Raumnutzungsanalysen herzustellen, und ich bin sehr gespannt, ob sich unsere subjektive Wahrnehmung in den erhobenen Werten wiederspiegelt.
Trotz Eurer Raumschwierigkeiten ist das Departement Design sehr sichtbar im Haus.
Unsere Anmeldezahlen sind merklich gestiegen. Viele Menschen im Haus meinen, der Grund seien die grösseren und besseren Räume, die das Departement Design habe. Zusätzlich waren wir während der Diplomausstellung so präsent, dass einige Personen bemerkten, dass das Toni-Areal nicht eine Kunst-, sondern eine Designhochschule beherberge. Es stimmt, dass wir – gemeinsam mit der Musik – sehr präsent sind. Und das ganz bewusst! Ich wünsche mir dies jedoch für alle Disziplinen. Momentan ist die Sichtbarkeit der einzelnen Disziplinen sehr unregelmässig. So wird beispielsweise die Hyperaura oder die grosse Wand in der Halle mit Video-Installationen, Manifesten oder Kunstinstallationen nur von wenigen Departementen bespielt. Das Design ist recht selbstbewusst unterwegs. Insgesamt muss man jetzt zusehen, dass sich ein Ausgleich herstellt: dass die anderen auch manifester werden – oder wir moderater.
Wo bietet das Toni-Areal Orte der Begegnung, wo Rückzugsmöglichkeiten für Dich?
Mein Büro – eines der wenigen Einzelbüros im Toni-Areal – ist nicht mein eigentlicher Rückzugsort. Hier herrscht die Kultur, dass die Türe offensteht und immer alle hereinkommen können – was auch angenommen wird. Die Türe ist nur zu, wenn vertrauliche Besprechungen stattfinden. Ich würde sagen: Rückzug bieten mir der Dachgarten und der Musikklub. Begegnungen habe ich beim Mittagessen am Stammtisch. Das muss auch nicht lange geplant werden, da findet man immer jemanden. Das ist wie Social-Roulette: mal gucken, wer sich neben mich setzt.