Wiederabdruck aus der Publikation: «Valeries Unterricht in Athen oder Το μάθημα της Βάλερι στην Αθήνα», Sofia Bempeza, Zürich 2014. Produziert im Rahmen der Ausstellung: WIE WIR LEBEN WOLLEN. Kollektive Kämpfe um Care-Arbeit, kuratiert von Katharina Morawek, 11. April – 7. September 2014, Shedhalle Zürich. Die Publikation kann in der Shedhalle bezogen werden.

Sofia Bempeza ist Künstlerin und arbeitet als Unterrichtsassistentin im Bachelor Medien & Kunst, Vertiefung Fotografie, DKM.

Die Killerin des heiligen Kunst-boy [1] befindet sich im Jahre 2014 nach ihrer «Rückkehr ins Leben» in Athen. Am 16. Februar im Obergeschoss des selbst-organisierten Theaters Embros trifft Valerie andere Frauen, Mädels und Jungs, Tanten und Cousins, Mammas und Schwestern, Schwule = die grosse Schwester (in gr.) – der warmer Bruder (in de.); Maskulinos, Femmininos und Neutralos, Liebhaber und Liebhaberinnen, Lieblinge, Schatzis, Babes… 

Auf der graufarbigen Wand des Theaters liest man auf A4 Blättern in schwarzer Schrift:

«girls* / boys* –
unterworfen, dynamisch, lustig, rebellisch, schüchtern, intelligent, ironisch, heuchlerisch, ungeschickt, verängstigt, stürmisch»

«Η ιεραρχική δομή του έμφυλου διαχωρισμού της εργασίας δεν έχει αποσταθεροποιηθεί.»

«The hierarchical structure of the sexual division of labor has not been destabilized»

«The most pornified bodies throughout history: non-human animals, women, children, racialized bodies of the slave, the bodies of young workers and the homosexual body.»
Beatriz Preciado

«Feminismus muss heute über die alten Forderungen der weissen, westlichen und heterosexuellen Frau aus der Mittelschicht nach rechtlicher Gleichstellung weit hinausgehen.»
Luzenir Caixeta

«Das Miteinander als Frauen war nicht genug, wir waren verschieden. Das Zusammensein als lesbische Frauen war nicht genug, wir waren verschieden. Das Zusammensein als schwarze lesbische Frauen war nicht genug, wir waren verschieden. Jede von uns wird ihre eigenen und sehr verschiedenen Bedürfnisse, Ziele und Allianzen haben. Der Überlebenskampf wird einigen von uns zeigen, dass wir uns nicht erlauben dürfen, uns die Definition einfach zu machen, aber auch nicht, uns in einer engen Definition einzusperren. (…) Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir erkennen, dass unser Ort genau das Haus der Differenz sein wird, mehr als die Sicherheit einer spezifischen Verschiedenheit.»
Audre Lorde

«η διαφορά των φύλων ως σχέση»

«the difference between the sexes as state of relation»

«Δεν μπορώ να αποτινάξω το φύλο μου σαν παλιό πουκάμισο, αν υποθέσουμε ότι το επιθυμώ.»
Ελένη Βαρίκα

«We can’t just get rid of our gender like an old t-shirt, even though we might want it.»

«η αορατότητα – η αποπολιτικοποίηση – η κανονικοποίηση της υποταγής»

«die Unsichtbarkeit – die Entpolitisierung – die Kanonisierung der Unterwerfung»

Was machst du hier – Du wahnsinnige, Extremistin, Du müde, umwerfende Attentäterin Valerie an diesem Ort? Was machst du in Athens dionysischen Theaterkabinen?

Valerie ist zurückgekehrt. Sie will von den heutigen Feminist_innen, von Frauen, girls* und boys* lernen. Sie möchte sich updaten. Sie trägt eine blaue Latzhose, eine sogenannte ΣΑΛΟΠΕΤΑ, gespendet von einer Restauratorin des griechischen Kulturministeriums. Auf der linken Hand trägt Valerie einen gelben Handschuh – genau jenen, vor dem sich die meisten ekeln – eben jenen der Putzfrau. Putzfrau meint in Athen oder in Griechenland wort- wörtlich nur eine FRAU. Nun Valerie ist nicht einfach nur da um zu putzen. Sondern sie wird SIE putzen! (Idiomatismus = SIE fertig machen).

Valerie will nicht ihr SCUM Manifesto [2] vortragen. Auf dem Tisch liegen manche Fragmente des Manifestos – als Appetizer, als Feuerholz, als Kennzeichen ihres Spotts.

«The male is a biological accident: the Y (male) gene is an incomplete X (female) gene, that is, it has an incomplete set of chromosomes. In other words, the male is an incomplete female, a walking abortion, aborted at the gene stage.»

«Completely egocentric, unable to relate, empathize or identify, and filled with a vast, pervasive, diffuse sexuality, the male is pyschically passive. He hates his passivity, so he projects it onto women, defines the make»as active, then sets out to prove that he is a Man.»

«Being an incomplete female, the male spends his life attempting to complete himself, to become female.»

«Provide the basis for the male’s major opportunity to control and manipulate – fatherhood.»

«Having no sense of right and wrong, no conscience, which can only stem from having an ability to empathize with others… having no faith in his non-existent self, being unnecessarily competitive, and by nature, unable to co-operate, the male feels a need for external guidance and control. So he created authorities – priests, experts, bosses, leaders, etc – and government.»

Valerie lädt die girls* and boys*, die um ihrem Tisch herumsitzen dazu ein, mit ihr über die ge-gender-te Aufteilung der Hausarbeit (unter Paaren, Familien, Mitbewohner_innen) zu diskutieren. Nun – was sie alles hört und lernt…

Sie hört von der Παστροθοδώρα, einer fleissigen Hausfrau, der Sauber-Theodora!

Schlampe = παστρικιά und Sauber = παστρική; Mit einem oder einem -ιά wechselt SIE von Sauber in Schlampe.

Sie lernte von den τζιιιιζ – Arbeiten, wie das Klo-putzen, den Müll-raus-bringen, die Waschmaschine-bedienen: dieser mechanischen unüberwindlichen Bestie, die so viele tapfere Männer in Athen sowie auf dem Land erschrecken kann.

 «Für wen machst du all dies?», fragte sich selber eine Frau mittleren Alters.

Sie dachte an die Hausarbeit, an diese unsichtbaren, konstant sich wiederholenden Arbeiten: das Kochen, das Bügeln, das Abspüllen, das Staubwischen!

 «Der Haushalt ist ISOLATION» erkannte ihre Nachbarin.

Der Kampf um die Aufteilung der Hausarbeit bzw. der Reproduktionsarbeit hat kein Ende. Eine junge Frau informiert sie, dass unter vielen heterosexuellen jungen Paaren in Griechenland eine Quote bezüglich der Arbeitsteilung im Haushalt als die neue Mode in Beziehungen lanciert wird. Der Deal schreibt vor: 80% Hausarbeit für Frauen und 20% Hausarbeit für Männer. Hausarbeit wird wortwörtlich als Hilfe deklariert. «I am helping you meine Liebe», mit einer männlichen Stimme oder Zunge gesagt – ohne Verhandlung, ohne Feilschen; take it or leave it!

 «Zum Teufel – das macht mich verrückt!» sagt Valerie und wollte ihren Revolver greifen – sie hat nur die Knarre nicht mehr parat.

 […]

Eine junge Frau sagt Valerie, dass sie nicht so feministisch sein darf! Sie darf nicht laut reden, nicht außer sich geraten, nicht zu viel parlieren (wie oftmals bei der Spezie Feminist_innen der Fall ist) sondern einfach was unternehmen, MACHEN. Sie soll nicht rebellisch sein, sie soll nicht von der Norm abweichend handeln und sie soll letztenendes nicht ent-feminisiert oder ent-weiblicht wirken. Valerie lernt jetzt, dass der längst überholte trivial Stereo-Typus der Feministin der 60er Jahre – die mit den haarigen Achseln, die stricken – noch nicht überwunden wurde…

 

[1] «Andy had too much control in my life», Valerie Solanas am 3. Juni 1968 nachdem sie Andy Warhol erschossen hat.

[2] SCUM _ Society for Cutting Up Men // _ Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer von Valerie Solanas (1967)

Foto: Valeries Unterricht in Zürich, Shedhalle 2014
Sofia Bempeza