Beitrag von Philippe Stauffacher, Absolvent Master of Arts in Design, Field of Excellence Ereignis, DDE

Was Opfer von Gewaltverbrechen zu sagen haben, wird oft überhört. Nach ersten betroffenen Reaktionen gilt die mediale Aufmerksamkeit bei einer Berichterstattung oft alleinig den Täter_innen und ihren Taten: Motiv, Strafmass und Herkunft der tatausübenden Personen interessieren mehr als die verheerenden Folgen, welche die Straftaten bei den Opfern hinterlassen. Dabei sind beispielsweise die gesetzlichen Grundlagen für eine ausreichend finanzielle Unterstützung von Opfern von Gewaltverbrechen noch immer ungenügend und erschweren die Arbeit der Opferhilfen massiv. Betroffene Personen, welche die hohen gesetzlichen Anforderungen an die finanziellen Verhältnisse nicht erfüllen, müssen selbst für Rechtsbeistand und Therapie aufkommen.

Ich wollte aufzeigen, wie Ereignis-Design im öffentlichen Raum für Opfer von Gewaltverbrechen sensibilisieren und Öffentlichkeitsarbeit leisten kann. In Anbetracht der hohen Dunkelziffer und der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit, sollten dabei auch gewaltbetroffene Männer im Fokus stehen. Gemeinsam mit der Opferberatung Zürich wurden Klient_innen der Beratungsstelle die Möglichkeit geboten über eine Umfrage anonym ein Statement abzugeben. Zusätzlich führte ich ein Interview mit einer Person aus dem Bekanntenkreis, die während ihrer Kindheit und Jugend Gewalt erfuhr. Zur Ergänzung habe ich in Blogs, Foren, Studien und Interviews recherchiert und Aussagen notiert, redigiert und auf den Kerngehalt gekürzt. Aus dem Interview, der Umfrage und der ergänzenden Recherche entstand ein Katalog von über 114 Statements.

Als nächstes stellte sich die Frage, wie der gesammelte Inhalt adäquat in den öffentlichen Raum getragen werden kann. Welches Format schafft Sensibilität? Welche Form und Vermittlungsstrategie sind für dieses Thema relevant? Die Suche nach einem geeigneten Standort für die Intervention verlief parallel und in Abhängigkeit zu den Überlegungen zum Format. Der wenig bespielte Standort zwischen Bahnhof Hardbrücke und Escher-Wyss-Platz schien deshalb geeignet, weil die Hardbrücke eine wichtige Verkehrsachse der Stadt ist, unter welcher sich Reisende und Ausgehende treffen und Gewaltverbrechen nicht ausbleiben. Das gewählte Format, die Typographie und die Farbigkeit sollten die Statements möglichst klar und nüchtern ins Zentrum rücken.

Viele Passant_innen haben während den zehn Tagen der Intervention die Textbanner gelesen, sich darüber gefreut oder empört, in Gruppen diskutiert, fotografiert, ihre Bilder online geteilt und mit der Opferberatung Zürich oder mir, dem Initiator, das Gespräch gesucht. Personen aus dem Bekanntenkreis erzählten mir plötzlich ihre Geschichten und gaben zugleich zu, dass das Thema für sie zu belastend sei um es öffentlich zu kommentieren oder zu thematisieren. Daraus schliesse ich, dass es mehr Aktionen braucht, die dieses Thema publik machen und diskutieren.

Die Aktion wurde durch die Opferberatung Zürich (OBZH) begleitet und gemeinsam mit der Stadt- und Kantonspolizei Zürich finanziell unterstützt.

Weitere Informationen: http://opferneinestimmegeben.ch

 

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Fotos: Hamid-Reza Khoshmanzar (Khoshmanzar Photography)

Quellen: