Eine Kooperation der Festspiele Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste

Kategorie: Projektbeschrieb

Ausgangslage

«Die Kunstgeschulten beschreiben Dada als ein <Durchgangsstadium> der Künste. Die Journalisten nehmen den Krach, den Dada gemacht hatte, als dessen Inhalt. Die Dadaisten selbst erzählen mit grosser Gewissenhaftigkeit jeder seinen Anteil an Dada mit jener Bescheidenheit, die niemals den Wesensinhalt dieser Bewegung ausmachte. So wurde aus Dada zunächst ein reichlich verschwommenes Spiegelbild seiner selbst. Inzwischen ist selbst dieser Spiegel zerbrochen. Wer immer aber einen Scherben gefunden hat, kann nun aus seiner eigenen ästhetischen, nationalen, kunstgeschichtlichen oder persönlichen Überzeugung und Vorliebe sein Bild von Dada hineinprojizieren. So wurde Dada zum Mythos. Dada aber war eine durchaus reale Begebenheit, die uns ernsthaft und täglich bewegte und keineswegs ein Mythos. Um heute wieder zu erkennen, wie ernst und wie real Dada war, müsste man erst einmal die Spielregeln wiederherstellen, die ein gewisses Mass von historischer Treue gewährleisten.»

Hans Richter

 

Vor hundert Jahren war die Dada-Bewegung in Zürich hochaktuell und verbreitete sich von hier aus epidemisch auf der ganzen Welt. Rund 30 Zürcher Kulturinstitutionen begeben sich im Rahmen der Festspiele Zürich vom 3. – 26. Juni 2016 auf die Spuren von Dada. Jede Institution beleuchtet dabei jeweils eine ihrem Interesse und ihren spezifischen Möglichkeiten entsprechende Facette. So ermöglichen die Festspiele Zürich einen Blick durchs Kaleidoskop der Künste auf Dada – nicht nur auf die historische Bewegung, sondern insbesondere auch auf Dada als kulturen- und zeitenübergreifende Geisteshaltung.

Die Festspiele Zürich involvierte Studierende des Master of Arts in Art Education der Zürcher Hochschule der Künste, um ein Vermittlungsprojekt für die Vielfalt des Dada-Programms der Festspiele Zürich zu erarbeiten. Dabei galt es, die Neugier des Publikums zu wecken, neue Perspektiven zu eröffnen und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Programmpunkten zu ermöglichen.

Inhaltlich diente Hans Richters Spiegelmetapher als Grundlage. Durch die Interpretation des Richter-Zitats suchten die Studierenden eine Form, um die Spannung zwischen Dada heute und Dada damals, zwischen Sinn und Unsinn und zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zu überbrücken. Analog zum Programm der Festspiele insgesamt sollte keine blosse Historienschau entstehen, sondern vielmehr dem Nachwirken von Dada nachgespürt werden.

 

 

Konzept

Grundidee

Für das Vermittlungsprogramm der Festspiele Zürich 2016 «Dada – Zwischen Wahnsinn und Unsinn» entwickeln Studierende der ZHdK Master Art Education vorwiegend akustische Installationen in (halb-)öffentlichen Räumen.

Hans Richters Spiegelmetaphorik zur Dada-Bewegung dient dabei als Ausgangslage und wird auf verschiedenen Ebenen im Vermittlungsprojekt reflektiert. Die Scherben des zerbrochenen Spiegels werden auf räumliche und inhaltliche Aspekte bezogen, um so die Dada-Mythenbildung zu reflektieren, ohne dabei den Mythos selbst zu affirmieren.

 

Ort

Die Vermittlungsorte sind in der Stadt Zürich verstreut, womit auf den räumlichen Aspekt der Spiegelmetapher verwiesen wird. Dabei handelt es sich um sieben ausgewählte WCs, die teilweise zu Festspielorten gehören, teilweise ein bewusst anderes Publikum ansprechen sollen.

An jedem dieser Orte ist eine andere Audio-Installation zu hören. Mit dem Besuch mehrerer Vermittlungsorte kann eine persönliche Wahrnehmung von Dada entstehen, um die Bewegung individuell verhandeln zu können.

Die Idee, (halb-)öffentliche WCs mit Interventionen zu bespielen, ist aus mehreren Beweggründen entstanden: Zum einen sollen die Interventionen das Publikum überraschen, zum anderen benötigen die Eingriffe eine bestimmte Zeitspanne, um ihre Wirkung zu entfalten. Dies ist an wenigen anderen Örtlichkeiten gegeben. Selbst ein schneller Gang auf das WC beansprucht eine bestimmte Verweildauer. Die Beiläufigkeit, aber auch die Intimität dieses Ortes spielen des Weiteren eine zentrale Rolle.

Bespielt werden Dynamo, Gessnerallee, Schiffbau, Tonhalle, Zentralbibliothek, Zunfthaus zur Waage und Zürcher Hochschule der Künste.

 

Medium

Im Dada-Jubiläumsjahr nehmen Bilder im öffentlichen Raum einen hohen Stellenwert ein. Die Entscheidung auf akustischer Ebene zu vermitteln, nimmt Bezug auf den Anfang der Dada-Bewegung, die von Literaten ins Leben gerufen wurde. Es wimmelt von Manifesten, Lamentos, Standpauken und Theatertexten. Die Manifeste und Eigendefinitionen der Dadaist_innen dienen als Ausgangspunkt für eine Audiocollage, die in spielerischer Weise mündliche Statements mit Geräusch- und Rückwärtsaufnahmen koppelt. Die Adaption der Arbeitsweisen der Dadaist_innen wird in diesem Projekt aufgenommen und in einem freien Spiel mit dem Textkorpus in einen zeitgenössischen Kontext verortet und reflektiert. Die gestaltete Audio-Collage spielt mit den einzelnen Buchstücken und ist in sieben Loops arrangiert, um einem repetitiven Moment entgegenzuarbeiten.

 

Interventionen

Inhaltlich manifestiert sich die Spiegelmetaphorik in der Bruchstückhaftigkeit der akustischen Installationen. Der Inhalt kann im dadaistischen Sinn «unsinnig» sein und soll das Publikum weniger erklärend als irritierend beanspruchen.

Die Interventionen entspringen zwei unterschiedlichen Zugängen. Zum einen wird mit historischen Quellen der Dadaist_innen gearbeitet, zum anderen mit zeitgenössischen Interpretationen von Dada im Rahmen der Zürcher Festspiele bzw. des Jubiläums.

Akustische Installation

Historisch: Mittels Cut-up-Technik nach William S. Burroughs werden Fragmente dadaistischer Eigendefinitionen extrahiert und neu zusammengesetzt.

Zeitgenössisch: Rückwärtsaufnahmen von Produktionen der vielfältigen Veranstaltungen werden aufgenommen, um auf das Festspielprogramm zu verweisen und durch Irritation Neugierde zu schaffen.

Visuelle Installation
Spiegel: Auf visueller Ebene wird eine Verbindung sowohl zwischen den Veranstaltungsorten als auch zur Spiegelmetapher von Hans Richter gespannt. Durch das Verfremden der Spiegel soll sich die visuelle Reflexionsebene auf die akustische verlagern.

Signaletik: Die Signaletik der WCs wird durch subtile Eingriffe verändert, um auf die Installationen aufmerksam zu machen.

 

Kommunikation

Auf der Webseite werden alle Versatzstücke des Projekts zusammengeführt. Über eine textliche Ebene werden die bruchstückartigen Bestandteile der Audio-Installation dargelegt, um eine basale Kontextualisierung vorzuschlagen und gleichzeitig die Quellenlage offenzulegen. Die Rubrik Impressionen versammelt Bildmaterial der Interventionen, fängt stimmige Momente ein und macht diese einem breiten Publikum zugänglich. Die Audioebene wird erst am Ende des Projekts involviert, um als Archiv die akustischen Installationen zu erhalten.

Neben weiterführenden Informationen zum Projekt selbst werden auf der Webseite auch die Verantwortlichen des Projekts kenntlich gemacht.