Es braucht einiges an Disziplin, verordnete physiotherapeutische Übungen regelmässig und ausdauernd auszuführen. Ob es der Therapeut überhaupt merkt, wenn ich mal kneife oder es mit der Anzahl der Wiederholungen nicht so genau nehme?
Christoph Bauer und sein Forschungsteam am Bewegungslabor des Departements Gesundheit der ZHAW setzen in der Behandlung von Nackenbeschwerden deshalb mit Erfolg Glühwürmchen und Enten gegen die sinkende Motivation ein.
Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule sind nicht nur auf die Nutzung von Computern und Smartphones zurückzuführen, sondern ein weit verbreitetes Leiden mit vielfältigen Ursachen. Umso erstaunlicher, dass es bislang keine Therapie gab, welche die Bewegungen der Betroffenen präzise misst und damit Fehlhaltungen und auch den Therapieerfolg aufzeigt. Dies hat sich das Forschungsprojekt «Valedo Nackentherapie» zum Ziel gesetzt und ganz raffiniert die Übungen in Computerspiele verpackt.
Gründe genug für Destination Digital, zu einer Exkursion nach Winterthur einzuladen.
Die Teilnehmenden beschäftigen sich in Studium und Beruf mit Game Design, Informatik, Medizin und Sport. Ein Tech-Neck oder Schildkrötenhals, wie ihn Christoph Bauer nennt, ist zum Glück bei niemandem in der Gruppe Beweggrund für diesen Besuch im Labor. Das Interesse gilt zum Beispiel der Gamifikation, der Interaktion Mensch-Maschine oder dem durch Digitalität verursachten Problem, dem wiederum eine digitale Lösung entgegengestellt wird.
Die Augen von Manu, der kurz vor dem Studienbeginn in Game Design steht, blitzen auf, als Martin Weisenhorn das Zusammenspiel zwischen den zwei Lasersendern und dem mit Sensorplatten bestückten Velohelm erläutert. Der Experte für digitale Signalverarbeitung am ISC der School of Engineering der ZHAW erklärt, wie mit dieser Weiterentwicklung der VR-Technologie der Bewegungsradius räumlich erfasst wird. Man sieht diesen Objekten das Prototypische noch an. Aber die Sensoren und Chips der Zukunft liegen schon bereit und machen deutlich, wie smart die Hardware in Zukunft aussehen könnte.
Und schon hat Manu den Helm auf dem Kopf und begleitet den Wichtel bei seinem Waldspaziergang mit der Laterne. Nur im mit langsamen Kopfbewegungen gelenkten Lichtkegel kann er die Glühwürmchen einsammeln, im Dunkeln lauern die Monster und schnappen sie ihm weg. Die Vorstufen, die die Bewegungswissenschaftlerin Bettina Sommer zeigt, verraten, welche Bewegungsschemata hinter der Spieloberfläche versteckt sind. Und tatsächlich macht es weniger Spass, mit den Kopfbewegungen nur der Linie eines Quadrates zu folgen als die Glühwürmchen zu sammeln. Und auch Annina in der Rolle einer Entenmutter, die für ihre hungrigen Kinder nach Brot tauchen muss, ist mit Begeisterung und Konzentration dabei und vergisst dabei vermutlich, dass sie ihrem Therapeuten detaillierte Daten über Qualität und Intensität ihrer Reha liefern würde.
Mit Ende der Projektphase im Mai 2019 steht ein Prototyp zur Verfügung, der in mehreren Kliniken und Physiotherapiepraxen bereits zum Einsatz kam. Neben dem therapeutischen Nutzen und der Einsetzbarkeit sollte dabei auch die Usability und das Interaction Design auf die Probe gestellt werden. Gerade in diesen Bereichen, in denen sich die ZHdK durch Expertise und innovative Ideen auszeichnet, wünschen sich die Forschenden gerne einen vertieften Austausch und weiterbringende Inputs.
Die Projektpartner: Kantonspital Winterthur, Universitätsspital Balgrist, Balgrist move>med, Physiowerk Aadorf, Medbase Winterthur Archhöfe, Hocoma AG.