Dozent 1: Ein ganz erstaunliches Ding, was früher nicht ging – weiss nicht, ob du das Haus in der Ausstellungsstrasse kennst, aber da waren die Räume halt alle zu. Was hier jetzt ist, kann man schon sagen, dass viele Räume abgeschlossen sind, und trotzdem haben alle irgendwie so Fensterchen, wo du reinschauen kannst. Das heisst, du kannst schon so ein bisschen vorbeischleichen und mal reinschauen: Ist die Person sozusagen verfügbar? Darf ich jetzt stören? Das find ich eigentlich ganz spannend. Also, ich find’s ganz gut. Ich bin da sehr … ich habe das auf mich zukommen lassen, ich hab gesagt, ich möcht es einfach erleben, und dieses Erleben ist jetzt im ersten Eindruck extrem positiv.
Dozent 1: Ich find eigentlich eine der Qualitäten im Toni, dass alle Zimmer Fensterchen haben zum Gang und ich kann reinschauen und mir ein Bild machen, was da drin abgeht. Aber ich kann mir auch nicht so ein präzises Bild machen. Das ist ein spannendes Element, was mir aufgefallen ist im Haus, ein Riesenvorteil im Vergleich zum alten Gebäude, wo alle Türen immer zu waren.
Student 1: Aber das ist ein Vorteil für den, der durchläuft. Es ist ein Nachteil für die, die drinsitzen.
Dozent: Das muss man erst mal genauer anschauen und fragen. Aber das finde ich ein spannendes Element an diesem Gebäude, ein Element mit Potenzial.
Student 2: Im alten Gebäude konnte man ja nicht reinschauen, und was dann passiert ist, wenn du zu spät kamst in dein Seminar, bist du reingekommen: Ist nicht meine Klasse, tschuldigung! Jetzt kann man einfach reinschauen.
Student 3: Man ist hier wie im Goldfischglas. Es ist eine Geschmackssache. Ich persönlich find das jetzt nicht so angenehm: Die Schulzimmer, die haben ja alle Riesenfenster. Die gehen ja zum Teil auf den Gang. Und die Leute, die draussen hin und her laufen, die sehen ja immer ins Zimmer. Also, es ist natürlich hell, aber du hast nirgends eine Privatsphäre. Bei uns hat’s Zimmer, wo die Leute Vorhänge reingemacht haben wegen dem. Und auch wenn du eine Arbeit besprechen willst, was doch ein bisschen privater ist, oder wenn du einen Streit austragen willst … Also, es hat einfach extrem wenig Privatsphäre im ganzen Gebäude. Ich finde, es ist auch ein bisschen eine Sozialkontrolle, du musst so ein bisschen immer das Happy Face aufsetzen, weisst du, was ich meine?
Ich: Andere finden es gut, weil du zum Beispiel von aussen sehen kannst: Ist das überhaupt dein Seminar?
Student 3: Jaaaa … aber das ist ja jetzt nicht so ein grosses Problem. Wie oft kommt das denn vor?
Dozent 2: Es ist auch ganz interessant, dass viele Leute nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen in diesem Transparenzregime. Du sitzt in einem Raum – die haben ja alle immer, oder viele haben Fenster auf den Gang. Und du siehst die ganze Zeit Leute, die du kennst, vorbeigehen. Und normalerweise, wenn du jemand siehst, der vorbeigeht, sagst du irgendwie Hallo, mit irgendeiner Geste, dass man sieht, dass man sich gesehen hat. Das kannst du nicht immer machen. Weil die eigentlich nur vorbeigehen, wenn du gerade in einer Diskussion drin bist. Das heisst, du musst irgendwie rausfinden: Wann ist es okay, jemanden zu sehen, aber nicht Hallo zu sagen, und wann ist es nicht okay. Das ist irgendwie unklar, weil es da Situationen schafft, dass man sich eben sieht in einer privaten, in einer geschlossenen Arbeitssituation, die man vorher nie gesehen hat. Da weiss niemand richtig, wie er damit umgehen soll. So was finde ich ganz interessant.
Dozentin: Was man hier vielleicht schon sehen kann: Diese Transparenz kann ja auch als Terror verstanden werden. Und die Strategien, wie man mit dieser Durchsichtigkeit dann umgeht, indem man sich eben allmählich zukleistert.
Oder aber man macht einfach das Licht aus:
Kommentare von Kathrin Passig
In der Sowjetunion
Danke, Barbara, danke, Thomas! Ist beides im Beitrag korrigiert.
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