Mitarbeiter der Verwaltung: Wir haben viele Bereiche, die sind zum Beispiel als Fluchtzonen definiert, auf irgendwelchen Feuerpolizeiplänen rot eingezeichnet. Jetzt kommen unsere Leute und sagen: „Da würden wir gern was machen.“ – Moment! Im Moment eh nicht, weil wir haben keine Zeit, zu überlegen oder zu planen, was geht und was nicht. In einem halben Jahr können wir uns das gern mal anschauen, aber bitte so, dass man vorher drüber redet: Was möchtet ihr machen? Wie kann man’s machen? Jetzt ist es meistens so, die Leute machen einfach was, zum Beispiel beim CreativeCity-Fest, und dann kommen wir und sagen: Das geht nicht! Da müssen wir noch eine bessere Balance finden.
Ich: Ist aber eigentlich auch interessant, wenn man irgendwas Künstlerisches später macht, das schon in der Ausbildung mitzukriegen, dass Veranstaltungen halt ihre eigenen Probleme mit sich bringen.
Das ist noch mal ein anderes Thema: Die Kunst, die wir hier ausbilden, die deckt ja eine unglaublich breite Palette ab. Und ein klassischer Orchestermusiker tickt komplett anders als ein freischaffender Künstler, der das noch mit einem politischen Bezug verbindet. Die unter einen Hut zu bringen in dem Haus, das ist auch nicht ganz trivial. Den einen kann man’s gut erklären. Einem Orchestermusiker kann ich sagen: Es gibt Regeln.“ – „Ja, klar.“ – „Das und das darfst du.“ – „Ja, klar.“ – „Und das und das nicht.“ – „Ja, ist ja logisch. Null Problem.“ Die anderen: „Regeln? Warum? Stört! Unglaublich! Diese Anmassung! Geht doch nicht!“ Die brechen ja die Regeln nur schon, um zu demonstrieren, dass sie frei denken.
Ich hatte vom Besitzer ganz am Anfang mal einen Vorschlag für eine Betriebsordnung. Die haben sie abgeschrieben von einer Betriebsordnung, die sie irgendwo anders hatten, und da hiess es dann: „Fotografieren ist im ganzen Haus verboten.“ Das haben wir inzwischen alles gelöst. Dort war das Lustige einerseits, sie haben sich’s einfach gemacht und das irgendwo abgeschrieben. Andererseits haben sie überhaupt nicht überlegt, warum sie anders unterwegs sind als wir. Wir haben dann rausgefunden: Ein Grund sind Haftungsfragen. Der Eigentümer ist eine Aktiengesellschaft, der ist an der Börse quotiert, der hat eine andere Verantwortung für gewisse Sachen, die in seinem Haus passieren können. Wir sind beim Kanton, wir haben eine andere Optik auf diese Fragen, und eine andere Rechtssituation. Wir können gewisse Sachen machen, die der Eigentümer nur kann, wenn er vorher sicherstellt, dass überall gefragt wurde, dass er das geprüft hat, und, und, und.
Die Eingangshalle beispielsweise, die ist öffentlich. Die gehört nicht uns. Also, uns gehört ja eh nichts, aber die ist nicht mal gemietet, sondern die Eingangshalle gehört der Firma Allreal. Wenn wir jetzt dort eine Performance machen, eine Eröffnung, irgendwas, dann greift das Haftungsrecht des Eigentümers und nicht unseres. Der Eigentümer ist in der Verantwortung, wenn was passiert, und nicht wir. Also müssen wir sicherstellen, wenn wir das die nächsten zwanzig Jahre machen wollen – so lang geht der Mietvertrag – dass wir mit ihm vorher kurz checken: Ist das okay? Wie seht ihr das? Das verlangsamt natürlich den Prozess und bremst die Kunst.
Wie sind da die Grenzen? Einfach genau die Eingangshalle bis zu den Gängen, die da abzweigen? Oder wo endet das Gebiet?
Da gibt’s eine rechtliche Optik, und da gibt’s Pläne dazu, und es ist eingezeichnet.
Und warum ist das so?
Für das zahl ich keine Miete.
Für die Eingangshalle?
Ja.
Warum?
Das stammt noch aus dem ursprünglichen Konzept: Es ist ein öffentliches Haus, und wir mieten einen Teil der Fläche. Also wenn jetzt eben im Museum nicht wir drin wären, sondern Migros, coop oder Aldi, dann muss der Eigentümer abtrennen: Wer ist für was wie verantwortlich? Wer macht Unterhalt, wer putzt das? Faktisch sind die Grenzen fliessend. Faktisch putzen wir, faktisch hängen wir dann die Lampen dort hin, aber rechtlich sind es immer noch die anderen, die da verantwortlich sind. Und das müssen wir jetzt a) grad noch ein bisschen lernen, und b) ist man dran, den Mietvertrag zu überarbeiten und zu bereinigen, damit mal die Realität mit den Papieren übereinstimmt. Das kann man natürlich erst machen, wenn der ganze Rest steht. Vieles ist noch ein bisschen in Mutation.
Es gibt ja die eine Optik: Es passiert irgendwas, und das behindert das Projekt. Und da könnte man sagen: Das ist alles scheisse, und jetzt können wir nicht mehr weitermachen. Oder man kann sagen, das ist super, weil das ist eine Chance, umzuplanen, neues Zeug einzubauen, und im Endergebnis wird’s besser. Weiss nicht, ob du Nassim Taleb kennst, der hat ja nach „Black Swan“ noch ein Buch geschrieben, „Antifragile„. Und die Idee ist ganz grob vereinfacht: Normalerweise hast du irgendein Paket, und da ist was drin, das ist zerbrechlich. Du machst einen Kleber drauf, „Achtung, zerbrechlich“ oder „Nicht schütteln“, sonst geht’s kaputt. Seine Überlegung war dann: Was ist das Gegenteil von zerbrechlich? Normalerweise würde man sagen: nicht zerbrechlich, stabil, geht nicht kaputt. Er sagt, nein, das ist ja nur der Nullpunkt. Das Gegenteil ist: anti-fragil. Also, auf der einen Seite haben wir „zerbrechlich“, in der Mitte haben wir „geht nicht kaputt“ und auf der anderen Seite ist „bitte schütteln, und der Inhalt wird besser“. Die Überlegung hilft mir, wenn irgendwas jetzt passiert, was nicht so sein sollte, wie man sich das erhofft. Dann ist das eine Chance: Vielleicht ergibt sich aus dem wieder was anderes.
Kommentare von Kathrin Passig
In der Sowjetunion
Danke, Barbara, danke, Thomas! Ist beides im Beitrag korrigiert.
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