Wie hier angekündigt, habe ich mich letzte Woche an einem Arbeitsplatz direkt hinter einem Fenster zum Gang angesiedelt und dort etwa anderthalb Stunden lang Daten zum Hineinschauverhalten der Vorbeigehenden erhoben. Mit den wissenschaftlichen Standards des Experiments waren keine Preise zu gewinnen, schon weil ich zwischendrin immer in Gespräche verwickelt wurde oder Bilder von QR-Codes scannenden Menschen im Internet ansehen musste und darüber das Zählen vergass. Ungefähr 57 Menschen gingen in dieser Zeit vorbei, davon schauten 27 in mein Fenster, 24 anderswohin, 3 in ihre Handys und 2 auf Papiere.
Bewohnerinnen des betreffenden Büros habe ich nicht mitgezählt. Wenn man geduldiger und gründlicher wäre als ich, könnte man einen längeren Zeitraum betrachten und dann herausfinden, ob das Geschlecht der Vorbeigehenden eine Rolle spielt, die Uhrzeit (ich hatte das Gefühl, dass es Zeiten des zügigen Herumlaufens und Zeiten des Schlenderns gibt) oder ob Einzelpersonen öfter ins Fenster schauen als Personen, die in Paaren oder Gruppen unterwegs sind. Außerdem verändert die Beobachterin wie immer auch das Beobachtete: Ich musste allen ins Gesicht sehen, um herauszufinden, ob sie in mein Fenster schauen, und ich hatte das Gefühl, dass die Beobachteten meine Blickrichtung aus dem Augenwinkel wahrnahmen und schon deshalb kaum anders konnten, als zu mir hinzusehen. Eigentlich müsste man die Situation also auch noch aus verschiedenen unsichtbaren Beobachterperspektiven vermessen, um mehr herauszufinden. Auch könnte es sich in verschiedenen Bereichen des Gebäudes oder je nach Departement anders verhalten. Genaugenommen muss man die Vorbeigegangenen ausserdem aufhalten und nach Nationalität, Hauptwohnsitz und Migrationsbewegungen befragen, denn es könnte ja sein, dass Deutsche grundsätzlich in alle Fenster starren und Schweizer nicht, oder umgekehrt. Ich empfehle die Einstellung eines hauptberuflichen Beobachtungsbeobachters.