Gebrauchsspuren im Toni-Areal

Ich würde lieber frei sein und nicht sicher sein

A: Wir haben so große Transparente aufgehängt. Irgendein Lustiger hat zwei Buchstaben mit heimgenommen und niemand weiss, wer das gewesen ist. Da bin ich beim Empfang fragen gegangen: Hat irgendeine Kamera das aufgenommen? Und die haben das überprüft: Keine einzige Kamera ist auf den Punkt gerichtet! Also das heisst, man muss immer wieder abwägen: Wie viel will man jetzt kontrollieren, wie viel nicht? Bei der Musik haben wir jetzt einen Vorstoss, dass Schliessfächer und Schlüsselkästen zumindest mit einer Sicherheitskamera ausgerüstet werden, weil es ist halt einfach auch so: In den Schliessfächern hast du teure Instrumente. Und wenn das Gebäude 24 Stunden offen ist und es Möglichkeiten gibt, sich auch ohne Campuskarte sich da hineinzuschleichen, dann wär eine Kamera schon eine gewisse Hürde. Bei den Schliessfächern geht’s jetzt ja auch nicht so sehr um Privatsphäre. Und dann weisst du einfach: Da gibt’s eine Kamera, zu meiner eigenen Sicherheit und von meinen eigenen Sachen. Und auch bei den Schlüsselkästen sind wir jetzt am Schauen, weil dort halt sehr viel Manipulation stattfindet, dass auch das sichergestellt werden kann, dass die Übungsräume abgeschlossen werden können. Das sind so Massnahmen, die mit dem Abwägen zwischen Komfort, Sicherheit und dann auch wieder Privatsphäre zu tun haben.

B: Aber ich glaub, wir würden alle sagen, dass wir hier viel zu sicher sind.

C: Ja, eben! Also mir geht’s auch um das Thema: Alle sagen immer, ja, Sicherheit! Aber was bedeutet das überhaupt? Wie viel hilft so eine Kamera in dem Fall überhaupt? Ich bin jetzt den Sommer in London gewesen …

Alle: Oh, ja, London ist schlimm.

C: Ja, aber ich hab das Gefühl, das Ausmass nimmt auch in Zürich zu. Und ich frag mich halt: Sicherheit versus Freiheit? Grad bei einem Kunstgebäude – ich hätt auch Lust, mal eine Aktion zu machen, die vielleicht auch an der Grenze von der Legalität ist. Nach CreativeCity ist es so gewesen …

B: Die Sicherheitsnahmen während dem CreativeCity-Fest, die waren ja auch ein bisschen übertrieben. Das war fast ein Armeeeinsatz. Vom Aussehen her.

A: Schon während dem Fest?

B: Ja, genau, dass da einfach krass viel Sicherheitspersonal steht. Und für mich geht’s darum, dass ich einfach nicht so gut arbeiten kann, wenn ich so sicher bin. Ich würde lieber frei sein, und nicht sicher sein.

C: Ja, das ist mega so das Thema. Und ich fände es halt ein bisschen spannend, wenn es ein paar Leute gäbe, die Lust hätten, da ein bisschen weiterzudenken und das sichtbar zu machen durch irgendeine Aktion. Dass man sich auch ein bisschen bewusst wird: Hey, man muss das nicht alles selbstverständlich hinnehmen.

D: Man darf das nicht nur auf die Sicherheitsaspekte reduzieren. Es ist das ganze Gebäude.

B: Für mich ist die Sicherheit genau Teil von dem Problem mit dem Gebäude. Es interessiert die nicht, was wir machen, sondern nur, dass wir’s machen. Mit den grossen Fenstern und so, dass sie sehen können, dass wir arbeiten, nicht was wir arbeiten.

A: Mh, das mit den Fenstern, das hat mehr mit der architektonischen Sicht zu tun.

B: Die architektonische Sicht ist … die architektonische Sicht prägt diese Gedanken …

C: Die bestimmt, wie wir uns bewegen …

A: Nein, nein. Die Architektur bestimmt, dass du dich nicht eingeengt fühlst. Dass genug Fenster da sind, damit du weite Räume fühlst und nicht auf klaustrophobische Ideen kommst. Das ist natürlich nicht überall im Haus möglich. Aber der Grundgedanke vor allem der Transparenz ist, dass nicht alles abgeschlossen ist, sondern auch, dass der Ort als Kreativwerkstatt wahrgenommen wird, wo du auch über den Gang laufen kannst und auf einmal siehst: Wow, da sind megacoole Sachen aufgehängt. Also ich nehm das so wahr. Und auch die Einstellung vom Sicherheitspersonal … Wir haben Transparente aufgehängt, die alles andere als polizeilich korrekt sind …

C: Da bin ich megaüberrascht gewesen! Ich hab das megageil gefunden!

A: Einer von der Daru-Wache, der da am Eingang steht, hat mir dann auch gesagt, er findet’s gut, was wir da gemacht haben. Er möchte mich nur darauf aufmerksam machen, das ist polizeilich halt sehr heikel, und wir müssen uns dieses Risikos bewusst sein. Aber die haben das nicht abgenommen. Es ist erst vom Stefan Kreysler abgenommen worden, weil der Infodesk von der Infoveranstaltung dagegen war. Und weil zusätzlich schon zwei Buchstaben gefehlt haben und der Sinn nicht mehr so gut zu erkennen war. Deswegen hat er’s abgenommen. Aber eigentlich ist es akzeptiert worden. Dass die Wände so weiss sind, das hab ich gehört von einem, der den Architekten kennt: Das ist absichtlich so weiss und kalt gemacht worden, damit wir das beleben. Nur wer wehrt sich dagegen? Das Facility Management.

D: Das ist eine ganz grosse Verhinderungspolitik. Ich bin gerade eben wieder an der Tür abgewiesen worden, aus feuerpolizeilichen Gründen.

A: Es ist halt wirklich so. Wir kämpfen halt wirklich in jedem Punkt gegen die Feuerpolizei. In je-dem Punkt.

D. Ein Grossteil von dem Gebäude besteht aus Beton.

A: Es ist wirklich auch was, was mit Bürokratie zu tun hat und weniger mit Sicherheit.

B: Aber Sicherheit ist die Ausrede der Bürokratie in diesem Fall.

A: Aber das Coole, was ich festgestellt hab, ist: Die Leute von der Schule selber kämpfen und verhandeln die ganze Zeit mit der Feuerpolizei. Also der Widerstand kommt hauptsächlich von der Feuerpolizei und nicht von der Hochschule. Was ich zum Beispiel im Departement Musik erlebe: Die Departementsleitung hat sich dafür eingesetzt, dass sogar Unterrichtszimmer zum Üben freigegeben werden. Die sind jetzt am Sonntag zwar gesperrt worden, weil wir megaviel schlechte Erfahrungen in nur einem Monat gesammelt haben. Wir versuchen jetzt, das intern abzuwickeln und mit eigenen Massnahmen rückgängig zu machen. Aber zumindest unser Departementsleiter zeigt sich sehr kooperativ und sehr zugestehend gegen unsere Studierenden.

D: Es stimmt, sobald du in der Hierarchie ein bisschen runterkommst, dann triffst du plötzlich auch sehr viel Verständnis an. Aber die eigentlichen Politiker, sag ich jetzt mal, die offiziellen Gremien, von denen hörst du das nicht.

A: Das ist ja eigentlich recht interessant, weil zumindest das Departement Musik nehm ich als hierarchisches Gebilde wahr, was aber weniger strukturelle Hintergründe hat. Natürlich hat es auch funktionelle Hintergründe: Du musst ja auch irgendwo Grenzen setzen, das Mitspracherecht kannst du nicht überall einbauen. Aber da kommt’s wirklich drauf an, wer in diesen Funktionen ist und wie diese Leute selber die hierarchische Struktur wahrnehmen: Ob sie wirklich drauf beharren, dass sie alle Macht umsetzen, die ihnen zusteht, oder ob sie auch flexibel sind und virtuell trotzdem die Hierarchie so flach wie möglich zu halten versuchen.

B: Aber es ist ja so, dass es jetzt zwei Hierarchien gibt: Die von der Schule und die von der Facility. Das ist nicht dieselbe Sache. Zum Beispiel bei uns im Departement treibt das Pfeifen uns zum Wahnsinn.

A: Das Pfeifen von den Türen oder das Pfeifen von der Lüftung?

B: Von der Lüftung. Wir können da nicht arbeiten. Die Schulleitung ist total damit einverstanden, die wissen auch, dass es so nicht geht. Die können aber nichts für uns tun, weil sie nicht Teil dieser anderen Hierarchie sind.

Ich: Aber das ist noch mal ein drittes Problem. Das hat mit der Hierarchie erst mal nichts zu tun, sondern damit, dass da Sachen schiefgelaufen sind bei der Gebäudetechnik, und dass es sehr lange dauert, das nach und nach zu reparieren. Das ist ausnahmsweise, glaub ich, kein Hierarchieproblem.

B: Nein, aber es ist ein Problem durch diese Trennung. Dass das nicht kommuniziert wird.

A: Wir sind auch in einem Land, das muss auch mal gesagt werden, das hat einen kulturellen Hintergrund: Sachen werden in der Schweiz normalerweise sehr konform gemacht. Man ist immer wieder froh, wenn es ein paar Leute gibt, die auch einfach mal machen, anstatt einfach nur zu sagen, es muss so und so gemacht werden.

E: Es gibt aber einfach keine Möglichkeit, bequem und angstfrei durch einen Amok-Alarm zu gehen. Das wird nicht schöner, wenn die Stimme freundlicher ist, oder? Es bleibt eine beschissene Situation. Ziel ist, dass wir die nicht mehr haben.

C: Aber es ist schon auch spannend, wenn es wirklich so ist, wie der Sicherheitsbeauftragte vorhin gesagt hat, dass aufgrund von dem einen zielgerichteten Gewaltakt auf der Strasse die neuen Sicherheitsbestimmungen eingeführt worden sind …

D: Das ist nicht wahr. Es gibt eine ganze Reihe Gebäude, angefangen in Zug, Zürcher Kantonalbank, Hochbauamt Zürich … da hat das angefangen. Zürich ist relativ spät im Nachvollziehen von Sachen, die andere schon gemacht haben. Zuerst war es vereinzelt bei Verwaltungsgebäuden. Da war früher gar nichts, da hast du einfach reingehen können und jetzt muss da eine Schleuse sein … Das Bundeshaus ist extrem schwach abgesichert im internationalen Vergleich. Und dann hat man für die Schulen so Regelungen beschlossen. Aber das ist eine Serie von Sachen gewesen, das war nicht ein Vorfall. Auch in Deutschland hat’s Fälle gegeben, die dann auch diskutiert worden sind. Das Problem ist einfach, wenn dieses Mindset zu unserem wird: Das geht überhaupt nicht. Also wenn wir nur noch in diesen Kategorien uns bewegen, denken, reden, uns damit befassen, die Sprache verwenden, dann such ich mir eine andere Stelle. Das geht überhaupt nicht.

C: Grad jetzt nach so einem Anlass ist das Thema Amoklauf so präsent, das bestimmt einfach alles. Das ist ja auch schade: Grade nach der Eröffnung war so richtig Schwung drin, und dann …

B: Der Professor Schönberger ist auch schon bei der Ecopop-Diskussion dabei gewesen. Er hat das dann auch recht gut erklärt, aus soziologischer Sicht: Das Gebäude wirkt halt einfach extrem auf die Stadt, auf die gesamte Entwicklung, es übt eine Faszination aus, so ein riesiges Gebäude. Und deshalb kann das halt schon sein … deshalb sind wir gestern davon ausgegangen, dass jemand wirklich mit einem Amoklauf gedroht hat, telefonisch. Das ist das, was wir zumindest gehört haben: ein Drohanruf. Die Schweiz ist da in ihrem Wachstum an einem bestimmten Punkt angekommen, wo sie halt noch nicht dafür gewappnet ist.

C: Ich glaub schon auch, die Struktur und die Infrastruktur im Gebäude beeinflusst das Denken.

E: Ja, ich weiss nicht mal. Ich find’s extrem offen und transparent, immer noch. Das Problem ist für mich wirklich das System, das wir in diesem Haus haben. Das ist das Problem. Das Haus an und für sich find ich nicht das Problem. Das Haus heisst einfach aber auch, da hat der Schönberger recht, dass die Schule dadurch eine unglaubliche Aufmerksamkeit bekommt.

D: Und jetzt noch mal viel mehr Aufmerksamkeit.

E: Und jetzt noch mal auf so eine blöde Art. Die Pädagogische Hochschule Zürich hat genau das gleiche System eingebaut! Zum Glück ist bei denen nie ein Fehlalarm passiert. Da redet man dann auch nicht über das Thema. Wir haben’s jetzt einfach auf dem Tisch.

C: Und ich hab immer gedacht, wenn ich an der PH war: Ach, zum Glück haben wir noch so eine schöne Schule, auch die Atmosphäre, nicht so einen grossen Klotz. Und jetzt …

E: Ich find es immer noch eine schöne Schule. Im Vergleich zur PH.

« »