Ein Beitrag von Tilla Troesch (BA Vermittlung von Kunst und Design, Ästhetische Bildung und Soziokultur)
Hinter verschlossenen Türen liegt ein unerschrockenes Wesen, das friedlich und ohne Ablenkung vor sich hin atmet. Die Räume im Innern produzieren Geräusche und schnauben aus ihren Löchern und so kommt es mir vor, als lebten die Räume. Ich höre zu, ohne dass mir klar wird, woher diese Geräusche stammen könnten. Als Tonigängerin wurden mir diese Geräusche schon zum Alltag – wie die anderen ertrage ich sie oder höre darüber hinweg.
Das leise und gleichsam ohrenbetäubende Pfeiffen lässt keinen Raum zum Abschweifen während der Vorlesungen. Es begleitet mich stetig und ich verachte es, weil es meinen kreativen Gedanken schadet. Dazu summiert sich das Rauschen der Klimaanlage: Der Ersatz für Frischluft in den beengenden Zimmern! Das ist wertvoll bei 52 Kommilitonen, rauchenden Köpfen, in Räumen, die keine Fenster haben, ohne Vorahnung auf das draussen herrschende Wetter.
In der Trockenheit der Räume trinke ich so viele Wasserflaschen leer, dass mein Weg mich oft an das Stille Örtchen führt. Doch das Örtchen wird seinem Namen alles andere als gerecht, denn auch dort herrscht ein stetiges Geräusch. Das Brummen begleitet das Spülgeräusch mit Selbstverständlichkeit in den Abgrund.
Im Entsorgungsraum, den Tüftler und Freunde von Trennmüll kennen, herrschen andere Töne und Temperaturen vor. Nicht einmal die als «wertloser Abfall» betitelten Dinge bekommen in ihrer letzten Wertschätzung die letzte Ruhe. Von Oben brummt es und von Nebenan hämmert es durch die Heizkörper. Dazu kommt noch die bedrückende Hitze in diesem Raum.
Der Vorraum des Kinos gibt die Bühne frei für einen Machtkampf zwischen Aussen- und Innengeräuschen. Von Richtung Warenlift ertönt ein hartnäckiges Zirpen, das dem Raum beinahe einen therapeutischen Touch gibt. Wären da nicht die Stimmen und zuknallenden Türen, die davon ablenken.
Im Treppenhaus nebenan ist es selten menschenleer. Die «Tonigängler» sind nicht sichtbar, aber ihre Gespräche und Treppenlauf-Geräusche hallen durch die verwinkelten Gänge des Graulabyrinths. Die Sensoren, die neben den Türen angebracht sind, sondern ein stetiges Klicken ab. Es klickt wild: die Sensoren scheinen sensible Wesen zu sein.
Unten in den Werkstätten angelangt, gehe ich hinaus in den Zwischenraum vor der Metallwerkstatt. Ich horche, denn ich vermute, dass ich mittlerweile zu einem Geräusche-Finder mutiert bin. Und ich hatte Recht damit, dass das Toni-Biest auch hier unten wütet. Das Geräusch, dass ich orten kann, hat beinahe etwas Wal-Artiges an sich. Ganz tief, von ganz weit unten rührt es her. Wäre der Gang dunkelblau eingefärbt, könnte man meinen, tief im Ozean zu sein.
Verzaubert von all den verschiedenen Geräuschen, die ich finden konnte, reisse ich mich los und nehme den Lift in den 7. Stock. Ich steige aus und werde von knatternden und zitternden Stromkabeln begrüsst. Schnell flüchte ich in unser Seminarzimmer und finde ein bekanntes Rauschen und Pfeiffen vor.
Sag mal, Toni? Bekommst Du Deine Atmung in den Griff – oder werden wir als Deine Geiseln für den Alltag draussen abgehärtet?
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Z-Moduls «Spurensuche im Toni».