Die Dachterrasse ist gewachsen. Um 69 Quadratmeter Garten. Garten, der von den Menschen im Toni-Areal bewirtschaftet werden soll. Ein interdisziplinäres Team aus Studierenden der ZHdK hat am vergangenen Montag zehn Boxen mit Hochbaubeeten aufgebaut – weitere zwei Boxen sind für Kompost da und die letzte Box dient als Werkzeugkiste. «Die versehen wir mit einem Zahlenschloss, damit alle Beet-Betreiber darauf zugreifen können», sagen zwei der Mitglieder aus dem Projektteam, Simon und Manuel.

Nachdem die Initiatoren von «Querbeet» zu Beginn dieser Woche über den E-Mailverteiler dazu aufriefen, sich für die Bepflanzung von «Querbeet» zu bewerben, sind keine 24 Stunden später 18 der 20 Beete nach dem Prinzip «first come, first serve» verteilt. Teams hatten den Vorzug vor Einzelpersonen: «Das ITZ hat ein Beet, die Masterklasse in Rhythmik, die Dachspatzen, die Vertiefung Ereignis im Master Design – Masterstudierende waren bei den Bewerbungen in der Überzahl!» Sie alle sind von nun an dafür zuständig, dass etwas gedeiht und die Kisten nicht vernachlässigt werden.

Auch wenn die sieben Studenten hinter ihrem Projekt stehen, sind sie vom Andrang doch überrascht: «Die meisten, denen wir davon erzählt haben, waren auf Anhieb begeistert. Doch wir konnten uns nicht sicher sein, ob sie die Verantwortung übernehmen wollen, ein solches Beet dann auch zu pflegen.» Überrascht waren sie auch, als das Material angeliefert war und es daran ging, den Garten aufzubauen: «Wir haben uns so verschätzt! Eigentlich wollten wir binnen eines Tages fertig sein …» Und das hat es, anders als die Leichtigkeit des Videos vermitteln mag, drei schweisstreibende, 13-stündige Arbeitstage lang gedauert.

Leere mit Leben füllen, Orte zum Verweilen schaffen

Rahel, die Initiatorin des Projekts, vermisst das Gärtnern, seit sie in Zürich wohnt. Die Schrebergärten, an denen sie auf dem Weg zum Toni vorbeikommt, wecken regelmässig ihren Neid. Die ZHdK-Studierende liebt die Dachterrasse des Toni-Areals. Doch irgendetwas hält sie davon ab, hier oben zu verweilen – ein Garten muss her. So ist die Idee von «Querbeet» geboren. Zwar ist sie gut im Harfenspiel, nicht aber darin, Projekte zu konzipieren und umzusetzen. Also wendet sie sich an das Departement Design und findet Hilfe über den E-Mail-Verteiler. Ende Februar ist das.

Im Nu melden sich Stella, Simon, Manuel und Fabian (Industrial Design) sowie Lucy (Scientific Visualization) bei Rahel. Manuel und Simon über ihre Motivation: «Wir müssen zugeben, dass uns die Tragweite der zeitlichen Auslastung nicht ganz bewusst war zu Beginn. Aber das Interdisziplinäre hat uns gereizt. Es macht total zufrieden, etwas Konkretes zu tun – und nicht nur drüber zu reden.» In einer späteren Projektphase wird noch Samira (Design) dazustossen, die die Gestaltung des Corporate Design von «Querbeet» übernimmt.

Disziplinen vermischen sich

Stolz zeigen mir die beiden das Konzept, das dem Team dazu verholfen hat, ihr Projekt zu verwirklichen. 24 Seiten mit Gliederung, Visualisierungen, Zeitplan, Kostenplan, Visionen und Materialüberblick. «Jeder hat etwas zum Konzept beitragen können.» Sie haben gut und genau geplant, das Konzept musste nur in wenigen Punkten angepasst werden. Während seiner Recherche stösst das Team aus Zufall auf WormUp, ein Unternehmen, das aus dem Inkubator für Cultural Entrepeneurship der ZHdK entstanden ist. WormUp bringt sich in der Kompostierung von «Querbeet» ein – mit Würmern, die den Kompost fressen und das Ausgangsmaterial um 85% reduzieren und in Pflanzendünger umwandeln. Und zuletzt ergibt sich noch eine Zusammenarbeit mit Matthias aus dem BA-Studiengang Cast – er realisiert das Video zum Projekt «Querbeet», das die Idee vermittelt und bewirbt.

Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus der Zusammenarbeit von verschiedenen Disziplinen am Toni etwas Gutes gedeihen kann. «Wir haben viel gelernt!», sagen Manuel und Simon. «Wie schafft man interdisziplinär in einem Team? Wir erklärt man der Grafikerin, dass es so wird, wie wir das wollen – und ihr gleichzeitig ihre gestalterische Freiheit lassen?» Sie hoffen, dass die Grundidee weiterhin trägt: dass auch der Garten eine Bühne für das Knüpfen neuer Bekanntschaften sein wird, woraus wieder interessante Projekte entstehen können.

Organisatorische, rechtliche und finanzielle Hürden

Über den richtigen Standort für die zehn Beete sind sie sich schnell im Klaren. Die nord-östlichste Ecke der Dachterrasse, die bisher besonders leer wirkt: «Und weil dort den ganzen Tag Sonne scheint. Hoffentlich nicht zu stark!» Zunächst gehen sie mit ihrem Konzept zu Hansuli Matter, Leiter des Departement Design. Der findet die Projektidee sehr gelungen und sagt ihnen finanzielle Unterstützung zu.

«Von da an waren die Hürden vor allem bürokratischer Natur.» Der Weg führt sie zu Marco Castellano, Leiter Raum / Bau der ZHdK, und weiter zu Alessandra Zanotelli, der Leiterin im Bereich Services im Facility Management. Sie übernimmt die Verhandlungen mit Allreal . Das Team muss viele Formulare ausfüllen, um die diversen Auflagen zu erfüllen. Die Informationen schiessen aus ihnen heraus: «Maximale Traglast der Dachterrasse ist 500 kg pro qm. Die Beete müssen sturm- und wetterfest sein. Der Mindestabstand zum Geländer muss 2 Meter betragen.» Simon ergänzt: «Die Schule hat mich wirklich überrascht – alle waren uns und unserem Projekt gegenüber sehr positiv gestimmt.»

Der Ernte entgegen

Um zu markieren, wo die Trennlinie zwischen zwei Beeten pro Box verläuft, hat das Team Skylines verschiedener Städte ausgelasert: «Unser Garten ist ein Garten in der Stadt – und hat eine Stadt im Garten. Und so kann man seine Erdbeere vor dem Eifelturm anpflanzen …» Beide lachen. Ein Depot von 50 Franken pro Beet-Betreiber gibt dem Team die Sicherheit, dass die Hobbygärtner es ernst meinen und ihr Beet nicht verwahrlosen lassen. «Allreal hat das Projekt zunächst bis November bewilligt. Dann evaluieren wir das Projekt und sehen wir weiter … »

Ideen für die Zukunft gibt es viele: «Beginnen wollen wir mit einem Eröffnungsfest! Zudem sind Grillabende in Planung … Und toll wären Workshops zum guten Anpflanzen, über Bewässerungssysteme und Vertical Gardening.» Die Zukunftsplanung steht und fällt mit der Zuschussbereitschaft weiterer Sponsoren und Kooperationspartner.

Manuel fasst zusammen: «Es war ein Glücksmoment, als der Garten fertig war und viel besser aussah als in unserer Phantasie» Leinen los für den höchstgelegenen Garten der Stadt Zürich: säen und giessen, grossziehen und jäten. Und mal sehen, was sich neben einer reichen Ernte sonst noch ergibt, wenn die Disziplinen beim Gärtnern ineinandergreifen.

 

Diesen Regeln mussten die Bewerber zustimmen.

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