Arbeiten LIKE A BOSS (Foto: Stephanie Ehrsam)
Die ersten Pläne, die es gab zu diesem Bereich, die haben mir nicht gefallen. Da, wo wir jetzt sitzen, das wäre mein Büro gewesen, das Chefbüro. Und überall da, wo Säulen sind, da wären Wände gewesen. Das heisst, der Bereich wäre strukturiert gewesen in relativ lange, schmale Räume, wo vorne Fenster waren und hinten wär’s schon dunkel gewesen.
Die Idee dahinter war: Wir müssen mit den Räumen die Strukturen abbilden im Departement. Also das heisst, jeder Studiengang hat einen Raum, und wenn’s ein grösserer ist, gibt es dann noch Vertiefungen, und die haben dann irgendwelche Sub-Räume. Und die Vermutung war, so haben wir das vor zweieinhalb, drei Jahren diskutiert: In diesen Räumen werden dann immer ganz viele Leute sein und arbeiten.
Ich hab gesagt: Das glaub ich nicht. Ich selber bin ja kein Spezialist, ich hab mich dann mit zwei, drei ETH-Architekten zusammengesetzt und hab gefragt: Ist das eine kluge Raumaufteilung? Die haben gesagt: Nein, da hinten an der Wand werden die Leute depressiv, weil’s viel zu wenig Licht hat, und da vorne findet eine massive Hierarchisierung statt: Wer vorne am Fenster den Arbeitsplatz hat, der hat’s geschafft. Die haben mir ziemlich massiv davon abgeraten. Dann hab ich für mich entschieden: Wir müssen da noch mal drüber nachdenken.
Erklärungsbedürftig ist ja eigentlich schon der erste Schritt: Warum hat dir das missfallen?
Ich war immer der Meinung, wenn wir hier ins Toni-Areal einziehen, dann ist der grösste Fehler, den man machen kann, so einzuziehen, wie man vorher war. Es wird ja relativ schnell sichtbar, dass das hier total anders ist wie an den dreissig Standorten, die wir vorher hatten. Die Lösung hatte ich auch nicht, ich hatte einfach das Gefühl, die Abteilung Raum Bau hat geschaut: Wie waren die vorher, wie können wir das jetzt irgendwie transferieren?
Ich war der Meinung, dann ist die grösste Chance verspielt. Wenn jetzt mein Job als Departementsleiter wäre, wie ich das auch bei der Eröffnung des Schaudepots gesagt habe, die Organisation voranzubringen, „to move an organisation forward“, dann gibt’s den nächsten Moment, wo das passieren kann, in hundert Jahren. Das war so meine Überlegung. Das heisst, wir müssten eigentlich an diesem Punkt, wo wir hier einziehen, irgendwas anders machen als vorher.
Ich hab dann gesagt: Da gibt’s jetzt einen Stand der Forschung, und jetzt gehen wir mal die Experten fragen, was das heisst. Dann haben wir einen Kleinbus gechartert – ich weiss nicht, wie viele Leute wir waren, so zwanzig, fünfundzwanzig – und sind nach Weil am Rhein gefahren zu Vitra. Ich hab vorher mit denen geredet und gefragt, ob die uns mal erklären können, wie das funktioniert in diesen grossen Strukturen. Die hatten die ZHdK eh auf dem Schirm. Das hat man sofort gemerkt, die wollten in diesen Bereich vorstossen. Also die haben die ganze Pharma, alle Versicherungen, alle Banken eingerichtet. Und die haben gemerkt, das ist spannend, wenn da jetzt Kunsthochschulen in solche Settings gehen, dann interessiert die das. Die haben relativ schnell gesagt, okay, Workshops und so stellen wir zur Verfügung. Und da hat so etwas stattgefunden, also da waren Studiengangsleitende, Sekretariatsleitungen und so weiter …
Aber jetzt nur DKV?
Ja, nur DKV. Die haben angefangen mit einer ganz bewussten Zertrümmerung des Selbstbilds. Da haben wir am Anfang Fragebogen ausgefüllt: Wie viele Sitzungen haben Sie eigentlich pro Tag? Wie viele Sitzungen pro Woche? Wie viele von diesen sind vertraulich, bei wie vielen Sitzungen darf man nicht sehen, mit wem Sie sprechen, und so weiter. Die haben das dann auch vor Ort ausgewertet, immer so hier die Auswertung, da die Pläne, und haben gesagt: Sehr wahrscheinlich haben Sie viel zu viele Sitzungsräume.
Es gab noch einen weiteren crucial moment: Da geht man bei denen ins Grossraumbüro. Das ist so eine Tür, es ist ein bisschen inszeniert, sie sagen dir: Hundertsechzig Leute arbeiten da. Dann machen sie die Tür auf, und dann sind dreissig dort. Dann sagen sie, das ist das Zweite, was Sie falsch gemacht haben. Nicht nur viel zu viel Sitzungsräume, sondern wir wissen – Stand der Forschung – bei einem Expertensystem ist ein Drittel da, ein Viertel da, zwei Drittel weg oder sogar drei Viertel weg. Das heisst also, wenn Sie für jeden einen Arbeitsplatz einplanen, dann ist das gemäss Stand der Forschung völlig falsch.
Und wo sind die Leute alle?
Die sind am Unterrichten, die sind auf Reisen, die sind im Urlaub. Die Leute, die hier arbeiten, das sind keine 9-to-5-Menschen …
Es hat ja auch kaum jemand eine 100%-Stelle im Haus.
Genau. Und dann ging das aber weiter, und sie haben gesagt: Also wenn wir jetzt auf Ihre Pläne schauen, dann haben Sie relativ vielen Leuten ein Zweierbüro gegeben. Einzelbüro hatte nur ich, die anderen hatten Zweierbüros. Und da haben sie gesagt: Es ist einfach erwiesen: Schlechter als ein Zweierbüro kann’s gar nicht sein. Weil in einem Zweierbüro kann ich wirklich nichts anderes tun als dem anderen zuhören. Da ist man lieber mit 20 oder 200 Leuten in einem Raum. Und die konnten das immer alles belegen. Es gibt Geräusch-CDs, die eingespielt werden, dass so ein Hintergrundrauschen stattfindet.
Wir haben das mal geglaubt und akzeptiert und haben gesagt, aha, es geht also nicht mehr um den persönlichen Arbeitsplatz, sondern es geht um Arbeitsmodi, working modes, die heissen: Konzentriert, Sprechen, Telefonieren muss möglich sein, Rumhängen … Das haben wir dann einfach skizziert. Dann haben die wiederum gesagt: Okay, unser Stand der Forschung ist: Je konzentrierter sie arbeiten, umso mehr Leute kann man in einen Raum reinsetzen. Wir waren der Überzeugung, es ist das Gegenteil der Fall: Wer konzentriert arbeitet, der muss hinter sich die Tür zumachen. Und die haben gesagt: Nein, konzentriert arbeiten heisst: Weder reden noch telefonieren, fokussiert sein, da können Sie ganz viele Leute unterbringen.
Und dann war das immer so ein Momentum: Wenn’s wo dicht wurde, dann ist woanders Raum freigeworden. Oder wenn wir gesagt haben: Nicht mehr für alle, dann ist auch wieder Platz freigeworden. Wir hätten so eine Art Forschungsprojekt mit denen machen können, wo Vitra relativ weit gegangen wäre mit der Einrichtung, und dann aber gesagt hat, also dann würden wir gerne alle zwei Wochen mal vorbeikommen und schauen, ob unsere Konzepte funktionieren oder nicht funktionieren. Das liess sich dann nicht realisieren aus unterschiedlichsten Gründen. Die Möbel, die hier noch stehen, sind so leftovers.
Vitra sagt auch, es ist undenkbar, dass da am Fenster fixe Arbeitsplätze sind. Das sind die attraktivsten Plätze, die muss man so nutzen können, dass man da die besten Ideen entwickeln kann. So ist dieses Setting entstanden. Und mit diesem Setting ist mir natürlich schon bewusst geworden, da sind ganz viele Diskurse parallel geschaltet worden, was jetzt meine Überlegung ist dahinter, von Überwachen und Strafen bis zu … Und deshalb haben wir auch diesen Modus, dass wir sagen: Wir probieren das jetzt hier mal ein Jahr aus. Und wenn das am Schluss nicht geht, dann bauen wir all die Wände wieder ein. Also die, die schon mal da waren.
Stimmt, das hast du schon mal erzählt: Dass die da erst gebaut worden sind, und ihr sie dann wieder rausgerissen habt.
Genau. Die waren schon mal da. Dann haben wir sie jetzt wieder weggenommen. Die kann man auch relativ leicht wieder einbauen …
Was war noch mal der Grund, warum die gebaut worden sind, obwohl ihr sie zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr wolltet?
Es war viel billiger. Eine Planänderung in diesem komplexen Prozess ist teurer als die Mauern hinstellen und dann einem sagen, hau die jetzt wieder weg.
Aber der Plan muss danach ja doch noch geändert werden?
Nein, gemäss Plan sind die Mauern da.
Richtige Mauern oder Rigipswände?
Das waren, glaube ich, keine wirklichen Mauern. Deshalb könnte man das auch schnell wieder hinbauen. Also ich kenn ja auch die ZHdK ein bisschen und seh, wie die Räume vorher belegt waren. Das stellt sich jetzt ja immer noch als Realität raus: Es gibt ein paar Peaks, und sonst haben wir aber genau diesen Modus, den die uns da in Weil am Rhein beschrieben haben: Dass Leute einfach kommen und gehen. Ich bin jetzt in diesem Experimentalstadium drin, beobachte das relativ genau, und stell mit Freude fest, es arbeiten auch schon mal Leute hier, die gar nicht vom DKV sind. Man kann so Leuten wie einem Frédéric Martel, wenn der mal in Zürich ist, sagen, ich fänd’s cool, du kämst jetzt hierher arbeiten, und der findet das dann auch cool. Das werden wir jetzt genau anschauen.
Ich hab für mich einfach mal entschieden: So wie der erste Vorschlag war, den find ich nicht gut. Ich konnte das aber nicht wirklich begründen. Nachher war das eigentlich ein Weg, der ist immer relativ breit abgestützt gewesen, die Idee, dass wir das mal ausprobieren. Und ich zwing ja auch keinen. Es gibt Leute, die können hier drin nicht. Es gibt aber noch sehr viele andere Arbeitsplätze im Toni-Areal, das ist eigentlich auch relativ schnell klargeworden. Und ich hab auch so ein bisschen die Wahrnehmung, wenn man mit diesen Raumkonzepten umgehen will, dann gibt es kein Dazwischen. Grossraumstruktur mit persönlichen Arbeitplätzen gleich Callcenter, oder?
Und es sieht halt auch einfach nicht schön aus dann. Du hast keinen Platz, was Schönes zu machen, es ist alles vollgestellt mit Schreibtischen.
Ja. Also hier hab ich jetzt das Gefühl, es ist ein bisschen so eine Grosszügigkeit, oder? Es waren auch schon Leute hier, die haben gesagt: Du Schwein, du hast mehr Platz als wir. Und ich hab gesagt: Nein, ich hab nur weniger Tische reingestellt als ihr. Diese Woche kommt eine hochrangige Delegation des Departements Design und lässt sich mal erklären, was wir hier austesten. Und ich werde auch denen erzählen, das ist einfach der Testbetrieb für ein Jahr. Und hoffe, dass wir zu dem Schluss kommen: Doch, von den Möglichkeiten, die es bietet, ist es gut.
Und jetzt diese Dimension, dass ich natürlich mit diesem roten Sofa Organisationsentwicklung betreiben kann, die interessiert mich als Departementsleiter. Wenn ich das Gefühl hab, dass alle zentralen Themen zur Zeit an der ZHdK irgendwo zwischen Forschung, Lehre und Internationalem liegen, und dass diese Dossiers da gewisse Aufgaben haben, dann sind da eher auch grössere Räume gefragt, wo solche Dinge verhandelt werden können. Ich seh das schon als etwas, was grad zeitgemäss ist für den Prozess, wo das Toni-Areal drinsteckt. Ich seh aber auch, da gibt es verschiedene Interpretationen: Dass ich jetzt am Morgen dasteh und schau, wer kommt zur Arbeit, das musste ich mir auch schon anhören …
Weil du das früher in den geschlossenen Büros gar nicht so genau hättest sehen können?
Ja, oder als hätt ich jetzt aktiv entscheiden können, dass unser Raum hier oben ist.
Ach so, weil du zur Eingangstreppe runterschauen kannst?
Genau.
Das ist doch albern. Das Gebäude hat drei grosse Eingänge, und noch ein paar kleinere.
Ich will sagen, wir werden das jetzt wirklich dieses Jahr durchziehen. Es kommen ja auch immer mal wieder – obwohl das jetzt gar nicht so zu diesem Experiment geworden ist – die Leute von Vitra. Die sind jetzt noch mal hergekommen und haben gesagt: Ihr habt das falsch. Ihr müsst das umstellen. Es wurde nicht so gemacht, wie wir das empfohlen haben.
Jetzt bin ich in Kontakt mit der Kunstsammlung des Kantons. Dass ich sag, da hinten haben wir jetzt eine grosse Wand. Jetzt such ich eine junge Künstlerin, sag, die sollen deren Werk ankaufen, und dann hängen wir das hier an die Wand. Und in einem Jahr tauschen wir das aus. Dann gibt’s ein Kunstförderungsprogramm DKV. Einfach auch, weil’s da halt eine grosse Wand gibt. Ich würd schon das jetzt ein Jahr lang als was sehen, was nicht fertig sein darf.
Und mir macht’s Spass. Ich weiss nicht, ob das egoistisch ist, aber mir liegt das irgendwie. Ich brauch da nicht so stabile Settings, dass ich irgendwo arbeiten kann. Ich werd jetzt dann rausfinden, wie viele Leute unglücklich sind, dass sie diese stabilen Settings nicht haben.
Macht ihr da so was wie Befragungen?
Ich spür das etwas, indem ich seh, wo gibt’s Leute, die sind eigentlich gar nie hier? Oder es gibt auch Leute, die sitzen nur so am … grad neben dem Eingang, damit sie grad wieder rauskönnen oder so. Also ich werd das nicht formalisieren, sondern irgendwie schauen … Alles geht nicht, oder? Am Schluss muss es eine Abwägung sein: Was bringt das dem DKV, der ZHdK? Wo können nicht alle Bedürfnisse befriedigt oder alle Wünsche erfüllt werden?
Also ihr seid zur Forschung zu Vitra zum Workshop gefahren. Weisst du irgendwas von anderen Departementen, ob da auch so was passiert ist?
Also ich hab davon erzählt und gesagt: Die nehmen euch die Angst vor dem Toni-Areal. Das Rektorat ist dann noch mal völlig neu gestaltet worden, da sind auch alle Wände rausgeflogen. Da gibt’s ja auch das eine oder andere Vitra-Möbel, also so diese grossen Alkoven-Sofas …
Mit Alkoven-Sofas meinst du jetzt so was wie das hier?
Ja, da drüben steht ja noch so ein grünes. Das steht auch oben im Rektorat. Die haben relativ schnell gesagt, oder der Thomas Meier, das wär eigentlich etwas, was ihm auch schon immer vorgeschwebt war …
Das Sofa ist sehr gut, das ist ein sehr kluges Möbelstück. Ich wär da nie draufgekommen, dass es fehlt. Aber jetzt, wo es da ist, ist mir klar, dass es vorher gefehlt hat.
Man merkt halt bei den Leuten sofort, die haben eine Forschungsabteilung, oder? Und dann gibt’s nicht – das ist jetzt nur meine Wahrnehmung, nicht erfolgreich war die Zusammenarbeit mit dem Departement Design. Die sind dann auch hingefahren mit der Einstellung, dass sie das eh besser können. Weil sie ja die Spezialisten sind für den Raum, für Möbel und so weiter, das ist so meine Wahrnehmung. Und die sind jetzt nicht glücklich. Meine Interpretation wäre, dass sie das noch etwas radikaler denken müssen. Also wollen sie jetzt ein System haben, wo jeder weiss, hier bin ich? Dann müssten sie das ganz klug machen. Oder ist das ein System, das eher dem hier entspricht? Meine Wahrnehmung ist, sie sind irgendwo so ein bisschen dazwischen zur Zeit.
Das ist auch mein Eindruck. Hab ich auch schon von Leuten gehört. Auch das mit diesen komischen Schiebewägelchen, dass die zur Reviermarkierung benutzt werden. Man stellt das neben den Tisch, und dann heisst das: Das ist jetzt mein Tisch, hier komm ich auch morgen wieder her.
Vitra hätte uns solche Dinger vorgeschlagen. Die waren elegant, klug, das heisst, ein Vitra-Caddy ist elektrifiziert. Das heisst, wenn ich am Morgen mein Laptop rausnehme, ist es aufgeladen und nicht leer. Dann wurde gesagt, ja, könnt ihr haben, aber ihr müsst die kantonale Büromöbelzentrale berücksichtigen, oder wie immer das hiess. Und das waren dann so ganz hässliche Teile. Da hab ich gesagt, die will ich gar nicht haben. Und deshalb gibt’s jetzt da diese Wandschränke. Die ersetzen die. Da hab ich keinen gefragt. Ich hab nur gesagt, das ist so hässlich, das sieht aus wie ein Kühlschrank. Dann hättest du dreissig Kühlschränke im Büro gehabt …
Ich glaub, ich weiss, welche du meinst, ich hab die schon gesehen. Die Designer haben die.
Am alten Standort hab ich gesagt, bringt mir mal einen. Der ist unheimlich schwer. Der verletzt einen. Das wär nicht gegangen.
Hast du damit gerechnet, dass hier so wenig telefoniert wird? Das überrascht mich immer, dass ich hier kaum mal jemanden telefonieren sehe. Es gibt ja ganz viele Telefone, aber die sind nicht in Benutzung.
Ja. Und das wird noch schlimmer werden, weil ab Januar ist ja SIP-Telefonie. Das heisst, du telefonierst über dein Laptop. Dann brauchst du die gelben Kabel nicht mehr …
Moment, gelbe Kabel?
Alles, was da runterkommt. Die gelben Kabel, die da runterkommen, sind ja eigentlich, um das Laptop anzuschliessen, damit du die volle Leistung hast …
Ethernetkabel meinst du?
Ja, das macht aber keiner. Und jetzt werden die aber nur noch gebraucht fürs Telefon. Und im neuen Jahr werden da auch keine Telefone mehr stehen, das heisst, dann können wir diese Kabel da wegnehmen. Für mich ist das teilweise ein Problem. Ich telefonier einfach übers Handy. Wenn du immer wieder mal den Ort wechselst, müsstest du dich theoretisch immer ein- und ausloggen am Telefon. Mach ich nie. Ich hab das so einstellen lassen, wenn jemand anruft auf die Festnetznummer hier, krieg ich ein Mail. Und wenn der was auf die Mailbox spricht, dann krieg ich ein Soundfile, wo ich abhören kann, ob ich da zurückrufe oder nicht. Und ich telefonier relativ viel mit Handy. Dass jetzt die Leute wenig telefonieren, hab ich so noch nicht festgestellt. Aber werd ich mal drauf schauen.
Ich war in einem Büro in einem anderen Departement, wo die Büroanordnung sehr stark die Hierarchie widergespiegelt hat. Die Männer hatten Einzelbüros, weil sie, nehm ich mal an, weiter oben waren in dieser Hierarchie, und alle Frauen sassen davor so callcentermässig aufgereiht. Jetzt kann man natürlich sagen, so wie hier, wo die Hierarchie nicht sichtbar ist, hat man dann auch eine Chance, dass sich das aufs Sozialleben auswirkt. Also, das Abschaffen der innenarchitektonischen Hierarchie führt zu einer Verflachung der tatsächlichen Hierarchie. Man könnte aber auch sagen, in diesem anderen Departement ist es besser, weil da kann man die Hierarchie sofort sehen. Das heisst, man kann das Problem ansprechen und benennen und drüber reden. Während es bei euch ja eher unsichtbar ist. Was kommt dir plausibler vor?
Ich seh das genau so. Dass es irgendwie beide Wege oder beide Sichtweisen gibt. Der erste Planentwurf, den wir hatten, der wäre auch so gewesen. In diesen Zimmerchen wär dann ein Pult gestanden, da wäre dann der Vertiefungsleitende drin gewesen. Und dann hätte es einen grossen Raum gegeben, wo dann wissenschaftliche Mitarbeitende, Dozierende und so weiter gearbeitet hätten. Und ich hätte das hier gehabt, wo wir jetzt sitzen. Ich wollte einerseits raus aus dem Büro. Das hast du nie gesehen, mein Büro im alten Haus, das war so ein Eckbüro, da hab ich mich immer irgendwie ein bisschen abgeschnitten gefühlt. Ich geniess das jetzt unheimlich und hab das Gefühl, das passt gut zum Umgang, den wir miteinander pflegen.
Aber ich bin sicher, es gibt Leute, die fühlen sich jetzt hier drin permanent unter Beobachtung. Die wären viel lieber in einem Büro, wo sie wissen, hier ist es vielleicht jetzt weniger hübsch und kleiner, aber ich bin für mich allein und kann die Türen zumachen. Ich werd mal schauen. Die Schwierigkeit ist, die Leute, die so sind, die kommen gar nicht hier rein. Das wird noch anspruchsvoll sein, sich dem anzunähern. Ich hab da noch nicht die Antwort. Aber es gibt genau die beiden Wege: Alles ganz sichtbar zu machen, dann weiss man, woran man ist. Es gibt ganz wenige Leute, die unterstellen „Das ist alles die totale Kontrolle“, oder dass man permanent nichts anderes zu tun hat als zu schauen: Wer kommt wann?
Und umgekehrt seh ich aber schon auch: Ich hab viele Feedbacks von Leuten, die sagen, es ist super, dass man jetzt mal nicht mit diesen Revieren hier eingezogen ist. Wo dann ganz schnell schon wieder irgendwelche Marken gesetzt worden wären. Da schaut auch Vitra drauf. Wenn sie dieses Projekt gemacht hätten, dann wären die wirklich durchs Büro gegangen und hätten Zeug entfernt. Die hätten gesagt: In dem Bereich kann nicht die Fotografie meines Hundes sein. Geht nicht. Sonst funktioniert unser Konzept nicht mehr.
Und ich denk einfach, es gibt hier keine Lösung. Also keine Lösung im Sinn, dass man sagt: So sind alle glücklich. Sondern es ist so ein Spannungsfeld. Vielleicht gäb’s auch mal Zeiten, wo die ZHdK eher so die kleinen Räume brauchen wird … Jetzt bin ich einfach der Meinung: Die Themen, die wir in den nächsten fünf Jahren behandeln werden, die lassen sich besser in solchen Settings klären, als wenn da zu kleine Einheiten sind.
Ich glaub, was ein Problem ist in den Departementen, die das so halb mitgemacht haben, dass da die Rückzugsorte fehlen. Das ist eine Klage, die hab ich jetzt im Haus schon häufiger gehört. Es gibt einfach ganz wenige Orte so wie eure Polsterkisten da. Dafür muss halt Platz da sein. Wenn du so auf halbem Weg stehenbleibst und ein Grossraumbüro hast, aber eben keine Rückzugsecken, dann sind die Leute unglücklich.
Polsterkiste mit Aussicht
Ja. Das ist ja alles entstanden, weil die bei Vitra haargenau wissen wollten: Wie viele Leute haben wie grosse Pensen in diesem Departement? Und das sind Hochrechnungen, die die gemacht haben. Die haben gesagt: Ihr braucht den Raum da nebenan, wo man das Zeug liegenlassen kann …
Bin ich mir übrigens gar nicht so sicher. Da ist so wenig los in dem Raum …
Jaja, das erstaunt mich auch. Du hast ja auch schon die leeren Gestelle fotografiert da drin, oder? Weil ja überall kein Platz ist im Haus … Aber das sind eigentlich relativ präzise Hochrechnungen, die die gemacht haben. Und wir haben das auch bezahlt. Ganz bewusst. Weil wenn’s nicht funktioniert, dann geh ich wieder zu Vitra und sag: Euer Konzept, für das ich Geld bezahlt hab, funktioniert nicht.
Kannst du das sagen? Grössenordnungsmässig, was so was kostet?
So ein Workshop, was hat das gekostet, ich weiss gar nicht mehr … Ein ganztägiger Workshop mit Essen und allem, zwei, dreitausend Franken …
Kommt mir wie ein gutes Geschäft vor.
Vielleicht hatten die damals den Plan, sie können das ganze Toni-Areal ausstatten oder so. So genau weiss ich’s nicht mehr, aber es waren bezahlbare Preise. Wir sind da hingegangen, weil wir von denen was wollten. Die konnten was, was wir nicht konnten, und das wollten wir von denen haben. Das sollte transparent sein: Wir kaufen das ein, können aber auch auch sagen, wenn’s nicht funktioniert, dass wir damit nicht zufrieden sind.
Wenn die Leute sich beschweren, dass sie sich beobachtet fühlen, oder dass andere sich beobachtet fühlen könnten – um welche Art von Beobachtung geht’s da eigentlich genau? Mir ist das immer nicht ganz klar, weil du ja bei Wissensarbeitern eh nicht sehen kannst, was die machen. Erfährst du da was drüber, was konkret gemeint ist?
Ich hab nur Vermutungen. Es gibt gewisse Leute, denen ist das völlig egal. Die wissen auch, mir ist das völlig egal, ob die jetzt zu Hause arbeiten oder nicht, die sollen einfach ihren Job machen. Zur Zeit seh ich es eher auf der Ebene der Präsenz. Man ist da, also, da sein heisst, man arbeitet. Ich glaub das keine Sekunde. Du kannst da sein und Teleshopping oder sonstwas betreiben. Das sind so alte Bilder und Muster …
Und es kann wiederum sein, dass dieses Shopping Teil deiner Arbeit ist, und die anderen das nur nicht wissen.
Da müsste man ja eigentlich so Fähnchen haben am Tisch: „Arbeite gerade für die ZHdK“, oder „für irgendwas anderes“. Vielleicht wird sich das auch legen. Ich hab eher das Gefühl, das würde man viel besser wahrnehmen, wenn du ein Einzelbüro hast, ob du da drin sitzt oder nicht da drin sitzt.
Natürlich nur, wenn so Fensterchen in den Türen sind, so wie hier.
Ja, klar. Aber man kann nicht sagen, mit Einzelbüros wäre das eigentlich gelöst.
Insofern ist es total sinnvoll, dass ihr diese zwei Räume habt, auch wenn der andere nicht so intensiv genutzt wird. Weil es dann ja immer sein kann, dass man in dem anderen ist.
Genau. Ich hab dann am Anfang noch gedacht, wir führen jetzt noch einen Chatclient ein. Dann kann ich immer sagen, bin jetzt grad da, bin dort, wenn ich beim Chat eingeloggt bin, wissen die Leute, ich bin im Haus. Das geht aber nicht. In Hongkong kein Problem. Aber hier an der ZHdK, da sieht man, oder will man sehen, jetzt geht’s wirklich um Kontrolle. Ist der hier? Wer will wissen, wo der grad sitzt?
Also ich kenn das ja eher so von den Freiberuflern und aus Coworkingspaces, dass man im Chat sowieso rund um die Uhr anwesend ist und man die Leute dann fragt, ob sie vor Ort sind, wenn man das wissen will.
Ja. Ich würd’s eher umgekehrt sehen: Ich biete an, ich bin da. Aber das werd ich nicht machen. Weil der Chatclient auch nicht gut ist, den sie hier zur Verfügung stellen. Der ist viel zu kompliziert.
Ok! Keine weiteren Fragen. Danke für deine Zeit, und danke, dass du uns alle in deinem Eckbüro wohnen lässt.