Archiv des Autors: bignatomschin

Platsch

Da Heiss Am Pool. Kein Kind. Auf. Zu. Heiss Hell. Auf. Zu.

Spritz Laut Platsch. Nichts. Nichts. Nichts. Ich. Da. Lieg Brach Am Pool. Tropf Platsch. Denk Denk. Netz. Netz im Pool. Blau Gelb. Ist Blau. Hopp Hopp. Weit Weg.

Im Kopf. Auf. Zu. Nichts. Es Kriecht. Ist tot. Klein Hängt. Ist Nichts Ist Tot. Nass Im Kopf. Da. Dort. Stinkt. Spritzt. Weg. Weit Weg.

Ist Da. Spinnt Netz. Kommt Nah. Jetzt Weg. Steh Auf. Im Pool. Sink Ab. Am Grund. Weit Weg. Auf. Zu.

Die Wasserspinne

Abwechselnd öffnet und schliesst sie die Augen und kann sich nicht entscheiden was schlimmer ist: Die Fratzen der Kinder oder nur ihr tosendes Gelächter. Das Sonnenlicht brennt in den Augen, genauso wie das klebrige blau des Wassers, doch sobald Maria die Augen schließt, ist sie umhüllt von den Stimmen, diesen schrillen, spitzen Kinderstimmen. Von weiter weg Gymnastikmusik dann und wann ein ermunterndes „Hopp, und noch mal von vorn“. Hell – Laut – Hell – Laut – Hell – Laut. Maria entscheidet sich trotzdem für die Dunkelheit.

 

Noch letztes Jahr ist sie eine von ihnen gewesen, hatte Marco Polo gerufen und sich den Kopf an Swimmingpoolrändern angeschlagen. Wieviel schwerer plötzlich alles ist. Die Wohnwagen haben den Charme verloren, die Möglichkeiten der Unternehmungen lähmen sie. Die öffentlichen Toiletten auf dem Campingplatz stinken, überall sind die Wände zu nah. Hitze. Leere. Drückende Hitze. Zykaden. Eine Zeitschrift. Ein Volleyball. Ein Kaugummi.

 

Maria versucht die Augen noch fester zusammenzudrücken, so daß kein einziger Funke der grausamen Augustsonne durchringen kann. Sie wünscht sich eine dunkle Höhle, Stein und Dunkelheit, unveränderlich. So dunkel wär’s da, dass alles abfallen und sich in mikroskopisch kleine Teilchen in der Weite verlieren würde. Dann würde es von der Decke tropfen und Tropfsteine würden entstehen und das wäre alles unbedeutend und langsam und schön. Ein Spritzer – Ein Kind ist vom Einmetersprungbrett gesprungen. Mit der Hand wischt Maria über das fast trockene Bikini, darunter zeichnen sich ganz leicht die Brustwarzen ab, diese verräterischen Brustwarzen, auch die waren letztes Jahr noch nicht da. Vielleicht nochmals schnell abtauchen, die Hitze wird unerträglich.

 

Die Wasserspinne (Argyroneta aquatica) ist die einzige Spinnenart, die unter Wasser überleben kann. Vom Aussterben bedroht steht sie auf der «roten Liste der gefährdeten Arten». Ihr Lebensraum sind Kleinstgewässer, Tümpel und Abzugsgräben. Heutzutage findet man die Wasserspinne nur noch in sehr abgelegenen Moorgebieten vor.

 

Wenn sie nur ihren I-Pod mitgenommen hätte, aber jetzt nochmals zurückzugehen ist unvorstellbar, zu heiß einerseits, andererseits liegt der Vater wahrscheinlich schnarchend auf dem Liegestuhl vor dem Wohnwagen. Der dicke Bauch hebt und senkt sich langsam im Rhythmus der Lüftungsanlage, die stetig jede Bewegung untermalt. Gänsehaut. Die Wassertropfen bleiben an den Häärchen hängen, glänzen im Sonnenlicht. Lieber denkt sie an die Maus, die wohl immer noch genau gleich in der Schublade unter dem Herd hängt. Heute die Fratzen, gestern die tote Maus und sie weiss genau, was ihr lieber ist.

 

Es sind doch Sommerferien. Als wäre das Grund genug sich zu betätigen, zu beschäftigen, die Entspannung als Volkssport. Maria schüttelt ganz langsam den Kopf. Die Mutter geht wieder zur Gymnastik, die Pause ging nur fünf Minuten. Der Kaugummi zerplatzt und ein paar klebrige Fäden bleiben auf der Wange hängen.

 

Eine Art Taucherglocke ermöglicht der Wasserspinne über einen Tag lang ohne Sauerstoff unter Wasser bleiben zu können. Im Uferbereich spinnt sie ein dichtes Netz, mit welchem sie durch ruckartiges Untertauchen eine Luftblase erstellen kann. Diese Blase funktioniert danach als Wohnglocke. Die Wasserspinne ist keine aktive Jägerin. Um die Taucherglocke befinden sich Signalfäden, werden diese von einer Beute berührt, stürzt die Spinne aus ihrer Blase und injiziert ihr Gift. Sie zieht die Beute in die Taucherglocke und saugt sie aus.

 

Maria versucht jeden Zeh einzeln zu bewegen, wie kleine Tierchen kleben sie an ihren Füssen. Wenn sie die Augen öffnet, sieht sie zwischendurch, sieht das Plantschen, die Gummireifen, ein Ellbogen in einem Gesicht, ein Mädchen beginnt zu weinen. Jemand musste wohl im falschen Moment die Backofentüre auf- oder zugemacht haben. Nur der Körper der Maus war noch zu sehen gewesen, der Kopf war irgendwo in einer Zwischenebene eingeklemmt. Guillotine. „Und eins, und zwei, und die ganze Übung noch einmal von vorn“. Weit weg, jetzt kommt niemand mehr. Der Lack an den Nägeln blättert langsam. Violett. Zurück, zurück in die Höhle. Unsichtbar.

 

Die Wasserspinne hält sich so lange wie möglich an ein und dem selben Ort auf, sofern die Umweltfaktoren stimmen und regelmässig Beute zur Verfügung steht. In kalten Wintern friert die Wasserspinne zusammen mit ihrer Glocke in einer Winterstarre ein. Die Lebensfunktionen werden auf ein Minimum zurückgefahren. Nur sehr wenig Sauerstoff wird von der Blase aus dem Wasser aufgenommen.

 

Das Aufstehen macht schwindlig. Unter den Füssen ein Geräusch wie ein Saugnapf. Eintauchen, zuerst nur eine Zehenspitze, es folgt ein Fuss und ein zweiter, dann der Rest. Abtauchen. Umgeben von Wasser, die Geräusche hohl und fremd. Dann Ausatmen in kleinen Blasen, sie steigen, der Körper sinkt in Zeitlupe. Die strampelnden Beine entfernen sich, der Kopf ist leer. Am Grund sitzen bleiben, die letzten Blasen. Augen zu.

 

 

Pool

Eine Kurzgeschichte ausgehend von einer Figur: Eingebettet in ein äußeres Milieu, ergibt sich die Handlung durch die Fantasie und die Gedanken der Hauptfigur. Der einzige Anhaltspunkt von außen ist der Pool und ein unwichtiges Ereignis.

Die Gedanken ziehen sich wie eine Art Spinnenetz über Maria zusammen, verflechten sich, werden mal zu Träumen, mal zu Erinnerungen. Ein fragmentarischer Sommertag an dessen Ende ein neuer Lebensabschnitt steht.

Die Form wird sich ergeben.

 

Entwurf eines Anfangs

Abwechselnd öffnete und schloß Maria die Augen und konnte sich nicht entscheiden was schlimmer war: Die Fratzen der spielenden Kinder oder nur ihr tosendes Gelächter. Das gleißende Sonnenlicht brannte in den Augen, genauso wie das klebrige blau des Wassers, doch sobald sie die Augen schloß, war sie umhüllt von den Stimmen, diesen schrillen, spitzen Kinderstimmen. Von weiter weg Gymnastikmusik und dann und wann ein ermunterndes „Hopp, und noch mal von vorn“ – Auch die Mütter mußten beschäftigt werden. Maria entschied sich trotzdem für dich Dunkelheit.

Noch letztes Jahr war sie eine von ihnen gewesen, hatte Marco Polo gerufen und sich den Kopf an Swimmingpoolrändern angeschlagen. Wieviel schwerer plötzlich alles war. Es hatte sich eine Traurigkeit Platz gemacht, die vorher nicht dagewesen war. Die Möglichkeiten der Unternehmungen lähmten sie, die Wohnwagen hatten den Charme verloren, die öffentlichen Toiletten auf dem Campingplatz stanken, überall waren die Wände zu nah. Hitze. Leere. Drückende Hitze. Zykaden. Ein Volleyball. Ein Kaugummi.

 

Maria

11 Jahre alt, etwas pummelig, ernst, still, beobachtend, fasziniert von abscheulichen, morbiden Dingen, genervt von den Eltern, angewidert von den anderen Kindern – Maria sucht ein Versteck in sich selbst. Der Ernst des Lebens beginnt, das Ich und die Wirkung werden wichtig.                     Wird Maria in der Fantasie zur Spinne? Die Spinne als Symbol dunkler weiblicher Kraft / Macht / Verstecken / Fantasie

Bigna: «Im Pool planschte eine neue Spinnenart»

Ein zufälliger Satz, den ich letzte Woche in der Zeitung gesehen habe und zu welchem ich eine Kurzgeschichte schreiben wollte. Neu beginnen, die Notizen verwerfen: So mein Plan für diese Woche.

Mich interessiert an dem Satz:

–       Etwas Neues, Fremdes taucht auf, nimmt sich ungefragt Platz.

–       Die Erinnerung an einen heißen Sommer, an die Kindheit.

–       Der Pool: Ein Ort der Annäherung, des kindlichen Spiels, doch in seiner Unnatürlichkeit auch ein Ort der Melancholie.

–       Das Abscheuliche, Groteske. Es schaudert mich, wenn ich an eine schwimmende Spinne denke, als hätte sie sich transformiert, weiterentwickelt und mit neuen Fähigkeiten ausgestattet. Der Gedanke hat etwas klebriges.

–       Was war vor der „neuen“ Spinnenart? Wer hat sich verändert, ich oder die Spinne? Wer ist die Spinne?

–       Die Abgrenzung des Ich’s zur Außenwelt. Andersartigkeit. Außenseitertum. Kindheit. Erwachsenwerden. Nicht als Moment der Verzweiflung, sondern als Gefühl der Abgrenzung. Das Spüren der eigenen Einsamkeit.

Ein Thema, ein Themenfeld, vielleicht eine Geschichte.

 

Die Wasserspinne:

Die einzige Spinnenart, die im Wasser lebt, vom Aussterben bedroht, steht auf der „roten Liste der gefährdeten“ Arten. Im Uferbereich spinnt die Wasserspinne ein dichtes Netz, mit welchem sie durch ruckartiges Untertauchen eine Luftblase erstellen kann. Die Wasserspinne begibt sich dann in diese Luftblase und benützt sie als Taucherglocke. Um die Glocke befinden sich Signalfäden, wenn diese von einer Beute berührt werden, stürzt die Spinne aus ihrer Blase und injiziert ihr Gift. Sie zieht die Beute in die Taucherglocke und saugt sie aus. Im Winter friert die Wasserspinne manchmal zusammen mit ihrer Glocke ein – und überlebt.

Merkwürdig.

Frage: Warum begibt sich ein Lebewesen in eine ihm völlig fremde Umgebung? Warum die Anpassung an die Umstände zu Gunsten der Andersartigkeit? Interessant auch das Wort „Taucher- oder Glasglocke“, welches ja oft in Zusammenhang mit psychischen Prozessen verwendet wird.