ABSTRACT by Anja Klöck
Mit der affirmativen bildungspolitischen Neubewertung von Theateraufführungen in den Aufklärungsdiskursen im Europa des 18. Jahrhunderts geht die Umdeutung von Schauspielen als eine bildungsrelevante und eigenständige Kunstpraxis einher. Diese Umdeutung bildet nicht nur die Grundlage für die Einrichtung erster Schauspielklassen an Akademien und Konservatorien, aus ihr leitet sich auch eine der seither zentralen Anforderung an Berufsschauspielende ab: die Universalrepräsentanz. Damit ist die Fähigkeit gemeint, in verschiedene Rollen schlüpfen und alle gleichermaßen überzeugend spielen zu können.
Die Aus- und Einschlüsse dieses Theater- und Schauspielverständnisses, die damit einhergehenden Raumordnungen und Menschenbilder, sind seither vielfältig hinterfragt und kritisiert worden. Insbesondere künstlerische Arbeiten und Debatten der letzten zwanzig Jahre – von ‚Experten des Alltags‘ über Theater mit geistig oder körperlich beeinträchtigten Menschen bis zu partizipativen Formaten und Fragen von Diversität, kultureller Aneignung und Selbstrepräsentation — stellen das Konzept der Universalrepräsentanz vehement in Frage und transformieren das, was als Schauspielen in Erscheinung tritt.
Mit diesem Beitrag möchte ich aktuelle computer- und filmtechnische Entwicklungen und die damit einhergehenden ethischen Fragen in diesen historischen Prozessen der Umdeutung und Ausdifferenzierung schauspielerischen Handelns und Wirkens historisieren. Anhand unterschiedlicher Konstellationen von Schau, Spiel und Technik werde ich dabei Akteur:innen nicht nur als Handlungs- oder Rollenträger:innen betrachten, sondern als Vermittler:innen innerhalb konkreter Wissens- und Machtordnungen.