Bern Waldau

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Liste Kulturgüterinventar Bern Waldau

Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, UPD/Waldau, Sammlung Morgenthaler, Stiftung Psychiatrie-Museum Bern

Um 1914 richtete der Psychiater Walter Morgenthaler (1882–1965) in der „Kantonalen Irrenanstalt Waldau“ ein kleines Museum ein. Das Herzstück der Sammlung bildeten die Werke von Patient_innen, welche er den Krankenakten entnommen hatte. In seiner Habilitationsschrift „Übergänge zwischen Schreiben und Zeichnen bei Geisteskranken“ untersuchte Morgenthaler 1918 Zeichnungen und Schriften aus 21 Akten und legte von 2600 Werken einen Zettelkatalog an. Er sammelte auch Konstruktionen, Handarbeiten und Skulpturen. Adolf Wölfli (1864–1930) ist heute der bekannteste Künstler aus der Waldau, er schuf ein immenses Werk von etwa 25’000 Blättern. Nach 1930 verschwand vieles aus dem Dachraum, der das „Museum“ beherbergte. Seit den 1960er-Jahren nahm sich Heinz Feldmann, technischer Leiter der Klinik, der Werke an und erweiterte die Sammlung, seit 1993 veranstaltet die Stiftung Psychiatrie-Museum Bern regelmässig Ausstellungen.

1946 interessierte sich der Künstler Jean Dubuffet (1901–1985) für die Kunst, die abseits des etablierten Kunstsystems entstanden war. Er besuchte psychiatrische Kliniken in der Schweiz. Besonders die Werke von Adolf Wölfli, Heinrich Anton Müller (1869–1930, Münsingen) und Aloïse Corbaz (1886–1964, Cery, Lausanne) gefielen ihm. Diese wurden zu bedeutenden Vertreter_innen der von Dubuffet so genannten „art brut“. Harald Szeemann, Elka und Theodor Spoerri, Roman Kurzmeyer und andere führten die Werke in den 1970er-Jahren einer neuen Sichtweise und Wertschätzung zu, insbesondere durch ihre Präsentation an der documenta 5 in Kassel 1972. 1975 wurde das immense Werk Adolf Wölflis ins Kunstmuseum Bern, in die Adolf Wölfli-Stiftung, überführt.

Im Forschungsprojekt „Bewahren besonderer Kulturgüter I“ wurden 327 Objekte (Konstruktionen, Textile Arbeiten, Bricolage Arbeiten) in die Datenbank aufgenommen, ebenso wie die Hefte von Constance Schwartzlin-Berberat (1845-1911): ein „Cahier de Cuisine“, (41 S.), 41 Hefte ihres Journals (730 S.).

Ausstellungen

2018–2019 „Extraordinaire! Unbekannte Werke aus psychiatrischen Einrichtungen in der Schweiz um 1900“, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, Kunstmuseum Thun, LENTOS Kunstmuseum Linz, (Katalog d/e)

2008 „Der Himmel ist blau. Sammlung Morgenthaler, Waldau“ im Kunstmuseum Bern, kuratiert vom Forschungsprojekt „Bewahren besonderer Kulturgüter I“ dem Psychiatrie-Museum Bern, und der Adolf Wölfli-Stiftung (Katalog). Parallel fand die Ausstellung „Adolf Wölfli Universum“ statt, Kurator Daniel Baumann, Adolf Wölfli-Stiftung (beide mit Katalog).

Literatur

www.puk.unibe.ch

Altorfer, Andreas, Von Bildwelten in der Psychiatrie, Katalog Psychiatrie-Museum Bern, Bern 2003

ders., Von Bildern als Spiegel der Seele, Katalog Psychiatrie-Museum Bern, Bern 2006

Beretti, Michael, Heusser, Armin (Hrsg.), Der letzte Kontinent: Bericht einer Reise zwischen Kunst und Wahn, (Ausstellungskatalog), Zürich 1997

Choquard Ramella Florence, Vingt-cinq cahiers rédigées à la Waldau: Constance Schwarztlin-Berberat, in: S. 58 – 74

Constance Schwarzlin-Berberat, Troisième Cahier de Cent Soixante et unième Cahier de Téléphone cuisine, ebd. S. 75 – 80

Käsermann, Marie-Louise, In der Anstalt – Das Leben in der Psychiatrischen Klinik anfangs des 20. Jahrhunderts, Katalog Psychiatrie-Museum Bern, Bern 2008

dies., Der Himmel ist blau & Nackt sein. Werke aus der Sammlung Morgenthaler, Waldau, Katalog Psychiatrie-Museum Bern, Bern 2008

Lienert, Meinrad, Nydegger, Andreas, Walter Morgenthaler und das bildnerische Schaffen der Geisteskranken, Dissertation, Bern 1995

Luchsinger, Katrin, Hirsch, Helen, Röske Thomas (Hrsg.), Extraordinaire! Unbekannte Werke aus psychiatrischen Einrichtungen in der Schweiz um 1900 / Extraordinairy! Unknown works from Swiss Psychiatric Institutions, Zürich 2018

Luchsinger, Katrin, Die Vergessenskurve. Werke aus psychiatrischen Kliniken in der Schweiz um 1900. Eine kulturanalytische Studie, Zürich 2016, insbesondere S. 215-224, S. 282-300

Luchsinger, Katrin, (Hrsg.): Pläne. Werke aus psychiatrischen Kliniken in der Schweiz 1850-1920, Zürich 2008

Morgenthaler, Walter, Übergänge zwischen Zeichnen und Schreiben bei Geisteskranken. In: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, Bd. 2, Heft 2, Zürich 1918, S. 255 – 305

ders. Ein Geisteskranker als Künstler. Adolf Wölfli, Originalausgabe unter dem Titel „Ein Geisteskranker als Künstler, Bern 1921, Neuauflage Elka Spoerri (Hrsg.), Wien 1985

Röthlisberger, Rolf, Die „Sammlung Morgenthaler“: einst – heute! – morgen? In: Schweizerische Ärztezeitung 2001; 82:Nr. 25, S. 1358-1361

Szeemann, Harald (Hrsg.), documenta 5, Ausstellungskatalog, Kassel 1972

Wernli, Martina, Schlüsselgeschichte. Walter Morgenthalers Sammlumg nachgemachter Schlüssel, in: Luchsinger, Katrin, Hirsch, Helen, Röske Thomas (Hrsg.), Extraordinaire! Unbekannte Werke aus psychiatrischen Einrichtungen in der Schweiz um 1900, d / e, Zürich 2018, S. 60-72

Wernli, Martina, Schreiben am Rand. Die „Bernische kantonale Irrenanstalt Waldau“ und ihre Narrative (1895-19236), Bielefeld 2014

Wernli, Martina, Vor der Linse. Dr. Marie von Ries-Imchanitzky als fotografierende und fotografierte Ärztin in der Klinik, in Luchsinger, Katrin, (Hrsg.), Hoch, Stefanie (Hrsg.), Germann, Urs, Landert, Markus, Münzenmaier, Sabine, Wernli, Martina, Hinter Mauern. Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen 1880 bis 1935, d/e, Zürich 2022, S. 68-85.