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Medien- und Informationszentrum der Zürcher Hochschule der Künste
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«Digital Balance»: Brauchen wir eine digitale Diät?

Wer kennt das nicht? Permanent am Smartphone, immer erreichbar, laufend am Multi-tasking, ständig und gerade deshalb auch nie präsent – und dabei total gestresst und ausgebrannt. Und das soll die viel gelobte digitale Zukunft sein?

Dass dies nicht so sein muss, und wie «Digitalität» anders gelebt werden kann, zeigte Sarah Genner im ersten Workshop in der Reihe «Destination Digital», der dem Thema «Digital Balance» gewidmet war.

«Brauchen wir eine digitale Diät?»: Die Frage steht ja heute sozusagen im Raum und wird auch gerne gleich spontan bejaht. Wohl kein Wunder, wenn Umfrageergebnisse zeigen, dass sich beinahe die Hälfte der Studierenden und jungen Berufstätigen für Internetzugang statt für ihren Geruchssinn entscheiden würde, wenn sie wählen müssten.

Fazit einer Teilnehmerin

Im Workshop wurde die Thematik dann aber sehr viel differenzierter durchleuchtet. So wurde bewusst, dass «Digitalität» nicht erst seit gestern unsere Welt auf den Kopf stellt, sondern genaugenommen bereits auf die Lochkarten an den automatisierten Webstühlen in der ersten Hälfte des vorvergangenen Jahrhunderts zurückgeht. Auch die sehr weit verbreitete Angst, dass mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt Jobs wegfallen werden, scheint bei genauerer Betrachtung unbegründet: Klar, die Digitalisierung hat grosse Umwälzungen nach sich gezogen und wird dies auch weiterhin tun. Historisch betrachtet hat Automatisierung jedoch immer zu mehr – statt weniger – Arbeitsplätzen geführt. Und auch wenn wir (fast) alle hin und wieder unter der ständigen Verfügbarkeit leiden, empfinden die allermeisten ihr Smartphone in erster Linie als Bereicherung.

So wurde im Workshop dann auch thematisiert, wie man konkret eine gute «Digital Balance» schaffen kann. Dabei wurde sehr schnell klar, dass die strikte Unterscheidung zwischen «virtueller» und «echter» Welt, zwischen «digital» und «real» heute eigentlich kaum mehr Sinn macht: das Digitale ist längst ein Teil unserer «realen» Welt. Trotzdem braucht es für die Anwendung dieser Technologien vielleicht noch Regeln, die sich noch nicht gänzlich etabliert haben. Können meine Kolleg*innen erwarten, dass ich abends noch meine Emails lese? Muss man immer sofort auf Spontannachrichten antworten? Dürfen mich meine Angehörigen während der Arbeitszeit anrufen? etc. Patentrezepte gibt es hier natürlich keine; es wurde aber klar, wie wichtig es ist, diese Fragen offen und immer wieder zu diskutieren und gemeinsam auszuhandeln.

Graphic Recording aus dem Workshop von Lalita Brunner (www.berrelgschwind.ch)

Brauchen wir – oder brauche ich – also eine digitale Diät? Dies ist nach dem Workshop vielleicht nicht einmal die richtige Frage. Für ein gutes, erfülltes, engagiertes Leben im digitalen Zeitalter braucht es nämlich nicht so sehr eine «digitale Diät» oder gar einen totalen «Entzug»; wichtig wäre vielmehr die bewusste Auseinandersetzung und die sinnvolle Nutzung der digitalen Technologien. Niemand muss zwingend auf «Diät» – aber jeder und jede muss seine eigene persönliche «Digital Balance» finden.

Interessiert? Mehr Infos zu dem Thema, eine Coffee Lecture und Deine ganz persönliche «MyDigitalBalance»-Challenge gibt es demnächst hier – also stay tuned!

Literaturtipp: Sarah Genner: ON|OFF. Risks and Rewards of the Anytime-Anywhere Internet. vdf Hochschulverlag Zürich, 2017. ISBN 978-3-7281-3799-9. Open Access