TAT/ORT

Binotto

In meiner Recherche stiess ich auf Johannes Binotto (http://schnittstellen.me/).

Er beschreibt in seinem Buch TAT/ORT, wie ein Ort zu einem Tatort werden kann. Also vom Subjekt zum Objekt transformiert werden kann.

Der Prolog in Binotto’s Buch TAT/ORT passt eigentümlich gut zu den ersten Gefühlen in diesem Treppenhäusern (Text siehe Anhang). Er geht darin von der griechischen Sage des Minotaurus und dem Labyrinth aus, die sich nicht durch die Subjekte manifestieren, sondern durch den Raum und den psychischen Konstellationen in deren Interaktion.

Das Monster sei weniger schrecklich als die Ungewissheit, der Verdacht, dass hinter der den Wänden etwas lauert. Die Konfrontation mit dem Eigenen und Archetypischen in einer Form und Situation.

Bin ich gefangen? Finde ich hier je wieder hinaus? Findet man mich je hier?
Sind die Fluchttreppenhäuser im Toni-Areal vielleicht nicht die ehrlichsten und authentischsten Orte darin? Räume in dieser Rohheit, Direktheit und Funktion, in welchen Ängste hochkommen können und wir versucht sind, sie in dieser Dialektik festzulegen und „Täter“ zu suchen, aber sie entschwinden und wirft uns auf uns selbst zurück.

„Das ist die Art von Kerker, wie sie Piranesi in seinen «Carceri» gezeichnet hat – ein Gefängnis, das einen nicht durch seine Begrenzung, sondern durch seine schiere Ausdehnung gefangen hält.“ Zitat Johannes Binotto am 27.8.2015, Referat Gewerbemuseum Winterthur

Prolog J. Binotto TAT/ORT
Prolog

Im Buch werden anhand von Beispielen aus Literatur, Film und Kunst, die von Giovanni Battista Piranesi bis H.P. Lovecraft, E. A. Poe und Fritz Lang reichen, seine Thesen veranschaulicht.

Er bezieht sich theoretisch oft auf Lacan und seine topologischen Figuren. Eine davon ist die Kleinsche Flasche:

220px-Halbe_Kleinsche_Flasche
Bildherkunft: https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinsche_Flasche

Sie fasziniert, da es in der Darstellung der dreidimensionalen (euklidischen) Figur kein Innen und kein Aussen gibt- es ist stets beides. Auch hat die Kleinsche Flasche null Volumen. Sie ist die euklidische Weiterentwicklung des Möbiusbandes und ebenfalls eine Kippfigur. Wobei der Begriff Kippfigur hier nicht ganz passend ist, da es ein Raumkontinuum ist, der nie einfach „kippt“, sondern sich stets zu Parametern in einer Relation verhält. Das Kippmoment findet nur in unserer Wahrnehmung davon statt.

Die Kleinsche Flasche als Modell von Räumen und Menschen in Bezug auf Täterschaft und Opferschaft zu denken, empfinde ich als grosse Bereicherung. Wenn unsere Zuschreibungen von Orten, Handlungen und Emotionen nicht mehr statisch sind, sondern sich nur durch die Position dazu in einem jeweiligen Produkt zeigen. Sie sind nie beständig.

Binotto beginnt im Buch TAT/ORT mit der Beschreibung von Holmes Castle in Chicago 1893.

Quelle:http://www.dinahwilliams.com/h-h-holmess-murder-castle/
Quelle:http://www.dinahwilliams.com/h-h-holmess-murder-castle/

Ein vermeintliches Hotel während der Weltausstellung, das als Tötungsmaschine gebaut und betrieben wurde. Ein Gebäude in welchem sich, wie in einem Horrorfilm letztlich „das Böse“ manifestiert. Ein Gebäude als Symbol, auf welches sich unsere Ängste vor „dem Bösen“ projizieren lassen können?

Des weitern beschreibt er Beispiele aus Literatur, Malerei und Film, wo diese Kippfiguren im Raum für ihn ersichtlich werden.