Fantasmatics and the Documentary

Bill Nichols

Recorded on May 20, 2016 | English

 

Deutsche Kurzfassung

Fantasmatik im Dokumentarfilm

Im Nachschlagewerk «Das Vokabular der Psychoanalyse» schreiben Jean Laplanche und Jean-Betrand Pontalis, dass in der psychoanalytischen Arbeit «Verhaltensaspekte in Erscheinung treten, die von der imaginativen Aktivität sehr weit entfernt sind und (…) durch die alleinigen Forderungen der Realität beherrscht werden, wie Emanationen, «Abkömmlinge» unbewusster Phantasien. Unter dieser Perspektive erweist sich das Leben des Subjekts (…) als geformt durch etwas, das man (…) ein System von Phantasien nennen könnte» [s. 392], im Originaltext als frz. «Fantasmatique» bezeichnet: eine Fantasmatik.

Diese Idee habe ich als erster auf Reenactments im Dokumentarfilm angewendet. Die Phantasie sei eine Inszenierung der Sehnsüchte («mise en scène of desire»). Wir tun «so als ob» und beziehen uns auf frühere Tätigkeiten oder Ereignisse. Wir reproduzieren diese Ereignisse oder Taten nicht exakt, aber können etwas Vergnügliches davon ableiten oder ein Resultat erzielen, das einer Belohnung gleichkommt. Reenactments simulieren die Vergangenheit und lassen uns vergangene Ereignisse in einer wiederbelebten, neuen Form geniessen.

In meinem Vortrag werde ich die häufigsten Typen von Reenactments beschreiben und darlegen, wie sie durch die Fantasmatik geformt werden. Ich werde auch darlegen, wie ein fantasmatisches Element allgemein in das dokumentarische Feld vordringt, indem es bestimmte Perspektiven auf die Welt prägt oder spöttische und in sich widersprüchliche Haltungen fördert, wie das etwa bei Mockumentaries oder anderen Filmen mit ironischer Erzählweise der Fall ist.