Indien ist eine der produktivsten Filmnationen der Welt. Sie verfügt über eine lange, lebendige und komplexe Dokumentarfilmtradition. Diese ist eng mit dem Kampf um die indische Unabhängigkeit sowie der Sichtbarmachung und Konfrontation soziopolitischer Probleme verbunden. Seit den 1970er Jahren ist die indische Dokumentarfilmlandschaft von unabhängigen Filmemachern geprägt, die Film als Medium der gesellschaftlichen Veränderung betrachten und mit ihren Protagonisten in einem bündnishaften Verhältnis stehen. War indischer Dokumentarfilm traditionell stark über seine repräsentierten Inhalte bestimmt, so treten nun zunehmend vielfältige filmästhetische und narrative Umsetzungen dieser Themen in den Fokus. In ihrem Vortrag untersucht Ulrike Mothes das filmische Tagebuch Ranjan Palits, eines indischen Kameramannes, der an zahlreichen maßgeblichen unabhängigen Dokumentarfilmen wie denen Anand Patwardhans oder Sanjay Kaks beteiligt war. Mit „In Camera“ blickt Ranjan Palit auf seine 25jährige Arbeit hinter der Kamera zurück. Er tritt hinter der Kamera hervor, und denkt über den Aufzeichnungsprozess und seine ethischen Herausforderungen nach. Mothes untersucht die Erzählstruktur des vielschichtigen Video-Selbstportraits, welches altes Filmfootage erneut aufnimmt und neu verknüpft. Sie analysiert die Strategien der Selbstreflexion des Filmemachers und Kameramanns Palit und seinen subjektiven filmischen Blick auf die indische Dokumentarfilmgeschichte.