oder wie ich die Szenen drehen konnte, die mir wichtig waren
von Annett Ilijew
Das Einverständnis, dass ich mit Michael Ruetz, oder er mit mir, einen Film über ihn und sein Werk machen wollten, war recht schnell da. Die Übereinkunft, wie der entsprechende Film im Detail ausschauen sollte, dauerte etwas länger. So ungefähr acht Jahre. Und das, was sich über diese Zeitperiode an Diskussionen, Überzeugungsarbeit, Beharrungsvermögen, Suchen nach anderen Lösungen, doppelten Umwegen, Einbeziehung von nächsten Angehörigen, Mobilisierung der Crew für die eigene Sache und natürlich auch ein bisschen Streit zusammenaddierte, würde ich als wesentlicher Teil meiner ‘Regiearbeit‘ bei FACING TIME beschreiben, und es war wohl genau das, was der Untertitel dieser Tagung beinhaltet, nämlich: Beziehungsarbeit im Dokumentarfilm.
Zu Beginn erschien mir eigentlich alles klar: Dieser hervorragende Fotograf hat in einer sehr aufregenden Zeitperiode ein beeindruckendes Werk geschaffen. Viele seiner Bilder sind zu Ikonen der deutschen Nachkriegszeit geworden. Das alles zusammen ergibt eine großartige Ausgangslage für einen vielschichtigen Film, in dem sich biografische mit zeitgeschichtlichen Ebenen verknüpfen. Michaels Vision sah zu Beginn etwas anders aus: Wir zeigen ausschließlich seine Timescape-Bilderreihen und dazu hält er einen Vortrag.
Acht Jahre später war der Film da, wir beide zufrieden und unsere Freundschaft grösser. Und so ähnlich geht es mir des Öfteren. Durch die längeren Zeitspannen, die ich zusammen mit meinen filmischen Figuren und ihren Angehörigen durchlebe, bin ich auch zu ein paar Patenkindern gekommen.
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