Stephan Krumbiegel, Olav Voigtländer
Autor: ciseli
Die Montage als Stifterin von Sinn und Bedeutung bei Johan van der Keuken
Britta Hartmann
Aufgezeichnet am 22.03.2018
BELINDA SALLIN
Belinda Sallin studierte deutsche Literatur, Philologie und Kommunikationswissenschaften an der Universität Freiburg i.Üe. Ab 1995 absolvierte sie die Ausbildung zur Videojournalistin. Seit 1996 ist sie beim Schweizer Fernsehen in diversen Funktionen tätig. Von 2002 bis 2006 übernahm sie die Redaktionsleitung des Politmagazins Rundschau. Seit 2007 ist sie als Dokfilmautorin für SRF tätig. 2009 gründete sie die Produktionsfirma Lucky Film GmbH mit (TV- und Kinodokumentarfilme, Transmedia-Projekte). Daneben hat sie als Autorin und Regisseurin den Kinodokfilms DARK STAR – HR GIGERS WELT realisiert. Seit 2014 ist sie Redaktionsleiterin DOK bei SRF.
> Moderation bei ZDOK.19 Ι
Schneiden, wenn der Regisseur nicht zurückkommt
von Monika Willi
Untitled/Der Film ohne Namen – ein Jahr lang eine filmische Reise um die Welt unternehmen, mit einem kleinen Team in einem VW-Bus, ausschließlich am Land- und Wasserweg. Immer nur in eine Richtung, also nach vorne, nie zurück. Ohne Thema, ohne Vorgabe, der eigenen Intuition und Neugierde folgend. Diesen Film haben Michael Glawogger und Attila Boa über Jahre hinweg entwickelt und konnten nach langer Finanzierungssuche endlich mit der Realisierung beginnen. In der Vorbereitungszeit war ich oft Teil freudvoller Treffen, denn die Freiheit ist immer freudvoll, wenn man bereit ist, sie zu wagen. Aber sie ist auch beschwerlich, denn es ist unendlich schwierig, einen Fokus zu finden, wenn nicht einmal die Brennweite vorgegeben ist.
Aber nicht das Wagnis, eine Mücke führte zum Tod von Michael Glawogger. Plötzlich waren – um es auf das Filmische zu reduzieren – 70 Stunden Material vom Balkan, aus Italien, aus Nordwest- und Westafrika herrenlos in meinem Schneideraum. Ich habe mir gewünscht und erbeten, daraus einen Film machen zu dürfen.
Es musste daher eine zweite Reise unternommen werden, vorerst auch dem Leitmotiv des Filmes folgend: Serendipity! Den glücklichen Zufall gibt es beim Finden, nicht jedoch in der Montage – oder anders gesagt: im Schneideraum sind wir verpflichtet, das Gefundene immer und immer wieder zu überprüfen und abzuklopfen. Ein Schnitt, der bleiben soll, hat nichts Zufälliges mehr. So habe ich schmerzlich die großen Unterschiede gelernt. Schneiden, mit und ohne Regie. Es genügt nicht, bloß eine Meinung zu haben, wenn Entscheidungen zu treffen sind.
Es gab ein paar wenige Richtlinien und Grundsätze, die leicht zu erfüllen waren. Denn was man vor und während der Dreharbeiten schon weiß, wird umgesetzt, ist also da und realisierbar. Was aber ist mit all den offenen Fragen? Wie gehe ich mit der Verantwortung einer Idee, einem guten Freund und hochgeschätzten Regisseur gegenüber um? Wie löse ich mich von der Idee, es so machen zu wollen „wie er“? Man kann nicht mit dem Kopf eines anderen denken, und auf Fragen, die man in die Unendlichkeit hinein stellt, kommen keine Antworten. Es sagt sich so leicht: Wir haben doch über viele Jahre hinweg gemeinsam gearbeitet. Die Abwesenheit ist mehr als nur das Gegenteil der Anwesenheit.
Montage im Dokumentarfilm
von Christian Iseli
Im Einführungsreferat werden aus praxisorientierter Perspektive grundlegende Gestaltungsoptionen der dokumentarischen Montagearbeit definiert. Dabei unterscheide ich zunächst einmal zwischen der Mikroebene (Schnittarbeit auf der Ebene der Sequenz) und der Makroebene (Montagearbeit auf der Ebene grösserer Erzähleinheiten und des gesamten Films).
Auf der Mikroebene gehe ich im Wesentlichen auf zwei grundsätzliche Entscheidungen ein: Soll räumliche und zeitliche Kontinuität und soll Kausalität unabhängig von der Drehsituation herstellt (oder behauptet) werden? – Die Beantwortung dieser Fragen hat Konsequenzen auf die Art und Weise, wie der Film auf die Zuschauer/innen wirkt und ebenso auf die dadurch transparent werdende Haltung der Filmschaffenden. Die Schnittstrategie auf der Mikroebene definiert im Wesentlichen die Lesart des Films.
Ausgehend von den „Modes of Representation“ von Bill Nichols unterscheide ich auf der Makroebene zwischen rhetorisch-argumentativen, narrativ-dramaturgischen und poetisch-assoziativen Strategien. Die Anwendung einer oder die Mischung mehrerer Montagestrategien prägt im Wesentlichen die Gesamtwirkung des Films.