Kategorie: Talks (Video)

Aufgezeichnete Referate | Recorded Talks

BELINDA SALLIN


Belinda Sallin studierte deutsche Literatur, Philologie und Kommunikationswissenschaften an der Universität Freiburg i.Üe. Ab 1995 absolvierte sie die Ausbildung zur Videojournalistin. Seit 1996 ist sie beim Schweizer Fernsehen in diversen Funktionen tätig. Von 2002 bis 2006 übernahm sie die Redaktionsleitung des Politmagazins Rundschau. Seit 2007 ist sie als Dokfilmautorin für SRF tätig. 2009 gründete sie die Produktionsfirma Lucky Film GmbH mit (TV- und Kinodokumentarfilme, Transmedia-Projekte). Daneben hat sie als Autorin und Regisseurin den Kinodokfilms DARK STAR – HR GIGERS WELT realisiert. Seit 2014 ist sie Redaktionsleiterin DOK bei SRF.

> Moderation bei ZDOK.19 Ι

Schneiden, wenn der Regisseur nicht zurückkommt

von Monika Willi

Untitled/Der Film ohne Namen – ein Jahr lang eine filmische Reise um die Welt unternehmen, mit einem kleinen Team in einem VW-Bus, ausschließlich am Land- und Wasserweg. Immer nur in eine Richtung, also nach vorne, nie zurück. Ohne Thema, ohne Vorgabe, der eigenen Intuition und Neugierde folgend. Diesen Film haben Michael Glawogger und Attila Boa über Jahre hinweg entwickelt und konnten nach langer Finanzierungssuche endlich mit der Realisierung beginnen. In der Vorbereitungszeit war ich oft Teil freudvoller Treffen, denn die Freiheit ist immer freudvoll, wenn man bereit ist, sie zu wagen. Aber sie ist auch beschwerlich, denn es ist unendlich schwierig, einen Fokus zu finden, wenn nicht einmal die Brennweite vorgegeben ist.

Aber nicht das Wagnis, eine Mücke führte zum Tod von Michael Glawogger. Plötzlich waren – um es auf das Filmische zu reduzieren – 70 Stunden Material vom Balkan, aus Italien, aus Nordwest- und Westafrika herrenlos in meinem Schneideraum. Ich habe mir gewünscht und erbeten, daraus einen Film machen zu dürfen.
Es musste daher eine zweite Reise unternommen werden, vorerst auch dem Leitmotiv des Filmes folgend: Serendipity! Den glücklichen Zufall gibt es beim Finden, nicht jedoch in der Montage – oder anders gesagt: im Schneideraum sind wir verpflichtet, das Gefundene immer und immer wieder zu überprüfen und abzuklopfen. Ein Schnitt, der bleiben soll, hat nichts Zufälliges mehr. So habe ich schmerzlich die großen Unterschiede gelernt. Schneiden, mit und ohne Regie. Es genügt nicht, bloß eine Meinung zu haben, wenn Entscheidungen zu treffen sind.

Es gab ein paar wenige Richtlinien und Grundsätze, die leicht zu erfüllen waren. Denn was man vor und während der Dreharbeiten schon weiß, wird umgesetzt, ist also da und realisierbar. Was aber ist mit all den offenen Fragen? Wie gehe ich mit der Verantwortung einer Idee, einem guten Freund und hochgeschätzten Regisseur gegenüber um? Wie löse ich mich von der Idee, es so machen zu wollen „wie er“? Man kann nicht mit dem Kopf eines anderen denken, und auf Fragen, die man in die Unendlichkeit hinein stellt, kommen keine Antworten. Es sagt sich so leicht: Wir haben doch über viele Jahre hinweg gemeinsam gearbeitet. Die Abwesenheit ist mehr als nur das Gegenteil der Anwesenheit.

 

> Monika Willi  > Untitled / Der Film ohne Namen

Montage im Dokumentarfilm

von Christian Iseli

Im Einführungsreferat werden aus praxisorientierter Perspektive grundlegende Gestaltungsoptionen der dokumentarischen Montagearbeit definiert. Dabei unterscheide ich zunächst einmal zwischen der Mikroebene (Schnittarbeit auf der Ebene der Sequenz) und der Makroebene (Montagearbeit auf der Ebene grösserer Erzähleinheiten und des gesamten Films).

Auf der Mikroebene gehe ich im Wesentlichen auf zwei grundsätzliche Entscheidungen ein: Soll räumliche und zeitliche Kontinuität und soll Kausalität unabhängig von der Drehsituation herstellt (oder behauptet) werden? – Die Beantwortung dieser Fragen hat Konsequenzen auf die Art und Weise, wie der Film auf die Zuschauer/innen wirkt und ebenso auf die dadurch transparent werdende Haltung der Filmschaffenden. Die Schnittstrategie auf der Mikroebene definiert im Wesentlichen die Lesart des Films.

Ausgehend von den „Modes of Representation“ von Bill Nichols unterscheide ich auf der Makroebene zwischen rhetorisch-argumentativen, narrativ-dramaturgischen und poetisch-assoziativen Strategien. Die Anwendung einer oder die Mischung mehrerer Montagestrategien prägt im Wesentlichen die Gesamtwirkung des Films.

 

> Christian Iseli

Gespräch mit Mathilde Bonnefoy über die Montage von Citizenfour

„… she (Laura Poitras) knew that I had a lot of experience with fiction. And she had this feeling that this film she was working on – and this was prior to Ed Snowden contacting her – had some thriller potential, that the film would have a narrative pull to it that was similar to what we could find in fiction films. So, she was quite interested in that part of my experience.“ M.B.

Das Gespräch mit der Editorin und Produzentin Mathilde Bonnefoy wird einen Bogen spannen von den besonderen Umständen der Postproduktion von Citizenfour (hohe Geheimhaltung) über die unerwartete Kontaktaufnahme eines neuen Protagonisten (Edward Snowden) in der Rohschnittphase, über die Revision der Montage in Reaktion darauf bis hin zur einzelnen ästhetischen Entscheidungen, zB. wie und warum die Filmemacherin als Figur integriert wurde. Fragen nach ethischer Verantwortung, erzählerischer Herausforderung und künstlerischer Form in der Montage werden gestellt.

„When Laura came back from Hong Kong, she dumped this footage in my lap… She asked me to view the footage in the utmost detail, which I did for a long time. So, I was alone with it, and that’s how I met Snowden, in a way. And I was overwhelmed, watching that footage, by the astonishing purity of his intentions… there was just a steady stream of authenticity and truth. So, that’s what I saw and that’s what I’ve felt obliged to keep, to disclose, in the film, to protect and to enhance and to show. That’s what I feel compelled to state for him.“ M.B.

Moderation: Gesa Marten

(Zitate: Positive Trauma: Editor Mathilde Bonnefoy on Citizenfour. Interview von Scott Macaulay am 20.Oktober 2014, Filmmaker Magazine)

 

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