Kategorie: Talks
VIDEO: Das narrative Gehirn
VIDEO: ZFICTION.22 Einführung
Stefan Jäger
Stefan Jäger studierte nach seiner Erstausbildung am kantonalen Lehrerseminar in Luzern an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg Drehbuch und Regie. Er schloss die Ausbildung im Januar 1997 mit Diplom ab. Seit 2002 ist er in der Lehre tätig, u.a. als Dozent für Dramaturgie und Drehbuch an der Zürcher Hochschule der Künste, als Regiedozent in Ludwigsburg oder an der Schauspielschule in Stuttgart.
Er hat zahlreiche Spielfilme („Der grosse Sommer“, „birthday“, „Hello Goodbye“ u.a.) und Dokumentarfilme („Mathias Gnädinger – Die Liebe seines Lebens“, „Cyrill trifft“ u.a.) inszeniert, sowie mehrere Theaterstücke („Alte Freunde“, „57’ 38’’ Ewigkeit“). Als Drehbuchautor verantwortete er u.a. das Drehbuch zu „Schellen-Ursli“, einem der erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten. Mit seiner Firma tellfilm ist er als Produzent („Blue my mind“, „Tiere“ u.a.) tätig.
> ZFICTION.22 Talk:
Begrüssung – gemeinsam mit Michael Schaerer
In search of the „third cinema”
ABSTRACT BY RÜDIGER SUCHSLAND
What kind of films would Romy Schneider (be able to) make today? Or Jean-Paul Belmondo?
Observations of a cinema-goer
In my lecture I will try to formulate some theses on the situation of cinema in the present. Roughly speaking, I would like to start by outlining a certain type of film that exists much less today, perhaps not at all. It is a type of film that combines high standards with sophisticated entertainment, excess with depth.
I call this type of film, for lack of a better term, „the third cinema”. This „third cinema“ is neither a (post)modern blockbuster driven by fantasy and world transcendence, nor that (post)modern art cinema that has already halfway made it’s way into the gallery.
At the same time, „the third cinema“ has always been the synthesis between elements of these two types of films.
In the lecture, quite classically without images, I try to define this blank space and formulate my assumptions about its reasons.
It is important to note: I am not arguing against a cinema that exists today, but I plead for a cinema that existed in the past and that I miss today.
I understand my lecture as an impulse to remember these films and the many unused possibilities of cinema again – if it goes well, then all the filmmakers present become quite wistful afterwards and immediately feel like making such films again themselves.
Das Publikum ist die neue Avantgarde
Abstract von Vinca Wiedemann
Das Publikum in aller Welt gewöhnt sich rasch an neue Formen der filmischen Erzählung. Jeden Abend schauen sie sich den neuesten Film oder die neueste Serie an, und am nächsten Abend verlangen sie mehr vom Gleichen und eine noch fortschrittlichere Erzählweise.
Doch die Entwicklung und Produktion neuer Filme und Serien dauert Jahre. Was brauchen Filmschaffende und die Industrie, um in einer Welt der neuen Medien und Genres, der veränderten Finanzierung und der neuen Märkte frische und reichhaltige Geschichten zu erzählen?
Anhand von Beispielen aus meiner Zusammenarbeit mit jungen internationalen Filmtalenten sowie mit den dänischen Veteranen Lars von Trier, Susanne Bier und Thomas Vinterberg werde ich mich auf die Mündlichkeit und den kollektiven Dialog als interessante Werkzeuge für das Geschichtenerzählen der Zukunft konzentrieren und Wege aufzeigen, wie die Branche den Dialog und das Feedback zwischen verschiedenen Sektoren und „Stämmen“, die es nicht gewohnt sind, zusammenzuarbeiten und miteinander zu kommunizieren, initiieren kann.
Audiences are the new avantgarde
Abstract by Vinca Wiedemann
Global audiences are rapidly adapting to new ways of cinematic storytelling. Every night they stream the newest film or serial, and the following night they demand more of the same and even more advanced storytelling.
But new films and series take years to create and produce. What does it take for creators and industries to create fresh and rich storytelling in a world of emerging media and genres, changed financing and new markets?
Based on examples from my collaboration with international young film talent as well as with Danish veterans Lars von Trier, Susanne Bier and Thomas Vinterberg, I will focus on orality and collective dialogue as interesting tools for future storytelling, and I will suggest ways for the industry to initiate dialogue and feedback between different sectors and “tribes” that are not used to collaborate and communicate with each other.
Storytelling beyond the template – Open narrative structures in film education and dramaturgy
Abstract by Kathrin Resetarits
Film education and dramaturgy beyond the template
After a long wasteland in which the supremacy of a particular narrative form – propagated by rulebooks and instruction books – was cemented and propagated with almost religious zeal, cinematic narrative forms away from this structural template are once again coming more to the fore. The fact that something is breaking out here certainly has to do with the fact that strictly dramatic or plot-centered films are losing their appeal due to their predictability and over-standardization, and new series formats are becoming increasingly important on the market. Fortunately, this also promotes diversity in content, artistic expression, and the activation of otherwise passively entertained viewers. This liberation is the prerequisite for lively, resonance-generating and socially relevant storytelling.
New approaches are needed to deal with thematically bound and constellative structures in which plot is not a priority. Approaches and recipes can only be simply adopted to a very limited extent, since in many cases they lead to deformations and limitations of the intended content. The unquestioned must be questioned, basic narrative techniques that start before the dogmas of Hollywood production must be worked out or reweighted.
Erzählen abseits der Schablone – Offene Erzählstrukturen in Filmausbildung und Dramaturgie
Abstract by Kathrin ResetarIts
Filmausbildung und Dramaturgie abseits der Schablone
Nach einer langen Ödnis, in der die Vormachtsstellung einer bestimmten Erzählform – propagiert von Regelwerken und Anleitungsbüchern – mit fast religiösem Eifer zementiert und verbreitet wurde, rücken filmische Erzählformen abseits dieser Strukturschablone wieder mehr in den Vordergrund. Dass hier etwas aufbricht, hat sicher damit zu tun, dass streng dramatisch bzw. plot-zentriert erzählte Filme aufgrund ihrer Berechenbarkeit und Übernormierung an Attraktivität verlieren und neue Serienformate am Markt immer wichtiger werden. Dadurch wird aber erfreulicherweise auch Diversität in den Inhalten, künstlerischer Ausdruck und die Aktivierung der sonst passiv ge-und unterhaltenen Zuschauer*innen gefördert. Diese Befreiung ist die Voraussetzung für lebendiges, Resonanz erzeugendes und gesellschaftlich relevantes Erzählen.
Für den Umgang mit thematisch gebundenen und konstellativen Strukturen, in denen der Plot keine Priorität hat, braucht es neue Ansätze. Herangehensweisen und Rezepte können nur sehr begrenzt einfach übernommen werden, da sie in vielen Fällen zu Deformationen und Beschränkungen der intendierten Inhalte führen. Unhinterfragtes muss hinterfragt werden, grundlegende narrative Techniken, die vor den Dogmen der Hollywoodproduktion ansetzen, müssen erarbeitet bzw. neu gewichtet werden.
Auf der Suche nach dem „dritten Kino“
ABSTRACT BY RÜDIGER SUCHSLAND
Was würde Romy Schneider heute eigentlich für Filme machen (können)? Oder Jean-Paul Belmondo?
Beobachtungen eines Kinogängers
In meinem Vortrag versuche ich einige Thesen zur Lage des Kinos in der Gegenwart zu formulieren. Grob gesagt möchte ich zunächst einen bestimmten Typ Film skizzieren, den es heute viel weniger, vielleicht überhaupt nicht mehr gibt. Es ist ein Typ Film, der Anspruch mit niveauvoller Unterhaltung verbindet, Exzess mit Tiefe.
Diesen Typ Kinofilm nenne ich mangels besserer Begriffe „das dritte Kino“. Dieses „dritte Kino“ ist weder ein (post)moderner, von Fantasy und Weltentranszendenz getriebener Blockbuster, noch jenes (post)moderne Kunstkino, das den Weg in die Galerie schon halb zurückgelegt hat.
Zugleich war „das dritte Kino“ schon immer die Synthese zwischen Elementen dieser beiden Filmtypen.
Im Vortrag, ganz klassisch ohne Bildausschnitt, versuche ich diese Leerstelle und meine Vermutung zu deren Gründen zu benennen.
Wichtig ist: Ich richte mich nicht gegen ein Kino, dass heute vorhanden ist, sondern ich plädiere für ein Kino, das es früher gab und das ich heute vermisse.
Meinen Vortrag verstehe ich als Anstoß, um sich wieder an diese Filme und an die vielen ungenutzten Möglichkeiten des Kino zu erinnern – wenn es gut läuft, dann werden alle anwesenden Filmemacher danach ganz wehmütig und haben sofort Lust, selber wieder solche Filme zu machen.
Collecting Real Fictions
Abstract von Anna Sofie Hartmann
Eine Fallstudie, die die Recherche- und Entwicklungsmethode des Spielfilms „Giraffe“ untersucht.
Was ist, wenn die Idee für einen Film von einem bestimmten Ort, von Gefühlen oder Beobachtungen über die Welt ausgeht und nicht von einer Figur oder einer Geschichte? Wie kann eine Erzählung aus der realen Welt um Sie herum ausgegraben werden, wie findet man den Fokus? Wie bringt man gesammelte und scheinbar disparate Ideen zu einem kohärenten dramatischen Ganzen zusammen?
In Collecting Real Fictions wird Anna Sofie über den Entstehungsprozess ihres zweiten Spielfilms «Giraffe» sprechen. Angefangen bei der Entwicklung der Ideen, über die Art und Weise, wie das Fotografieren von Orten und das Treffen mit Menschen den Schreibprozess beeinflusste, bis hin zu der Art und Weise, wie das Casting und die Arbeit mit Laiendarstellern den schließlich gedrehten Film beeinflusste, und nicht zuletzt, wie der Schnittprozess den Film wieder und wieder und wieder umschrieb.
Indem sie auf einem Kino beharrt, dessen Interesse darin besteht, der Kraft des Bildes Zeit zu geben und nicht nur eine Geschichte zu illustrieren, wird Anna Sofie erörtern, wie dieses Interesse konventionelle Erzählstrukturen sowohl überschneidet als auch mit ihnen kollidiert – und wie es möglich ist, innerhalb dieser Strukturen Räume für Momente reinen cineastischen Vergnügens zu finden.
Collecting Real Fictions
Abstract by Anna Sofie Hartmann
A case study examining the research and development method of the feature film “Giraffe”.
What if an idea for a film begins with a specific place, or from feelings or observations about the world and not with a character or a story? How do you excavate a narrative from the real world around you and find your focus? How do you bring collected and seemingly disparate ideas together to form a coherent dramatic whole?
In Collecting Real Fictions Anna Sofie will discuss the process of making her second feature film “Giraffe”. Beginning with the gestation of the ideas, to how photographing places and meeting people influenced the writing process, to how casting and working with non-professional actors informed the film that was eventually shot, and not the least, how the editing process rewrote the film again and again and again.
In insisting on a cinema whose interest it is to give time to the power of the image, not merely to illustrate a story, Anna Sofie will discuss how that interest both intersects and clashes with conventional narrative structures – and how it’s possible to find spaces within those structure for moments of pure cinematic pleasure.