Vitra. Du machst mich kirre.

Vitra, ein komisches Konstrukt, wenn ich einfach mal meine subjektive Wahrnehmung verbalisierend nach aussen stülpe. Fast alles was ich da gehört und gesehen hab‘ hinterliess bei mir einen komischen, faden Nachgeschmack. Das ganze Projekt kommt mir vor wie ein Kaugummi auf dem man zu lange rumgekaut hat. Jacob hat dadrauf erwidert wie viele krasse Architekten, z.B. Gehry und Hadid, beim Vitra Projekt involviert sind. Meiner Meinung nach stützt das allerdings nur meine These. Denn bei Vitra ging und geht es vor allem ums Möbeldesign. Das man da versucht namenhafte Architekten zu gewinnen verstärkt nur meinen Eindruck, dass Vitra von seiner Vergangenheit lebt und versucht diese krampfhaft auszuschlachten und am Leben zu behalten, wie einen Toten den man immer und immer wieder versucht wieder zu beleben. Da dient vor allem auch Marketing als Defillbrator und natürlich die sektenanmutende Fröhlichkeit der Angestellten. Die Frau die uns durch den Herstellungsprozess begleitet hat, kam mir ein bisschen so vor als hätte sie eine kleine Gehirnwäsche bekommen. Vitra ihre einzige, heisse und innige Liebe. Nachdem ihre verbale Gefühlsexplosion abgeklungen war und sie uns versichert hatte, dass alle Materialien für den Aluminium-Chair aus den umliegenden Ländern kämen, fragte ich sie von wo denn das Aluminium stamme. Sie wusste es nicht, sagte sie könnte ja nicht alles wissen und fragte stattdessen einen der Monteure. Als dieser Ungarn als Antwort erwiderte, war sie für einen kurzen Moment geschockt und verblüfft zugleich und verlor ein wenig die Fassung. Das Wort Ungarn passte glaube ich irgendwie nicht ganz zu ihren Frühlingsgefühlen und der ihr vermittelten Firmenphilosophie. Später passierte gleich nochmal so etwas ähnliches, als die HR-Leiterin uns erklärte, dass Vitra natürlich auch nicht perfekt sei und ihr Aussage dann aber nach kurzem Nachhaken von einem von uns gleich wieder revidierte. Ich weiss, das alles ist deren Job und das Zeug hat haben sie auswendig gelernt aber genau das meine ich. Es kam mir vor als müsste sie 1000 Gründe zusammenkratzen, um den horrenden Preis für die sogenannten Designklassiker rechtfertigen zu können. Und wie sie gleichzeitig von Charles und Ray Eames schwärmten, als wären sie Unsterbliche. Hätte mich nicht gewundert hätten sie uns noch zum Eames-Schrein geführt und eine Designerkerze angezündet. Ja, zugegeben, etwas zynisch aber es stinkt mir, dieses Idealisieren von Designer und die Vermarktung von angeblichen Klassikern. Dabei will ich nicht bestreiten, dass es erfolgreiche Designer gibt, sondern anprangern was aus erfolgreichen Designern gemacht wird und wie man versucht jemanden zu einem erfolgreichen Designer zu machen. Da kommt mir der Vegetal Stuhl von den Bouroullecs in den Sinn. Und wieder, es geht mir nicht darum, dass Design zu kritisieren, sondern ich frage mich: Wäre dieser Stuhl jemals bekannt geworden und Gestalter so erfolgreich, ohne das Marketing von Vitra und ist es berechtigt, dass der Vierbeiner in jedem schweizer Vorzeigeausstellungsbüro (z.B. dem „Haus der Zukunft“) zu sehen ist und als bereits etablierter Klassiker unserer Zeit vermarktet wird, ohne das er sich je beweisen musste?

Vitra kommt mir vor wie ein Kind von reichen Eltern, es lebt vom Erbe und man fragt sich, für wie viele Monate es noch reicht.

Und ja, ich befinde mich in einem ziemlichen Klinsch, was meine Aufgabe für den Zeitstrahl betrifft. Welche Namen sollten da drauf stehen und unser Bild von erfolgreichen Designern prägen? Die einflussreichsten? Die besten? Sind das die gleichen wie die hochgelobten und erfolgreichen? Oder sind das alles nur Halme an die wir uns klammern, um die Vergangenheit zu ordnen und ihr eine Form und uns Halt zu geben? Oder vielleicht auch nur noch Namen für die Marketingabteilung um den Umsatz zu sichern?

 

2 Gedanken zu „Vitra. Du machst mich kirre.“

  1. Ich stelle mir auch immer wieder die Frage wie wichtig die einzelnen Personen sind, deren Namen wir immer und immer wieder in den verschiedensten Fächer und Modulen hören. Haben sie die Designgeschichte geprägt oder war es nicht doch die unbekannte Masse?
    Ich finde es super, dass das mal zur Sprache kommt. Und apropos Sprache: Mir gefallen deine Metaphern!

  2. Da kann ich Anais nur zustimmen! Toll geschriebener, unterhaltsamer Blogeintrag!

    Betreffend deines Zweifelns „Welchen Designer soll ich für den Zeitstrahl nehmen?“: Das passt eigentlich perfekt zu dem Text, den wir auf heute haben lesen müssen (Gert Selle). Darin beschreibt er ja auch, dass man genau mit solchen Auswahlen meistens unbewusst (du also schon bewusst: bravo 😉 ) unser Design-Geschichtsverständnis prägt.
    Ein Vorschlag von mir: Könntest du deinen Abschnitt des Zeitstrahls nicht zweiteilen? Einen Strahl-Arm mit „DEN Klassikern“, wie Museen etc. uns zu verstehen geben, und einen zweiten Arm mit Objekten, die DU mit DEINEN (transparenten) Kriterien auswählst. Eine flagmeierische Sicht quasi 😉 Ich fänds spannend…

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