Netflix – Abstract

Wer’s sich noch nicht reingepfiffen hat, dem empfehle ich jetzt wärmstens sich diese Serie zu Gemüte zu führen.  Eine exzellente Ferienbeschäftigung. Die Dokumentation setzt an dem Punkt am Zeitstrahl an, an dem wir jetzt momentan stehen, in der Gegenwart. Man bekommt eine tiefen und persönlichen Einblick in die Arbeit und das Leben von Designern unserer Zeit. Natürlich bleibt es fraglich, ob einer dieser Künstler es auf den Zeitstrahl der zukünftigen Designgeschichtsbücher schafft aber vielleicht ist das auch gerade das spannende. Denn das lässt uns nur erahnen, was uns für grosse Fische durch die Lappen gegangen sind im Laufe der Geschichte.

Verner beim Coiffeur

Gestern hab‘ ich in Stuttgart Zentrum durch’s Schaufenster in einen kleinen Coiffeur Salon geschaut. Eine Frau unterhielt sich rege mit ihrem Kunden und schnippelte an seinen Kopfhaaren herum. Da fiel mein Blick auf den Wartebereich. Was stand da? Panton Chairs. Designklassiker im Dienstleistungssektor. Prächtig finde ich das. Im Nachhinein würde ich gerne nachhaken und fragen, ob der Stuhl dem Besitzer gefällt. Oder was er zum Verner meint. Aber ich bin halt weitergeschlendert…

Ingenieure

Was mich verwirrt ist, wie wenige Ingenieure und Erfinder zu den Topdesignern zählen. Sieht man den Ingenieur und Erfinder als Gestalter, was er meiner Meinung nach ist, gäbe es eine lange Liste von Menschen die man in der Designgeschichte berücksichtigen müsste: z.B. Thomas Alva Edison 1847-1931 mit seiner glimmenden Glühbirne. Oder auch Mikhail Kalashnikov (1919-2013). Sicher sind sie mehr der Technik/Funktionalität als der Form ergeben aber wen juckt’s? Gestaltet haben sie definitiv die Form der Dinge die sie erdacht haben. Aber viellleicht taucht hier auch ein grundlegendes Problem meiner Aufgabe und unseres Departements auf: Wer darf sich „Designer“ schimpfen? Da die Antwort mit „jeder“ relativ ernüchternd ausfällt, durch die Unschützbarkeit des Titels, ist alles erlaubt. Zählt also nur die subjektive Meinung. Eine hervorragende Chance für einen Schlagabtausch. Was meint ihr? Designer und Ingenieure zwei verwandte Rassen oder eine Gattung?

Da ist der Hund begraben

Langsam ist mir schlecht. Ich hab‘ mir in den letzten 1:30 Stunden so viele verschiedene Bilder von Designern und ihren tollen Klassikern reingezogen, dass mir sogar das Typographiedesign zu viel ist. Aber ich hab‘ was bemerkt. Es scheint ungeschriebene Regeln zu geben, um in den Designolymp zu kommen (wenn du auch dahin willst Lauscher auf!):

01. Du bist ein Mann

02. Du fabrizierst extravagantes bis unbrauchbares Desgin

03. Dein Design findet man nur in Museen

04. Provokation ist dein liebstes Stilmittel

05. Dein Entwurf war der erste, nicht der schönste

06. Du hast einflussreiche Freunde

07. Falls du durch einen Stuhl bekannt geworden bist ist er maximal unequem und sieht auf den ersten Blick erschreckend unbequem aus

08. Die dinge die deinen Namen tragen, kosten mehr als sie wert sind.

*Ausnahmen bestätigen die Regel

Fühlt euch frei mich zu kritisieren und die Liste zu vervollständigen.

Frauen, wo seid ihr?

Gerade bin ich bei meiner Recherche auf Maria Berntstein gestossen. Was kennt ihr nicht? Ich bis jetzt auch nicht. Aber sie hat’s in „Das Buch der Designer, die wichtigsten Designer und ihre Klassiker“ (2011) geschafft. Ich tue mal etwas für eure Bildung und hänge zwei Bilder von ihren bekanntesten Produkten an. Faszienierend, eine Frau im Designolymp. Die Ausnahme bestätigt hier wohl die Regel. Es gibt da zwar noch eine paar andere und sicher die Zeiten ändern sich aber Industriedesign war lange Zeit eine patriarchalische Angelegenheit. Und um die Gelegenheit zur Provokation nicht auszulassen: Wie sieht weibliche Formsprache eigentlich aus?

http://www.schoener-wohnen.de/designer-lexikon/17762-dlxk-maria-berntsen#37954
Stand: 15.Mai 2017
http://www.schoener-wohnen.de/designer-lexikon/17762-dlxk-maria-berntsen#37954
Stand: 15. Mai 2017

Vitra. Du machst mich kirre.

Vitra, ein komisches Konstrukt, wenn ich einfach mal meine subjektive Wahrnehmung verbalisierend nach aussen stülpe. Fast alles was ich da gehört und gesehen hab‘ hinterliess bei mir einen komischen, faden Nachgeschmack. Das ganze Projekt kommt mir vor wie ein Kaugummi auf dem man zu lange rumgekaut hat. Jacob hat dadrauf erwidert wie viele krasse Architekten, z.B. Gehry und Hadid, beim Vitra Projekt involviert sind. Meiner Meinung nach stützt das allerdings nur meine These. Denn bei Vitra ging und geht es vor allem ums Möbeldesign. Das man da versucht namenhafte Architekten zu gewinnen verstärkt nur meinen Eindruck, dass Vitra von seiner Vergangenheit lebt und versucht diese krampfhaft auszuschlachten und am Leben zu behalten, wie einen Toten den man immer und immer wieder versucht wieder zu beleben. Da dient vor allem auch Marketing als Defillbrator und natürlich die sektenanmutende Fröhlichkeit der Angestellten. Die Frau die uns durch den Herstellungsprozess begleitet hat, kam mir ein bisschen so vor als hätte sie eine kleine Gehirnwäsche bekommen. Vitra ihre einzige, heisse und innige Liebe. Nachdem ihre verbale Gefühlsexplosion abgeklungen war und sie uns versichert hatte, dass alle Materialien für den Aluminium-Chair aus den umliegenden Ländern kämen, fragte ich sie von wo denn das Aluminium stamme. Sie wusste es nicht, sagte sie könnte ja nicht alles wissen und fragte stattdessen einen der Monteure. Als dieser Ungarn als Antwort erwiderte, war sie für einen kurzen Moment geschockt und verblüfft zugleich und verlor ein wenig die Fassung. Das Wort Ungarn passte glaube ich irgendwie nicht ganz zu ihren Frühlingsgefühlen und der ihr vermittelten Firmenphilosophie. Später passierte gleich nochmal so etwas ähnliches, als die HR-Leiterin uns erklärte, dass Vitra natürlich auch nicht perfekt sei und ihr Aussage dann aber nach kurzem Nachhaken von einem von uns gleich wieder revidierte. Ich weiss, das alles ist deren Job und das Zeug hat haben sie auswendig gelernt aber genau das meine ich. Es kam mir vor als müsste sie 1000 Gründe zusammenkratzen, um den horrenden Preis für die sogenannten Designklassiker rechtfertigen zu können. Und wie sie gleichzeitig von Charles und Ray Eames schwärmten, als wären sie Unsterbliche. Hätte mich nicht gewundert hätten sie uns noch zum Eames-Schrein geführt und eine Designerkerze angezündet. Ja, zugegeben, etwas zynisch aber es stinkt mir, dieses Idealisieren von Designer und die Vermarktung von angeblichen Klassikern. Dabei will ich nicht bestreiten, dass es erfolgreiche Designer gibt, sondern anprangern was aus erfolgreichen Designern gemacht wird und wie man versucht jemanden zu einem erfolgreichen Designer zu machen. Da kommt mir der Vegetal Stuhl von den Bouroullecs in den Sinn. Und wieder, es geht mir nicht darum, dass Design zu kritisieren, sondern ich frage mich: Wäre dieser Stuhl jemals bekannt geworden und Gestalter so erfolgreich, ohne das Marketing von Vitra und ist es berechtigt, dass der Vierbeiner in jedem schweizer Vorzeigeausstellungsbüro (z.B. dem „Haus der Zukunft“) zu sehen ist und als bereits etablierter Klassiker unserer Zeit vermarktet wird, ohne das er sich je beweisen musste?

Vitra kommt mir vor wie ein Kind von reichen Eltern, es lebt vom Erbe und man fragt sich, für wie viele Monate es noch reicht.

Und ja, ich befinde mich in einem ziemlichen Klinsch, was meine Aufgabe für den Zeitstrahl betrifft. Welche Namen sollten da drauf stehen und unser Bild von erfolgreichen Designern prägen? Die einflussreichsten? Die besten? Sind das die gleichen wie die hochgelobten und erfolgreichen? Oder sind das alles nur Halme an die wir uns klammern, um die Vergangenheit zu ordnen und ihr eine Form und uns Halt zu geben? Oder vielleicht auch nur noch Namen für die Marketingabteilung um den Umsatz zu sichern?

 

10 Designer die man kennen muss

Diese Namen. Man kennt sie. Man muss sie kennen, oder? Thonet, Wedgwood, Eames, Rams, Horta, Chippendale, Ive und wie sie nicht alle heissen, diese berühmt berüchtigten Designer. Legenden! Bei ehrlicher Ahnungslosigkeit kann man sich schon mal auf die fassungslose Nachfrage gefasst machen: „WAs?! Den kennst du nicht?“ Dabei beschränkt sich das was wir über sie wissen auf den Nachnamen, den Vorname, vielleicht noch ihr berühmtestes Werk, eine bekannte Firma für die sie mal gearbeitet haben und wenn’s hoch kommt sogar einzelne Details aus ihrem Lebenslauf. Einigen wir uns also darauf, dass wir mal von ihnen gehört haben. Denn getroffen haben wir sie nie, mit ihnen geredet haben wir erst recht nicht.

Deshalb frage ich mich: Was waren und was sind das für Männer? Was hat sie im tiefsten Innern angetrieben? Warum lese ich nichts oder fast nichts von Frauen? Wie haben sie es in den Designolymp geschafft und wer hat entschieden, dass gerade diese Namen in die Geschichte eingehen? Wofür brauchen wir diese Namen und Designhelden? Werden da nicht einzelne Menschen zu Mythen gemacht, um uns Halt und Orientierung zu geben? Waren sie überhaupt so gute Designer wie uns suggeriert wird? An was haben sie geglaubt? Sind sie für mich als angehenden Industriedesigner gute Vorbilder und kann ich von ihnen lernen? Ist das das höchste Ziel eines Designstudenten, irgendwann wenn man schon lange tot ist, auf einem Designzeitstrahl aufzutauchen? Was bringt uns die Designgeschichte? Und nach welchen Regeln wird sie geschrieben?

Das sind ein paar der Fragen die mir in Vorlesungen, Seminaren, Gesprächen und auch jetzt beim Lesen von „Geschichte des Designs“ von Thomas Hauffe durch den Kopf schiessen.

Und ich hoffe auf lehrreiche Antworten im Verlauf der nächsten Wochen, während der Recherche und Arbeit für den Designzeitstrahl für unser ViD Atelier. (Reim!)