Vom Konkreten bis zur Metaebene

Während der Auseinandersetzung mit Papaneks Funktionskomplex bzw. den Feldern Methode und Telesis merke ich immer mehr, wie und weshalb sich diese beiden so stark beeinflussen. Betrachtet man eine Sache im Konkreten, können zwar Beobachtungen definierter erläutert werden. Möchte man dies jedoch mit den Zusammenhängen auf einer Metaebene vergleichen stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Dieses komplexe Geflecht von verschiedenen Wirkungen, Handhabungen und Argumenten in einer allgemeingeltenden Formulierung zu beschreiben muss (für mich logischerweise) mit philosophischen Ansätzen erfolgen, da erst durch diese Fragen gestellt werden, welche zu den gesuchten Antworten führen. Wieso Kunststoff sich als Material für eine Flasche eignet, lässt sich mit einer objektiven Auseinandersetzung im Sinne der fertigungstechnischen, ökologischen und methoden-orientierte Designansätzen relativ einfach begründen. Ob nun jedoch die Verwendung dieses Materials in einer überlegten, zweckvollen Nutzbarmachung der natürlichen und gesellschaftlichen Prozesse steht und damit bestimmte Ziele erreicht werden, stufe ich als Frage der Meta-Ebene ein. Dabei sollten jedoch auch allgemeine sozioökonomische Hinterfragungen erfolgen. Erst dadurch werden Zusammenhänge klarer und Antworten zum Konkreten logischer. Ein gutes Beispiel ist das Plastic Garbage Project bzw. die Serie von Chris Jordan – Midway: Message from the Gyre, bei welchem die Auswirkungen der Meta-Ebene auf das Konkrete klarer nicht sein könnten.

Chris Jordan, Midway: Message from the Gyre, Serie seit 2009 http://www.plasticgarbageproject.org/de/ausstellung/rundgang/auswirkungen-tierwelt/

 

 

Evian-Design

In einer weiteren Auseinandersetzung mit meinem Thema (die Betrachtung einer Evian-Kunststoffflasche innerhalb des von Papaneks erstellen Funktionskomplexes im Bezug auf Telesis und Methodik) habe ich im letzten Blogeintrag auf wissenschaftliche Ansätze von ’sinnvollen‘ Kunststoffverwendungen verwiesen, welche wiederum neue Themenfelder in designspezifischen Aspekten eröffnet wie z.Bsp. die Wiederverwendung von Polyesterfasern in der Textilindustrie.

Um grundlegend zu verstehen weshalb eine Evian-Flasche so Design wurde wie sie ist, sollte ich jeweilige Designfaktoren bzw. Designüberlegungen kennen bzw. wissen welche Personen denn eigentlich verantwortlich sind für das Design der Evian Flasche bzw. von Evian. In meiner Recherche stiess ich dann auf den Namen Issey Miyake, welche 2010 die evian® Limited Edition designte. Er leitet das Forschungszentrum 21-21 Design Sight in Roppongi, Tokio, zusammen mit Taku Satoh (Grafik), Nato Fukasawa (Industrial Design) und Noriko Kawakami (Design-Journalistin). Weiter hat dieses Jahr Evian zum zehnjährigen Jubiläum der evian® Limited Edition eine neue Ausgabe mit Maison Christian Lacroix herausgegeben. Das feine Stickerei-Design hat seinen Ursprung in der Haute Couture. 2007 wurde es zum ersten Mal ausserhalb der Christian Lacroix Modekollektion verwendet – auf der ersten Limited Edition Glasflasche von evian®.

Mir ist bewusst, dass die evian® Limited Edition Flasche ein anderes Produkt ist als die herkömmliche Flasche aus Kunststoff. Die Überlegung und die Verbindung zu den oben erwähnten, sich öffnenden Themenfelder finde ich jedoch sehr interessant. Eine mögliche weitere Verwendung des Kunststoffes bzw. der Polyesterfasern in der Textilindustrie und die Tatsache das ein bekannter Textildesigner wie Christian Lacroix schon zum zweiten Mal eine evian® Limited Edition Flasche (zwar aus Glas) designte, und dabei ein ‚buntes Paseo-Muster‘ verwendet empfinde ich als Blindheit der Funktionalität (innerhalb des Funktionskomplexes). Wäre doch eine direktere Umsetzung in der Methodik fast schon naheliegender oder müsste in einem Forschungszentrum für Design wie es das 21-21 Design Sight ist, zumindest als eine ernstzunehmende Möglichkeit erscheinen.

evian® Limited Edition by Christian Lacroix http://www.evian.com/de_ch/die_evianr_saga/evianr_x_christian_lacroix_une_ode_a_la_creativite/

 

kreative Lösungsansätze?

Während dem Besuch des KATZ (Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum) konnten wir Herr Jürg De Pietro (Geschäftsführer und Dozent MAS Kunststofftechnik) nach seinen persönlichen Lösungsansatz im Bezug zur Kunststoffverwendung erfragen. Dies würde nach seiner Auffassung dann stattfinden, wenn der Kunststoffverbrauch in einem geschlossenen Kreislauf verwendet wird. Anhand einer PET-Flasche wurden die Möglichkeiten veranschaulicht, wie eine solche Verwendung aussehen würde:

-Die Kappe bzw. der Deckel findet nach dem Gebrauch der Flasche als Behälter Verwendung in der Gemüse- und Fruchtverpackungsindustrie. Neue Folien- bzw. Behälter können durch Einschmelzung daraus gezogen oder gegossen werden.

-Der Flaschenkörper könnte in der Textil-Herstellung als Ressource von Polyester-Fasern verwendet werden. Auch die Einschmelzung wäre eine Möglichkeit, um aus dem Material neue PET-Flaschen herzustellen.

-Die Beschriftungsfolie dient zur Energieverwendung und wird in speziellen Anlagen verbrannt.

Dieser Lösungsansatz stufe ich als interessant ein, da er ohne Bezug zum gestalterischen Kontext formuliert wurde. Aus den sich eröffnenden Themenfelder könnten jedoch designorientierte Ansätze entstehen.

Polyester- Fasern http://cerig.pagora.grenoble-inp.fr/tutoriel/non-tisse/photo12.htm

Skizze eines Essays

Eine erste grobe Skizze meines Essays, bzw. dessen Inhalt möchte ich in diesem Blog-Beitrag festhalten. Dabei möchte ich anmerken, das es sich hierbei nicht um eine definitive Abgrenzung handelt, sonder vielmehr um einen ersten Überblick, mit welchen Themen, Bereichen, Fragen und Inhalten ich mich in meinem Essay auseinander setzten möchte. In einem Satz zusammengefasst würde der Titel folgendermassen lauten: ‚Die Analyse des Funktionskomplexes Papaneks anhand einer Evian-Flasche mit Hilfe grundlegender Fragen des 21. Jahrhunderts‘. Dabei möchte ich mich in den nächsten Wochen weiter eingrenzen und mögliche Aspekte wie die Doppelrolle des Designers als Gestalters und Konsument oder die Rolle der Materialwahl und des Materialeinsatzes einfliessen lassen. Die präzise Beschreibung und Beobachtung des Funktionskomplexes soll anhand seiner Idee, den historischen Zusammenhang und vor allem seines Aufbaus beschrieben werden. In einem weiteren Schritt wird die Beispielanalyse mit Hilfe einer Evian-Trinkflasche durchgeführt. Anhand verschiedener und zur heutigen Zeit grundlegenden Fragen soll das Model und dessen Funktionalität zugeordnet werden. Die heutigen individuellen Bedürfnisse, gesellschaftliche Probleme und soziokulturellen, globalen Probleme sind Spannungsfelder, in welchen diese Beispielanalyse erfolgen soll. Davon ausgehend, formuliere ich meine eigene These und erarbeite ein neues Verständnis von Funktion/ Funktionalität.

Folgende Literaturnachweise (und mögliche andere), möchte ich in mein Essay einfliessen lassen und dienen als Inhaltliche Grundlage:

  • Victor Papanek / Was ist Design? (1972)
  • Claudia Banz / Social Design – Gestalten für die Transformation der Gesellschaft (2016)
  • Hans Höger / cultural engineering – Zur Kontextualisierung von Gestaltungsprozessen (2005)
  • Querfeldein 1 / Design & Politik – Texte zur gesellschaftlichen Relevanz gestalterischen Schaffens ()

Darf/ muss/ sollte Design wehtun?

Gestaltung soll auch schmerzhafte Einsichten vermitteln, sie darf nicht immer nur gefallen bzw. dem leichtfertigen Problemlösungsoptimismus folgen. Es gilt, sich durch Design kritisch zu zeigen: Um die Konsumenten zum Ausstieg aus den bestehenden Selbstverständlichkeiten zu bewegen, steigt der Gestalter zunächst selber aus der Produktionslogik aus. Er verweigert sich den konjugierbaren Dingen, um Dinge zu gestalten, die man nicht mehr im üblichen Sinne besitzen, vorzeigen oder horten kann – dies kann z.B. eine neue Esskultur sein wie bei Martin Guixé, der sich als Ex-Designer bezeichnet, oder die Konzeption ‚kritischer Dinge‘, die nach Anthony Dunne und Fiona Raby überall stattfinden können, wo die Industrie ihren Traum nicht verwirklichen kann, neue Geschäfte zu machen. Unbequemes Design geht historisch schon auf das Radical Design der 1968er Dekade zurück sowie auf alle nachfolgenden Positionen des Anti-Design. Solche Gestaltung will nicht funktionieren, sonder wach rütteln. Zurecht natürlich, Aber damit entfällt wiederum die Suche nach der lesbaren Alltagslösung. Und wer möchte schon 24 Stunden am tag, 7 Tage die Woche wachgerüttelt werden? … Claudia Ganz (Hg.) – Social Design, S. 66

… Wenn wir lernen wollen, weniger Dinge zwanghaft zu konsumieren, sollten wir die Dinge, die wir trotzdem haben wollen, anders betrachten. Solche Dinge möchte man sinnlich und körperlich, kommunikativ und narrativ, sinnstiftend und moralisch, imaginär un utopisch erleben können – darin läge jeweils der Grund, warum wir sie haben. Es handelt sich also um Qualitäten, die man traditionsgemäss der Ästhetik zuschreibt. Doch gilt ausgerechnet die Ästhetik in der Designtheorie immer noch als verfremt, denn man verwechselt sie zu rasch mit der Ästhetisierung der Warenwelt. Wir müssen also lernen, das Ästhetische wieder im ursprünglichen Sinne als Aisthesis zu verstehen, d.h. als die Fähigkeit, überhaupt eigentliche sinnliche Erfahrungen zu machen, anstatt nur passiv und willenlos zu konsumieren. Mehr Aufmerksamkeit für Dinge zu schaffen, ist die Voraussetzung für einen bewussteren Umgang mit ihnen. … Claudia Ganz (Hg.) – Social Design, S. 68

Den oben aufgeführten Absatz empfand ich im Bezug auf den von Papanek aufgestellten Funktions Komplex und die Differenzierung zwischen Methode und Thelesis (Beispiel Evian-Falsche) interessant. Wodurch oder wie sollte die Verwendung eines Materials, in diesem Beispiel Kunststoff, in der Funktion dieser Flasche eingeordnet werden? Spielen die fertigungsspezifischen Eigenschaften eine wichtigere Rolle, als die gesellschaftliche bzw. umweltbelastende Verwendung eines Materials? In wie weit könnte, müsste oder sollte das Design der Evian-Flasche (vor allem im Bezug auf Methode und Thelesis) überdenkt werden? Bin ich als Designer für diese Zuordnung verantwortlich oder ist es schlussendlich der Konsument? Besteht die Aufgabe meines Schaffens als Designer gerade in solchen Bereichen mehr als nur eine formelästhetische Rolle, oder bin ich schlussendlich der präsenten Konsumgesellschaft, welche offensichtlich Angebot und Nachfrage selber reguliert, so oder so ausgeliefert? Würden solche Zuordnungen das Design als solches, seine Erzeuger und Gestalter wie auch seine Rolle und Verantwortung nicht grundlegend(er) ausrichten?

Funktion und Funktion

Die Anwendung des Funktion Complex von Victor Papanek am Beispiel einer Evian Flasche führte zu einer interessanten Diskussion. Die Themenfelder Telesis und Methode im Bezug auf die Materialverwendung bei der Evian Flasche, hat zu mehreren Meinungsäusserungen geführt. Einerseits sei es die Frage nach der Materialität, welche die Methode erfragt. Kunststoff ist durch seine Fertigungseigenschaften sehr geeignet. Formen sind frei wählbar, trotzdem weisst die Flasche in ihrem Endzustand eine Flexibilität auf. Weiter ist die Transparenz des Materials für die Ersichtlichkeit des Flascheninhalts sehr geeignet. Andere Meinungen sahen das Material Kunststoff eher als Faktor, welcher in der Telesis wichtig sei. Durch die Verwendung von fossilen Rohstoffen in der Herstellung und die langfristige Belastung der Umwelt als nicht-abbaubares Material sei die Materialverwendung eine Frage der Telesis.

Meine persönliche Überlegung war, das solche Fragen sich innerhalb des Funktion Complex bewegen können. Das heisst konkret, das sich die Materialverwendung von Kunststoff zum Zeitpunkt der industriellen Verwendung eher eine Frage bzw. Antwort war, welche die Methode betraf. Gegebene Problemstellungen wurden mit diesem Material gelöst und erfüllten die Methodik in der Funktionalität. Betrachtet man nun die heutige Situation, sind die langfristigen Folgen des Kunststoffes ein Problem, das die Gesellschaft und Umwelt als ganzes betreffen. Die Frage der richtigen Materialverwendung bewegt sich von der Methodik zur Telesis und beeinflusst die Funktionalität der Evian Flasche nun in einer anderen Wirkungsweise. Die Behauptung, das sich einzelne Kriterien und Punkte des Funktion Complex gegenseitig beeinflussen und sich durch äussere Umstände und Veränderungen in andere Themen und Felder entwickeln können, erachte ich als interessante Überlegung. Die Funktionalität als wichtiger Faktor der Designdefinition würde in diesem Zusammenhang über sich hinauswachsen und sich nicht mehr selbst definieren. Design würde sich durch die Entwicklung bzw. die äusseren Umstände definieren, welche die (richtige) Funktionalität zu einer temporären Eigenschaft werden lässt.

Funktion Complex – Victor Papanek

Was soll denn Design?

Studierende, Dezente wie auch freischaffende Designer ausserhalb des Mikrokosmos namens ZHdK, sprechen oft von der wichtigen und grundlegenden Fähigkeit des Verstehens übergeordneter Zusammenhängen. Verbindungen oder Gemeinsamkeiten verschiedener Themen und Bereiche, welche zu einer neuen Überlegung, Beobachtung und schlussendlich einem neuen Produkt führt. Dabei ist nicht das fünfzehnte Model einer Kaffeemaschine gemeint. Auch nicht der noch intelligenter, digitale Lebensassistent, welche unsere Gesellschaft auf ein neues Level der paradoxen, sozialen Vereinsamung hebt. Vielmehr verstehe ich darunter übergeordnete, sehr abstrakte und einflussreiche Verflechtungen zwischen individuellem Bedürfnissen, gesellschaftlichen Problemen und soziokulturellen, globalen Entwicklungen.

Gut durchdachte Produkte, welche Funktionalität und Ästhetik in Einklang bringen, schätze ich sehr. Auch ihre vielleicht sehr technischen Produktionsprozesse und die dazu notwenigen Maschinen und Werkzeuge faszinieren mich und noch interessanter empfinge ich die Vorstellungen, wohin diese einzelnen Bereiche und Produkte uns wohl hinbringen werden. Gesamtheitlich betrachtet erachte ich es jedoch als wichtigster Punkt, weshalb wir uns mit einer Materie beschäftigen und welches Potenzial sie uns als Gesellschaft ermöglichte bzw. bringen könnten? Diese Betrachtungsweise führt gezwungenermassen zu Fragen wie: Welche Optionen besitzen Designer und welche Verantwortung tragen sie? Welche Diskurse werden um die Erweiterung des Designbegriffs geführt und wie sieht die Zukunft des Designs aus? Diese Fragen, werden im Buch Social Design – Gestalten für die Transformation der Gesellschaft von Claudia Ganz ergründet. Für mich ein Interessenfeld, das grundlegender für Design nicht sein könnte.

Wie oder was?

„Die Richtigkeit jeder Lösung hängt vom Sinn ab, den wir der Anordnung geben.“

„Die Mitglieder einer zivilisierten Gesellschaft sind abhängig von der Geschicklichkeit, der Intelligenz und dem Einfallsreichtum der Experten, Aber wie gut ausgebildeter diese auch sein mögen, wenn sie kein Bewusstsein ihrer Ethischen, intellektuellen und künstlerischen Verantwortlichkeit entwickeln, werden die Sittlichkeit und die intelligente, „schöne“ elegante Qualität des Lebens immer mehr unter dem heutigen System der Massenproduktion und des Privatkapitals leiden.“

„TELESIS: Die überlegte, zweckvolle Nutzbarmachung der natürlichen und gesellschaftlichen Prozesse, um bestimmte Ziele zu erreichen. (American College Dictionary, 1961)“

Zitate aus dem Text Was ist Design -Papanek (1972)

Wie oder was definiert den Sinn, von welchem die Richtigkeit abhängt? Wie oder was definiert die Ziele, die die Telesis als solches versucht zu erreichen?

Theoretisch wichtig beim praktischen Arbeiten

Ich erachte theoretische Ansätze und Überlegungen als wichtig im Bezug auf das praktische Arbeiten. Die Theorie bildet die Grundlage um praktische Umsetzungen sinngemäss zu begründen und beeinflussen Entscheidungen. Vielfach ist der Bezug oder die Wichtigkeit zum praktischen Arbeiten weit entfernt oder schwierig in den Kontext zu stellen, da theoretische Texte oder Themen oftmals breit und komplex formuliert sind. Das Verständnis und die Fähigkeit das Geschriebene anzuwenden und dann auf seine eigenen Gedanken und Arbeiten abzuleiten, fordert und interessiert mich.