Theoriemüde

Christian Demand spricht in seiner Designkolumne wohl so manchem Studenten, so mancher Studentin aus dem Herzen, zumindest im Titel: „Theoriemüdigkeit“. Leichte Lektüre ist das allerdings nicht. Immerhin erscheint die Kolumne in der Zeitschrift Merkur, einer anspruchsvollen Kulturzeitschrift für ein geschultes Publikum, das heisst für ein Publikum, das über ein bestimmtes Referenzsystem verfügt und beim Lesen gewillt ist den Kopf hellwach zu schalten. Lesenswert ist der Text aber allemal.

Demand formuliert mit spitzer Zunge, etwa wenn er den theoretischen Gehalt von Designzeitschriften beschreibt:

(…) Die nicht weniger zahlreichen Designperiodika wiederum veredeln optisch zwar verlässlich die Zeitschriftendisplays gutsortierter Buchhandlungen, ihre intellektuelle Flughöhe aber ist bei aller Ambition zumeist umgekehrt proportional zum gestalterischen Aufwand. (…)

Er beobachtet, dass im deutschsprachigen Raum eine kluge Designtheorie seit den 1970er Jahren (!!!) so gut wie nicht mehr existiert. Der einzige in diesem Feld ernst zu nehmende Denker sei Gert Selle. Die grosse Qualität von Selle liegt, so Demand, darin, Fragen zu stellen, die er nicht zu beantworten vermag und sich beobachtend, ja staunend der gestalteten Welt zu nähern. Das sei „Theorie im besten Sinne: ein (…) informiertes wie geduldig hinsehendes Nachdenken.“

Der Lektüretipp gilt daher Gert Selle. Seine „Geschichte des Designs in Deutschland“ bietet allerfeinste Sommerlektüre.

Und noch mal: Was ist Design?

Manchmal zweifle ich, ob es richtig ist, in meinen Seminaren immer und immer wieder nach dem Designbegriff zu fragen. Wenn ich dann beim Prokrastinieren (= Herauszögern von unangenehmer Arbeit) über einen Veranstaltungshinweis mit dem Titel „Vortragsreihe: Was ist Design? Revision eines Begriffs“ stolpere, wirkt das doch entlastend. Denn wenn ausgewiesene Expertinnen und Experten auf Einladung einer deutschen Hochschule reihum versuchen dem Begriff auf die Spur zu kommen, kann es nicht komplett falsch sein, hin und wieder auch in einem Seminar zu fragen: Was? Design?

Alltagssemiotik, vorausblickend

Im dritten Semester wird es immer wieder mal um Semiotik und Semantik gehen, also um die Kunst Zeichen und Bedeutungen zu setzen – mit den Mitteln des Designs. Einen schönen Vorgeschmack darauf gibt dieser Text über so genannt selbstreferentielles Design. Auf der Strasse, im Einkaufszentrum, Zuhause und unterwegs beobachtet der Autor Dinge, die sich gestalterisch auf sich selbst beziehen: Eieruhren in Eierform zum Beispiel. Dabei beobachtet er genau, skizziert das Beobachtete mit der Handykamera und deutet es in kurzen, pointierten Sätzen.

Der leicht lesbare Text und die zahlreichen Bilder aus dem Notizbuch des Autors ist nicht nur wegen dem designtheoretischen Ansatz interessant, sondern auch weil er zeigt, wie wir vom Alltag lernen können, wie wir von „schlechtem“ Design lernen können, wie wir über die gestaltete Umwelt nachdenken können.

Foto: Franziska Nyffenegger

Bildlegende: Ein Spielplatzgerät in Form eines Tête-de-Moine-Schneidegeräts vor dem Tête-de-Moine-Museum in Bellelay – kein selbstreferentielles Design, aber fast.