Design für den Alltag

Warum ist es so schwierig einen Alltagsgegenstand zu entwerfen, der nicht zu einem Luxusprodukt wird, wenn man ihn eigentlich für die breite Masse gestalten wollte?
Philipp Starck gestaltete eine Zitronenpresse, zumindest versucht das Ding eine zu sein. Die meisten Leute, die sich so eine Zitronenpresse leisten können (sie kostet über 60 Franken) pressen damit wohl keine Zitronen und auch keine Orangen. Der Alltagsgegenstand wird zum Kunstobjekt.
Es gibt auch andere Ansätze, zum Beispiel die Produktpalette von Manufactum. «Es gibt sie noch, die guten Dinge», ist dessen Slogan. Diese «guten Dinge» sind aber oft so gut, dass sie sich dadurch wiederum exklusiv machen. Zum Beispiel eine gute Papierschere, die kostet 53 Franken. Aber sie ist nur so teuer, weil eine «gute» Schere aus rostfreiem Metall sein muss, nicht zur Hälfte aus Kunststoff und die Schraube darf sich durch den Gebrauch nicht lösen. Während Starck keinen Wert darauf legt einen Alltagsgegenstand zu gestalten, ist bei Manufactum eine klare Absichtserklärung in diese Richtung vorhanden. Aber der Vorsatz scheitert daran, diese guten Produkte einer breiten Kundschaft zu veräussern.
Im Katalog ist auch zu beobachten, dass darin zwar einfache und zweckmässige Produkte vorkommen, es aber fast von jedem eine oder mehrere Variationen gibt. Sucht man eine Schere, einfach eine Schere für alles, so wird man in diesem Katalog nicht fündig. Lucius Burkhardt hat geschrieben, dass Hammer und Zange einfach und zweckmässig seien und das Fahrrad fälschlicherweise dazugezählt würde, weil es nicht mehr «Das Fahrrad» gibt, sondern nur noch Rennräder, Mountainbikes und City-Bikes. Diese Entwicklung hat seit Burkhardts Statement auf die meisten Alltagsprodukte übergegriffen, sodass man heute von fast keinem Produkt mehr sagen kann was es ist, ohne eine weitere Spezifikation dazufügen zu müssen.
Ich fordere daher, frei nach Burkhardt, Produkte, die sind was sie sind, ohne weitere Spezialisierung. In diesem Katalog fände man dann den Hammer, die Schere, den Schraubenzieher, die Zitronenpresse und das Fahrrad. Preisgünstig hergestellt, an den richtigen Orten gespart, umweltverträglich, universal einsetzbar und unspektakulär. Alltagsprodukte eben. Diese Forderung führt mich wieder zurück zur Frage, die ich am Anfang stellte. Warum ist es so schwierig einen Alltagsgegenstand zu entwerfen, der nicht zu einem Luxusprodukt wird, wenn man ihn eigentlich für die breite Masse gestalten wollte?

Deshalb.

Ein Gedanke zu „Design für den Alltag“

  1. Achtung im Bezug auf die historische Argumentation: Es ist – meines Wissens – nicht so, dass Ausdifferenzierung innerhalb einer Produktkategorie ein Phänomen ausschliesslich unserer Zeit ist. Im 19. Jahrhundert gab es beispielsweise bis zu 400-teilige Bestecksets: Löffel für Schildkrötensuppe, Olivengabel, Gurkengabel, Messer für Hartkäse, Messer für Weichkäse und und und. Wenn dich das interessiert, empfehle ich dir „Messer, Gabel, Reissverschluss. Die Evolution der Gebrauchsgegenstände“ von Henry Petroski (ZHdK MIZ, Galeriegeschoss G 41.8, 269-8).
    Und zudem Achtung mit dem Preisargument: Auch Menschen mit wenig Einkommen investieren u.U. in teure Alltagsgegenstände, weil sie wissen, dass eine solche Investition sich auf lange Dauer besser rechnet. Mein Haushalt ist voll mit Dingen, die vor 50-80 Jahren zu den teuren gehörten und immer noch gut sind – und nicht alle stammen aus bildungsbürgerlichen Haushalten 🙂

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