Papaneks Pauschalisierungen

„Die Menschen scheinen das Ausgeschmückte dem Einfachen vorzuziehen, so wie sie das Tagträumen dem Denken und den Mystizismus dem Rationalismus vorziehen. Sie suchen Massenvergnügungen und mögen vielbefahrene Straßen lieber als Einsamkeit und stille Wege Menschenmengen und dichtes Gewimmel scheint ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu geben“
(Papanek, Viktor. 2000 (1984/1972). Design for the Real World. Chicago. p. 25)

Papaneks Tendenzen zu Verallgemeinerungen vermindern leider meiner Meinung nach die Qualität des Textes. Auch wenn ich seine Wut durchaus nachvollziehen kann: Es gibt einfach Momente im Leben, da verliert man den Glauben an die Menschheit. Z.B. findet gerade ein Fasnachtsumzug vor meiner Haustüre statt und als wäre diese (subjektiv betrachtete) Kakophonie nicht schon genug musste auch noch ein Wurstverkäufer direkt vor meinem Hauseingang parkieren mit dem kreativen Spruch „VEGAN ISCH EUS WURSCHT“ auf dem Verkaufswagen inklusive Plastikspanferkel. Diese glorifizierende zur Schaustellung der eigenen Dummheit wird noch von der Ignoranz gekrönt, dass diese Person seinen eigenen Kindern dieses Verhalten als Normalität verkauft. Genau so gut könnte auf dem Wagen stehen: „DIE ZUKUNFT MEINER KINDER IST MIR WURSCHT“. Entweder diese Person leugnet den Zusammenhang zwischen CO2-Emission (Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel der Emission auf Massentierhaltung zurückzuführen sind) und der durschnittlichen Temperatur auf dem Planeten oder sie ist einfach geistig zu beschränkt um diese banale Korrelation zu verstehen.

Nun könnte ich dazu geneigt sein alle Omnivoren in eine Schublade zu stecken, aber mir ist bewusst, dass es auch sehr reflektierte FleischesserInnen gibt, denen es nicht egal ist, woher ihr Fleisch kommt und die auch nicht jeden Tag drei mal Fleisch konsumieren müssen. Man muss einfach einen Moment innehalten bevor man Verallgemeinerungen niederschreibt. Genau das hätte Papanek auch tun sollen. Ich persönlich bevorzuge nämlich auch Einsamkeit und Stille gegenüber dem Stadtgetummel und ebenso liegen mir rationale Argumente näher als postfaktische.

Papanek hätte auch seine Aussage relativieren könne indem er seine Formulierung angepasst hätte: „Die meisten Menschen scheinen das Ausgeschmückte dem Einfachen vorzuziehen…“. Damit hätte er auch seine Argumente deutlich durchdachter gestaltet und würde nicht mehr seinen eigenen Aussagen bezüglich Rationalismus widersprechen. Wahrscheinlich hat er die Mehrheit der Menschen gemeint, aber dann sollte er seinen Text auch entsprechend gestalten.

2 Gedanken zu „Papaneks Pauschalisierungen“

  1. Zunächst ein formales Detail: korrekterweise solltest du die Quelle präziser angeben, d.h. die genauen bibliografischen Angaben nennen (z.B. Papanek, Viktor. 2000 (1984/1972). Design for the Real World. Chicago. p. xxx) und nicht nur einen Nachnamen 🙂
    Zum Beitrag: Eine schöne Reflexion der Textlektüre! Man spürt deinen Unmut und wie du im zweiten Abschnitt von der Fasnachtskakophonie über den Fleischverzehr zur Zukunft der Kinder kommst, ist virtuos. Kritik mit einem konkreten Beispiel zu unterlegen ist immer hilfreich. – Und womit willst du dich in deinem Essay beschäftigen?

    1. Danke für das Feedback bezüglich der Referenz, ich ändere das noch!
      Dieser Blogeintrag war für mich eine Art Vorbereitung für das Verfassen von Texten, damit ich Pauschalisierungen generell vermeide in zukünftigen Beiträgen. Mit der tatsächlichen Themenwahl habe ich mich im nächsten Blogeintrag beschäftigt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert